Politica | Demonstration

Marsch durch Bozen

Forza Nuova protestiert am Samstag in Bozen gegen Flüchtlinge. Mit dabei: ein verurteilter NPD-Funktionär, Skinheads aus dem Veneto und CasaPound.

Es hätte ursprünglich eine viel größere Sache werden sollen. Und doch kann das, was sich am Samstag Nachmittag in der Bozner Innenstadt abspielen wird, Angst machen. Für 16 Uhr ist eine Demonstration geplant, die vom Siegesplatz aus über die Sparkassenstraße zum Bahnhofspark führt. Organisiert wird der Aufmarsch von Forza Nuova und deren Bozner Ableger. “No alla tendopoli – Nein zum Zeltlager in Bozen”, so der Slogan, unter dem an die hundert gemeldeten Demonstranten durch die Landeshauptstadt ziehen werden. Die deutschsprachige Übersetzung des Aufrufs verrät: Nicht nur italienische Rechtsextreme werden an dem Protestmarsch und der anschließenden Kundgebung am Bahnhof teilnehmen.


Faschistische Visionen

“Am 2. April werden wir in Bozen für die zukünftige Verteidigung der europäischen Völker demonstrieren”, so erklärt Luca Castellini die Beweggründe für die samstägliche Veranstaltung. Castellini ist als Forza-Nuova-Koordinator für Norditalien zuständig. Gemeinsam mit den lokalen Vertretern der rechtsextremen und faschistoiden Bewegung und ihrem Gründer Roberto Fiore ist er überzeugt: Das “Problem der Asylsuchenden” kann nur durch die Schließung der Grenzen, “wie bereits von einigen osteuropäischen Ländern praktiziert”, gelöst werden. Auch Fiore selbst wird am Samstag in Bozen mit von der Partie sein.


Eines der Banner, mit denen Forza Nuova zur Demonstration aufrufen. Foto: Facebook

Der 56-jährige Römer wurde 1985 von der italienischen Justiz wegen bewaffneter Bandenbildung und subversiver Vereinigung verurteilt – im Zusammenhang mit den Nuclei Armati Rivoluzionari (NAR), einer rechtsextremen Terrorgruppe, die in den 1970er Jahren für insgesamt 33 Morde verantwortlich war. Zur Zeit der Verurteilung hatte sich Fiore bereits nach England abgesetzt, wo er für zwei Jahrzehnte politisches Asyl genoss und daher nicht an Italien ausgeliefert wurde. 1997 gründete Fiore Forza Nuova, auch mithilfe des riesigen Vermögens, das er mit Immobilien, Supermärkten, Restaurants und Sprachschulen in England angehäuft hatte. Seit mehr als einem Jahrzehnt hat Fiore, der den italienischen Faschismus als “grande episodio della storia d’Italia che ebbe grandi intuizioni e che fece grandi opere” bezeichnet, ein weiteres Betätigungsfeld: In Italien, England aber auch Spanien und Polen kauft er kleine Ländereien und Betriebe auf, um sie in ländliche Kommunen umzuwandeln, in denen faschistische und rassistische Ideologien gelehrt und gelebt werden. Den jungen Europäern soll dort wortwörtlich beigebracht werden, a smetterla di parlare, muoversi, agire come dei negri.


Braun-schwarze Kontakte

Mit für die Demonstration am Samstag ins Boot geholt hat sich Forza Nuova – die mit Abordnungen aus Bozen, Meran und Trient anwesend sein wird – die Veneto Fronte Skinheads (VFS). Die Naziskinheads aus der Nachbarregion hatten zuletzt mit Blitzaktionen vor Caritas-Sitzen im norditalienischen Raum, darunter auch in Bozen und Trient, für Unmut gesorgt. Kein Geheimnis sind die Kontakte der VFS zur deutschen Neonazi-Szene. So belegen Unterlagen des italienischen Geheimdienstes, dass etwa Ralf Wohlleben Kontakte zu VFS unterhielt. Jener Wohlleben, der seit mehreren Jahrzehnten “eine fixe Größe im deutschen Rechtsextremismus” ist, wie Christoph Franceschini im April 2013 in einem Tageszeitung-Artikel schrieb. Heute sitzt Wohlleben unter anderem im NSU-Prozess auf der Anklagebank.

