Società | Tag der Arbeit

Die neue große Herausforderung  

Anlässlich der Feiern zum 1. Mai hat Alfred Ebner, Generalsekretär des AGB/CGIL, an den einenden Wert der Arbeit erinnert.
Alfred Ebner
Foto: Alfred Ebner
„Arbeit: unsere Wurzeln unsere Zukunft“ so lautet das diesjährige Motto für die 1. Mai Feiern der konföderierten Gewerkschaften, das an die grundlegenden Werte unserer Demokratie und unserer Republik erinnern soll. Ebner unterstreicht dabei, dass für eine Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts das Thema der Arbeit sowie die Beteiligung der BürgerInnen wieder in den Mittelpunkt der politischen Diskussion gerückt werden muss.
Jedes Jahr taucht anlässlich des 1. Mai die Frage auf, ob es sich um einen Tag des Arbeitskampfes oder um einen Tag des Feierns handelt und ob dieser Feiertag eigentlich noch einen Sinn hat. Auch für den Generalsekretär des AGB/CGIL ist dies eine schwierige Frage, eine Antwort hängt auch immer von den Umständen ab. „Grosse Errungenschaften wir die Einführung des 8-Stunden Tages im Jahr 1919 sind natürlich ein Grund zum feiern, auch weil dam Jahre des Arbeitskampfes vorausgegangen sind. Viele der Errungenschaften werden heute wieder in Frage gestellt, die Arbeitswelt hat unter diesem Aspekt immer weniger Grund zum feiern. Angesichts der heutigen Fragmentierung der Arbeit, gewinnen Werte wie Solidarität wieder an Wichtigkeit, denn nur eine kollektive Vorgehensweise kann bestimmte Ungerechtigkeiten beseitigen und dies verleiht dem 1. Mai neue Aktualität“, sagt der Generalsekretär.
„Angesichts der heutigen Fragmentierung der Arbeit, gewinnen Werte wie Solidarität wieder an Wichtigkeit, denn nur eine kollektive Vorgehensweise kann bestimmte Ungerechtigkeiten beseitigen und dies verleiht dem 1. Mai neue Aktualität“
Laut AGB/CGIL die prekäre Beschäftigung ist die neue große Herausforderung für die Arbeitswelt. Durch sie wurden die Erwerbstätigen auseinander dividiert, in jene, die Rechte haben und jene die keine haben, in jene, die mit ihrem Arbeitseinkommen leben können und jene, die langsam aber unausweichlich in die Armut abdriften. „Wir dürfen diese Phänomene nicht weiter als unabänderlich betrachten und als unweigerliche Folge der modernen Arbeitswelt akzeptieren. Wenn die Gewerkschaft die prekäre Beschäftigung als strukturellen Bestandteil des Produktionssystems anerkennt, hat sie schon verloren. Wir müssen eine Arbeitswelt fordern, in der es keine lebenslange prekäre Beschäftigung geben kann und in der es neben Pflichten auch Rechte für die erwerbstätigen Personen gibt“, so Ebner.
In diesem Zusammenhang ergibt sich auch für die Gewerkschaft die Frage: Arbeitskampf oder Beteiligung? Auch hier hängt die Antwort von den Umständen ab. “In Südtirol wird seit geraumer Zeit von Sozialpartnerschaft gesprochen, die konkreten Ergebnisse liegen bisher allerdings weit unter den Erwartungen. Wir haben hier noch einen weiten Weg vor uns“, unterzeichnet Ebner.
„Wer sich mit der heutigen Arbeitswelt in Südtirol auseinandersetzt, wird zwangsläufig bestimmte Veränderungen, auch kultureller Art, feststellen. Personen, die mit der Hektik der globalisierten Wirtschaft nicht Schritt halten können, werden in Frage gestellt. Arbeitslosen wird generell die alleinige Schuld an ihrer Situation gegeben. Wer keine Arbeit findet wird schnell als arbeitsfaul und als Sozialschmarotzer abgestempelt. Solche Ansichten auf Stammtischniveau sind leider sehr verbreitet. Obwohl die Beschäftigungssituation in Südtirol generell gut ist, gibt es auch bei uns prekäre Beschäftigung, in Bereichen wie der Landwirtschaft und dem Tourismus ist sie in Form der Saisonarbeit sogar sehr verbreitet. Es muss jedoch gesagt werden, dass viele Personen seit Jahren denselben Arbeitplatz inne haben, wenn auch mit saisonbedingten Unterbrechungen. Im Tourismusbereich ist die Beschäftigung zudem stark von der Dynamik in anderen Tourismusgebieten abhängig“, sagt der Generalsekretär.
Der AGB/CGIL ist auch in Hinblick auf die von der Caritas veröffentlichten Daten besorgt. „Obwohl wir in einem wohlhabenden Land leben, sind viele junge Menschen finanziell nicht in der Lage, eine Familie zu gründen und müssen sich in manchen Fällen sogar an die Sozialdienste wenden“, so Ebner. „Auch hier gibt es häufig eine Vorverurteilung der jungen Menschen und es wird nicht berücksichtigt, dass sie heute weniger Rechte am Arbeitsplatz haben als ihre Väter, dass sie prekäre Arbeitsverträge haben oder sich als Scheinselbständige über Wasser halten müssen. Wer sich heute an die Sozialdienste wendet, riskiert nicht nur den guten Rufen sondern auch, als Sozialschmarotzer gebrandmarkt zu werden“, behauptet der Generalsekretär.
Durch das Phänomen der Einwanderung haben auch in Südtirol populistische Kräfte großen Zulauf, die die Willkommenspolitik und die Zuerkennung elementarster Menschenrechte kritisieren. Die Gewerkschaft appelliert in diesem Zusammenhang an die Solidarität der Arbeitswelt, auch um bestimmen menschenverachtenden politischen Kräften Einhalt zu gebieten. 
„Wir brauchen eine Politik, die die Forderung der Bevölkerung nach sozialer Gerechtigkeit ernst nimmt.“
„Wir brauchen eine Politik, die die Forderung der Bevölkerung nach sozialer Gerechtigkeit ernst nimmt. Ein Großteil der Bevölkerung ist durchaus auch heute gewillt, der Politik eine Chance zu geben. Die Erwartungen dieser Menschen zu enttäuschen, wäre allerdings ein schwerwiegender Fehler und würde sie in die Arme jener populistischen Bewegungen treiben, deren einziges Ziel es ist, jahrzehntelange demokratische Geschichte zu zerstören“, so Ebner abschließend.