Ambiente | LIFE-Projekt

Der Waldrapp kehrt zurück

Im 17. Jh. durch exzessive Bejagung in Mitteleuropa ausgerottet, kehrt der Waldrapp nun wieder zurück. Ermöglicht wird dies durch zwei EU-LIFE Projekte.
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Foto: Waldrappteam Conservation & Research
Pure Freude herrschte gestern (2. September) in Orbetello: 25 Waldrappe erreichten sicher und wohlbehalten im Rahmen der diesjährigen menschengeführten Migration (HLM) ihr Winterquartier in der Toskana. Das Engagement aller Projekt-Beteiligten zur Wiederansiedelung des Waldtrapps wird auf der Facebook-Seite des Fördervereins Waldrappteam mit aktuellen und anschaulichen Infos, Bild- und Videomaterial vermittelt. Mittels Tracking konnte der Flug sogar live miterlebt werden. Die rund zweiwöchige Reise führte die Vögel und das Flugteam von Seekirchen am Wallersee zunächst nach Gerlos in Tirol, von dort über das Pfitscher Joch nach Italien, östlich an Bozen vorbei über den Caldonazzo See nach San Zenone degli Ezzelini. Weitere Zwischenstopps wurden im Veneto und in der Emilia Romagna eingelegt, bis schließlich das Naturschutzgebiet Laguna di Orbetello erreicht wurde. Die gesamte Waldrapp-Population wird den Winter im Schutzgebiet verbringen und sich im Frühjahr wieder auf die Reise zurück in den Norden machen, um dort ihren Nachwuchs großzuziehen.
 
 
 
Der Waldrapp (Geronticus eremita), ungefähr so groß wie eine Gans, war einst weit verbreitet, bis er im 17. Jahrhundert aufgrund intensiver Bejagung in Mitteleuropa ausgerottet wurde. Mitte der 1990er Jahre gab es nur noch etwa 220 Vögel frei lebende Tiere, rund 600 Exemplare in Marokko und etwa 325 halbwild in der Türkei. Der Waldrapp war ursprünglich in seinem gesamten Verbreitungsgebiet ein Zugvogel, der im Herbst sein Brutgebiet verließ, um in südlichen Ländern zu überwintern.
 
 
 
Im Rahmen eines ersten LIFE Projektes, das 2014 gestartet wurde und bis 2019 lief, wurde in den Alpen eine migrierende Population von Waldrappen wiederangesiedelt. 2019 lebten 142 Tiere in drei Brutkolonien nördlich der Alpen mit dem gemeinsamen Überwinterungsgebiet in Orbetello. Gefährdet wurde die Wiederansiedelung durch die illegale Vogeljagd in Italien – die Verluste konnten zwar mittels einer umfangreichen Kampagne fast halbiert werden, liegen aber immer noch bei rund einem Drittel. Weitere Gefahrenquellen stellen Mittelspannungsmasten dar, die von den Vögeln als Ruheplätze genutzt werden und dabei konstruktionsbedingt zu Todesfallen werden können, wenn die Vögel gleichzeitig zwei Leitungen berühren oder eine Verbindung zwischen einem Leiter und dem geerdeten Mast herstellen.

 

Ziel: eine überlebensfähige Population

 

Mit Abschluss des ersten LIFE Projektes konnten die Projektziele zwar erreicht werden, Modellierungen zeigten jedoch, dass eine Population dieser Größe noch nicht selbstständig überlebensfähig ist. Deshalb wurde ein weiterer Förderantrag gestellt und ein zweites LIFE Projekt gestartet, wobei für den Förderzeitraum von 2022 bis 2028 60 Prozent des Budgets aus dem EU-Haushalt kommen und die restlichen 40 Prozent durch Partner und Kofinanzierer aufgebracht werden. Das Ziel ist der weitere Aufbau einer selbstständig überlebensfähigen Population. Unter Leitung des Tiergartens Schönbrunn in Wien und mit Beteiligung des Fördervereins Waldrappteam, der im vergangenen Turnus als Projektträger operierte, wird das Projekt von zehn Partnern aus vier Ländern umgesetzt. Initiativen werden in Österreich, Deutschland, Italien und der Schweiz realisiert. Damit sollen bis zum Projektende im Jahr 2028 wieder mehr als 360 Waldrappen zwischen dem nördlichen Alpenvorland und der Toskana migrieren. Dies entspricht der errechneten Mindestanzahl an Individuen, die für das fortwährende Bestehen der Auswilderungspopulation nötig ist.
 
 
Zusätzlich zu den bereits bestehenden Kolonien in Süddeutschland und im Salzburger Land sollen drei migrierende Kolonien in der Schweiz, Kärnten und Norditalien gegründet werden. Weitere sogenannte Satellitenkolonie sind im näheren Umfeld und mit Vögeln der Brutstandorte Kuchl und Burghausen geplant. Als gemeinsames Überwinterungsgebiet aller bestehenden und geplanten Kolonien soll weiterhin die WWF Oasi Laguna di Orbetello in der Toskana dienen, um einen genetischen Austausch in der Gesamtpopulation zu gewährleisten. Die grundlegende Methode zur Gründung neuer Brutkolonien bleibt die menschengeführte Migration (HLM= human-led migration). Ein Flugteam begleitet dabei die Vögel von den nördlichen Brutgebieten bis in das Winterquartier in der Toskana und bringt den Tieren damit das Zugverhalten bei. Umfangreiche Informationen zum Waldrapp und den LIFE-Projekten zur Wiederansiedelung sind auf der Webseite www.waldrapp.eu abrufbar.