Doch nicht nur die Militanten des VFS zählten zu Wohllebens Bekanntenkreis. Wie das Bayerische Innenministerium 2012 dokumentierte, gab es auch Kontakte zwischen Wohlleben, bayerischen Neonazis und Neonazis in Südtirol, darunter dem “Südtiroler Kameradschaftsring-SKR” und der Gruppe “Skinhead Tirol Sektion Meran”. “Dies reicht von persönlichen Kontakten einzelner Neonazis bis hin zu gemeinsamen Veranstaltungen und Aktionen”, heißt es in einem Bericht des bayerischen Innenministeriums. Beispiel für die gemeinsamen Aktionen seien etwa die “Aktionstage Südtirol”. Durchgeführt vom neonazistischen “Bund Frankenland e.V.” im November 2008, in Reaktion auf die im April desselben Jahres im Rahmen der Operation “Odessa” verhafteten Südtiroler Neonazis. Als Auftakt der Aktionstage fand am 28. November 2008 eine Saalveranstaltung mit dem Thema “Südtirol ist nicht Italien” statt.

Neben den Aktionstagen veranstaltete der “Bund Frankenland e.V.” 2008 unter dem Slogan “Nationalistenverfolgung in Südtirol!” auch eine Spendensammlung für die in “Odessa” verwickelten Südtiroler Rechtsextremisten. Vorstand des Bund Frankenland war zu dieser Zeit Uwe Meenen. Jener Uwe Meenen, dem weitere Kontakte zur Südtiroler Neonazi-Szene nachgewiesen wurden, der inzwischen zu einem führenden Funktionär der rechtsextremen Nationalen Partei Deutschlands (NPD) aufgestiegen ist, 2012 wegen Volksverhetzung rechtskräftig verurteilt wurde – und am Sonntag neben Roberto Fiore durch Bozen marschieren wird.

Uwe Meenen (links) und Roberto Fiore (rechts). Foto: Facebook


Begrenzte Solidarität

“Ein wichtiges Signal unserer deutschen Freunde”, nennt FN-Funktionär Castellini die Teilnahme der NPD an der Demonstration. Seine Hoffnung, dass auch “andere europäische nationalistische Kräfte” dem Beispiel der NPD folgen und nach Bozen pilgern würden, hat sich indes allerdings zerschlagen.

Anfänglich waren Teilnehmer auch aus Holland und Ungarn in Bozen erwartet worden. So sollte etwa Gábor Vona anreisen, Vorsitzender der ungarischen nationalistischen Jobbik-Partei. Doch daraus wird nichts, wie am Freitag Nachmittag in Erfahrung zu bringen war. Bestätigt hingegen ist die Teilnahme der neofaschistischen Bewegung CasaPound (CP). Ebenso dürften Vertreter der österreichischen FPÖ sowie ‘Gäste’ aus Frankreich am Samstag anwesend sein. Wie inzwischen bekannt wurde, hat Staatsanwältin Luisa Mosna am heutigen 1. April den Antrag auf Eröffnung eines Hauptverfahrens in der Causa Brancaglion gestellt. Der CP-Stadtviertelrat von Don Bosco steht unter Verdacht, im Januar einen 16-Jährigen vor dem CP-Sitz in der Battisti-Straße tätlich angegriffen zu haben.


Gelassen, aber gewappnet

Wie schätzen nun aber die hiesigen Sicherheitskräfte die Lage für den morgigen Nachmittag ein? Im Vorfeld hatte etwa Robert Lang vom Südtiroler Heimatbund scharfe Kritik daran angemeldet, dass Bozen “zur Spielwiese rechtsextremer Ideologien” werde. Lang fordert die Absage der Veranstaltung und spricht sich gegen das Schüren von Ängsten durch italienische Neofaschisten und einen führenden NPD-Funktionär aus. “Volksverhetzung darf kein Platz gewährt werden”, so Lang.

Bei der Spezialeinheit der italienischen Staatspolizei DIGOS blickt man der Demonstration relativ gelassen entgegen. “Sappiamo che si tratta di soggetti particolari”, sagt Giorgio Porroni. Der Leiter der DIGOS in Bozen hat Verstärkung von außerhalb der Provinz angefordert. Doch erwartet er sich keine zahlenmäßig gewichtige Teilnahme an der Veranstaltung. Und trotzdem: Siamo pronti per ogni evenienza, so Porroni.