Politica | Justiz-Reform

Neue Regeln für Scheidungen

Mit der Justizreform sollen Frauen und Kinder mehr Rechte erhalten. Außerdem muss vor Prozessbeginn die finanzielle Lage offengelegt werden.
trennung.jpg
Foto: Kelly Sikkema / Unsplash
Seit 28. Februar 2023 gelten die Änderungen im Zivilrecht der Justizreform unter der ehemaligen Ministerin Marta Cartabia. Die in den letzten 30 Jahren wiederholt eingeforderte Reform erhielt durch den italienischen Wiederaufbaufonds PNRR neue Dringlichkeit, da die EU-Mittel dafür an die Reform gebunden sind. Mit ihr sollen die Verfahren im Straf- und Zivilrecht zügiger und transparenter werden.
Änderungen betreffen auch das Familienrecht: So werden Verfahren zu Ehetrennungen, Scheidungen, Anvertrauung Minderjähriger und Adoptionen künftig vor einer einzigen Familiensektion am Landesgericht behandelt und nicht wie zuvor vor Landes- und Jugendgericht sowie Vormundschaftsrichter. Die Stelle der Familiensektion an den Landesgerichten muss bis zum 31. Dezember 2024 eingerichtet werden.
 
 
„Damit werden alle Verfahren sowohl für verheiratete als auch für nicht verheiratete Paare vereinheitlicht. Denn laut Verfassungsgericht müssen eheliche und uneheliche Kinder gleichgestellt werden. Paradoxerweise war es zuvor für Verheiratete leichter, eine sofortige Verfügung des Gerichts zu erhalten“, sagt Julia Unterberger, SVP-Senatorin und Berichterstatterin bei der Reform des Familienprozessrechts in der Justizkommission.
Eine weitere Verbesserung sei, dass das Gericht Befugnisse von Amts wegen zum Schutz von Minderjährigen und in Gewaltsituationen erhält. Richter*innen können im Zivilrecht normalerweise nur Anträgen der Parteien folgen. „Wenn eine Partei beispielsweise keine Beweisaufnahme beantragt, waren ihm / ihr bisher die Hände gebunden. Auch konnten sie eine gewalttätige Person nicht aus der Wohnung der Familie verweisen, ohne dass ein diesbezüglicher Antrag vorlag“, erklärt Unterberger.
Die erste Gerichtsverhandlung erhält eine zentrale Rolle, wobei die Anwält*innen strenge Fristen einhalten müssen. Deswegen sollte jede Person, die einen Gerichtsakt zugestellt bekommt, sich sofort bei einer Anwalt*in melden. Neu ist, dass die Parteien vor dem ersten Verhandlungstermin erstmals ihre letzten drei Steuererklärungen, Kontoauszüge und bewegliche sowie unbewegliche Güter offenlegen müssen. „Das Gericht hat somit zu Verhandlungsbeginn einen guten Überblick über die Situation.“
 
 
Auch ein sogenannter Elternplan muss von den Parteien vorgelegt werden, in dem die Eltern den Alltag ihrer Kinder möglichst detailgenau beschreiben sollen. „Das war zwar ein Steckenpferd des Senators Pillon von der Lega, der sich den Einsatz für getrennte Väter auf die Fahne geschrieben hat, aber ich glaube, dass es ein Vorteil für Frauen ist, da meistens herauskommen wird, dass sie sich in vorwiegender Weise um die Kinder gekümmert haben.“
Jetzt können nicht erwerbstätige Frauen, die kein Geld vom Partner erhalten, sich endlich gerichtlich wehren.
Außerdem erhalten bestimmte Verfahren eine Vorzugsschiene: Sowohl in Gewaltsituationen als auch, wenn ein Elternteil vom Kontakt mit den Kindern ausgeschlossen wird, kann das Gericht die Fristen halbieren. Sollte sich eine Partei nicht an die Verfügungen des Gerichtes halten, kann sie mit einer Geldbuße für jeden Tag der Nichteinhaltung bedacht werden.
Durch die Reform wird darüber hinaus die Position der Kinder in Scheidungs- und Trennungssituationen gestärkt. Minderjährige können ab einem Alter von 14 Jahren beim Gericht einen Prozesskurator beantragen, der ihre Interessen vertritt. Dieser kann auch vom Gericht eingesetzt werden, wenn die Eltern nicht imstande sind, die Interessen der Kinder angemessen zu vertreten.
„Auch ist es mir gelungen, einen Passus einzufügen, wonach bereits bei Streitigkeiten während der Ehe ein Gericht eingeschalten werden kann, was vorher nicht möglich war. Jetzt können nicht erwerbstätige Frauen, die kein Geld vom Partner erhalten, sich endlich gerichtlich wehren“, sagt Unterberger.
„Insgesamt beurteile ich die Reform sehr positiv. Natürlich war sie ein Kompromiss, denn schlussendlich entschieden nicht die Techniker, sondern die Politiker*innen.“ In der Justizkommission gab es vor allem im Familienprozessrecht heftige Diskussionen. „Ich musste zwischen der Vorsitzenden der Femizid-Kommission, Valeria Valente, und dem Lega-Senator Simone Pillon oft vermitteln. Während sie die Gewalt gegen Frauen in den Fokus rückte, vertrat Pillon die Interessen der getrennten Väter“, so Unterberger.