Cultura | offener Brief

Wie relevant ist kreativ?

Der Landtag diskutiert über den Wert von Kunst und Kultur. Zwei, die davon leben, fordern mit Nachdruck, die wirtschaftliche Bedeutung der Kreativbranche ernst zu nehmen.
Night of Light: Stadttheater Bruneck
Foto: Jan Gasperi

“Die Kultur ist ein lebenswichtiger Sektor, gut für unser seelisches Wohlbefinden und die Gesundheit unserer Wirtschaft.” Ausgehend von dieser Überzeugung haben die Grünen im Landtag einen Beschlussantrag vorgelegt, der diese Woche diskutiert wird und anregen soll, “dass sich Südtirol des Wertes der Kultur bewusst wird, gerade in diesen für alle schwierigen Zeiten der Krise”. Die konkrete Forderung der Grünen: die wirtschaftliche Situation der Kultur- und Kreativwirtschaft in Südtirol erheben, mit Fokus auf die Anzahl der Unternehmen, den Umsatz der Kultur- und Kreativwirtschaft und die Bruttowertschöpfung dieser Branche. “Dabei müssen wir auf jene hören, die Kultur schaffen”, betonen Brigitte Foppa, Riccardo Dello Sbarba und Hanspeter Staffler.

Zwei, die Kultur schaffen, sind Alexander Zoeggeler und Peter Schorn. Als Präsident des Südtiroler Künstlerbunds und Präsident der (am 1. Februar neu gegründeten) Vereinigung Performing Artists South Tyrol wenden sich Zoeggeler und Schorn im Vorfeld der Behandlung des Grünen Beschlussantrags mit einem offenen Brief an Politik und die Öffentlichkeit, in dem sie ihre Anliegen deutlich festhalten:

“Das Dilemma der Kunstwelt ist, dass ihre Bedeutung für eine Gesellschaft schwer nachweisbar ist. Diese ihre untergrabene Relevanz ist mit der Pandemie untermauert worden: Die Anerkennung als Beruf und eine mangelnde Lobby sowie keine faktische Erhebung zur Bruttowertschöpfung der  Kreativwirtschaft im Land drängen die Kunstschaffenden in den Hintergrund. Während Interessenszusammenschlüsse aller Bereiche ihre Rechte von den politischen Verantwortlichen einfordern, wird der Kunst der Stempel einer vernachlässigenden Freizeitbeschäftigung aufgedrückt. Ursache dafür ist unter anderem, dass es keine relevante und umfassende Erhebung zur Bruttowertschöpfung der Kreativwirtschaft Südtirols gibt, die die wirtschaftliche Relevanz dieser Branche dokumentiert.

In Deutschland gibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) jährlich zwei externen  Unternehmen den Auftrag, die wirtschaftlichen Kennzahlen der Kultur- und Kreativwirtschaft zu  untersuchen. Dazu gehört zum Beispiel die Anzahl an Unternehmen, der Umsatz oder die Bruttowertschöpfung dieses Sektors. Der daraus resultierende jährlich veröffentlichte „Monitoringbericht Kultur- und Kreativwirtschaft“ gibt Aufschluss darüber, welchen Stand der Sektor im Verhältnis zu anderen Wirtschaftszweigen innehat und wo eventuell Handlungsbedarf besteht.
Die Definition von Kunst- und Kulturwirtschaft, auf der die Untersuchungen im Auftrag des BMWi beruhen, umfasst die Sektoren Musikwirtschaft, Buchmarkt, Filmwirtschaft, Rundfunkwirtschaft, Markt für bildende und darstellende Künste, Designwirtschaft, Architekturmarkt, Pressemarkt, Werbemarkt, Software-/Games-Industrie sowie Sonstige (dazu zählen Bibliotheken, Archive, Denkmalstätten, Botanische Gärten und Schaustellergewerbe);
Die aus diesem Monitorbericht resultierenden Zahlen mit einem Gesamtumsatz von 168 Milliarden Euro von 2019 sind beindruckend.

Der Kunst wird der Stempel einer vernachlässigenden Freizeitbeschäftigung aufgedrückt

Aktuell liegt in Südtirol eine einmalige Studie der IDM South Tyrol in Zusammenarbeit mit der Eurac Research und der Freien Universität Bozen von 2018/19 vor, die die Merkmale und Potenzial des CCI der Kreativwirtschaft für die lokale Wirtschaft aufzeigt. 
In Ausarbeitung ist eine Beauftragung an das WIFO für die ausschließliche Ermittlung der direkten und indirekten Effekte der Kulturförderung des Landes auf die Wirtschaft.
Unser Anspruch ist es, die bestehenden Untersuchungen zu einer umfassenden Recherche zu den jährlichen wirtschaftlichen Kennzahlen der Kultur- und Kreativwirtschaft des Landes auszuweiten, um ihre Bruttowertschöpfung faktisch zu erheben. 

Für eine sinnstiftende und umfassend faktische Darstellung stellen sich folgende Fragen:

  • Was ist Kreativwirtschaft in Südtirol? Welche Bereiche unterliegen diesem Wirtschaftssektor bzw.  ollen zukünftig darunter zusammengefasst werden?
  • Welche ökonomische Bedeutung hat die Kultur- und Kreativwirtschaft aktuell innerhalb der Gesamtwirtschaft und im Vergleich zu anderen klassischen Branchen in Südtirol? 
  • Wie haben sich die Kultur- und Kreativwirtschaft und ihre Teilmärkte in den letzten Jahren hinsichtlich unterschiedlicher Kernindikatoren wie Umsatz, Wertschöpfung, Anzahl an Unternehmen, Erwerbstätigkeit usw. entwickelt? 
  • Welche Unternehmensgründungsaktivitäten sind in der Kultur- und Kreativwirtschaft zu beobachten? 
  • Wie ist die Situation von Unternehmen und Selbständigen der Kultur- und Kreativwirtschaft im Land?

In diesem Sinne verweisen wir nachdrücklich auf die Wichtigkeit der Erarbeitung eines umfassenden Monitoring-Berichtes im Bereich der Kreativwirtschaft und die Forderung des Beschlussantrages: 

  1. Ein externes Unternehmen mit der Untersuchung des wirtschaftlichen Standes der gesamten  Kunst- und Kulturwirtschaft in Südtirol zu beauftragen.
  2. Den Fokus dieser Untersuchung auf die Anzahl an Unternehmen, den Umsatz der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie die Bruttowertschöpfung der Branche zu legen.
  3. Die Ergebnisse dieser Untersuchung in einem Bericht, der die wirtschaftlichen Kennzahlen umfasst, zu veröffentlichen.”
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Elisabeth Hammer Mer, 02/03/2021 - 18:05

"Denn wovon lebt der Mensch ...?" - schade eigentlich, dass wir alle Bereiche unseres Lebens mittlerweile ganz selbstverständlich mit ökonomischen Kriterien messen müssen (Bildung wird zu Ausbildung, Kunst und Kultur zu Kunstmarkt und Kulturbetrieb). Dabei ginge es in der Ökonomie (gr. oiko - nomos) um ein Gesetz der Haushaltsführung, das einen größtmöglichen Wohlstand für alle Menschen schafft. In einer humanistisch orientierten Gesellschaft sollte ein Grundeinkommen ein würdiges Leben für alle ermöglichen Derzeit könnte es für viele Berufsgruppen Existenzängste lindern, nicht nur im Kulturbereich.

Mer, 02/03/2021 - 18:05 Collegamento permanente