Ambiente | Ein Feuerwehrmann berichtet

R.R.:“Jeder Unfall ist anders“

Ein Unfall auf der Uttenheimer Länge erfordert andere Strategien in der Rettung und Bergung, als ein Unfall in der Stadt. Doch eines bleibt bei jedem Einsatz gleich, sagt ein Leiter der Feuerwehr im salto.bz Interview: "Die Menschenrettung. Egal welches Alter, welche Hautfarbe, ob Prominent oder nicht." Voller Einsatz eben, für alle.

Herr R. Sie sind Einsatzleiter bei einer der 306 Freiwilligen Feuerwehren im Lande. Eine große Aufgabe.
Natürlich. Es ist stets mit Bedacht und Umsicht vorzugehen. Höchste Konzentration ist wesentlich. Und gleich vorausschicken möchte ich: Jeder Unfall ist anders.

Was passiert nachdem eine Unfallmeldung in der Landesnotrufzentrale über die Notrufnummer 115 eingeht?
Geht ein Notruf über die Nr. 115 oder auch 118 (Sanitäts-Notruf) ein, wird der Alarm binnen kürzestmöglicher Zeit, je nach der dem Disponenten geschilderten Situation, an sämtliche notwendigen Einsatzkräfte weitergeleitet. Das ist der Rettungsdienst, die zuständige Feuerwehr/en, die Carabinieri aber auch die Flug-, Berg-, oder Wasserrettung. Alle Einsatzkräfte eilen so gut es die äußeren Umstände (Entfernung, Wetter usw.) erlauben zur Unfallstelle.

Am Unfallort heißt es bis zum Eintreffen der Einsatzkräfte warten.
Das sind die schlimmsten Minuten, für jeden Betroffenen, egal ob es brennt, ob ein Unfall passiert oder ein gesundheitliches Problem aufgetreten ist. Die Zeit scheint unendlich und der oder die Wartenden können meist wenig zur Verbesserung der Lage beitragen.

Die Zeit scheint unendlich und der oder die Wartenden können meist wenig zur Verbesserung der Lage beitragen.

Flexibel und auf alles vorbereitet sein, das ist wesentlich wenn Sie mit ihren Männern an einen Unfallort kommen?
Jeder Einsatz, egal ob groß oder klein, ist für sich einzigartig. Es gibt kein vorher starr festlegbares und dann ständig und überall gleich anwendbares Muster. Es gibt aber Vorgehensweisen für die verschiedenen Einsatzarten, die bei allen Rettungseinheiten gelernt und dann oft und oft geübt werden. Für die Feuerwehr sind das Kurse an der Landesfeuerwehrschule oder spezielle Ausbildungskurse im In- und Ausland. Ein junger Wehrmann muss die Grundausbildung absolvieren, in der Regel dauert das ein Jahr, damit er in den aktiven Dienst aufgenommen wird.  Damit wird sichergestellt, dass die größtenteils freiwilligen Einsatzkräfte technisch und fachlich gut ausgerüstet professionell helfen können.

Was ist der explizite Auftrag an die Feuerwehr bei einem Unfall?
Bei jedem Einsatz gilt die Priorität der Menschenrettung – wobei – zuerst ein Blick auf die Sicherheit der eigenen Kräfte unumgänglich ist. Bei einem Unfall heißt das, dass zeitgleich mit jenen Kräften, die sich um die Menschenrettung kümmern auch an die Absicherung der Unfallstelle gedacht werden muss. Das beginnt im Idealfall schon mit dem Abstellen der Einsatzfahrzeuge. Das eventuell notwendige Herausschneiden eines Unfallopfers passiert in den meisten Fällen in enger Absprache mit dem Notarzt sofern dieser aufgrund der geographischen Entfernung bereits vor Ort ist oder kurz nach Einsatzbeginn eintrifft. Man kann wirklich nie von den gleichen Gegebenheiten ausgehen. Aber wenn ich im hintersten Passeiertal bin und der Doktor muss aus Meran kommen, dann werde ich auch nicht neben dem Auto stehen und inzwischen nix tun.

Aber wenn ich im hintersten Passeiertal bin und der Doktor muss aus Meran kommen, dann werde ich auch nicht neben dem Auto stehen und inzwischen nix tun.

Am Unfallort wird höchste Konzentration von den Einsatzkräften verlangt. Professionalität ist gefragt. Aber was ist, wenn Betroffenheit während dem Einsatz ins Spiel kommt?
Zunächst habe alle Einsatzkräfte ein Ziel: anderen in Not geratenen Mitmenschen zu helfen. Ohne Frage nach Sprache, Herkunft, Hautfarbe,  Bekanntheit usw. Und natürlich: Jeder Retter ist zum Glück auch Mensch.
In der ganzen Professionalität kann man Betroffenheit und Gefühle auch als Einsatzkraft nicht einfach abschalten. Immer wieder sind Kameraden oder Freunde von einem Unfall betroffen – am schlimmsten wären direkte Angehörige.

Helfen und gleichzeitig vor Tragödien stehen, wie geht das?
Das ist ein Lernen. Oft weinen Menschen, wenn wir an einen Unfallort kommen, es gibt schwere sichtbare Verletzungen und auch Tote. Jede Einsatzkraft ist mit vielen Sachen gleichzeitig beschäftigt. Natürlich kommt auch Hektik auf bei einem Einsatz. Ruhe zu bewahren und gute Nerven zu haben ist wichtig. Während des Einsatzes bleibt allerdings keine Zeit für viele Gedanken.

Bei nahezu jedem Einsatz, besonders aber bei Verkehrsunfällen sind Schaulustige ja sofort zur Stelle. Wie gehen Sie damit um?
Ja, das ist effektiv ein Problem.  Jeder hat ein Handy dabei mit dem fotografiert und gefilmt wird und schneller wie du denken kannst ist irgendwo etwas online. Auch deshalb sperren wir Unfallstellen großräumig ab, einmal um sicher und in Ruhe arbeiten zu können, aber vor allem auch um einem Unfallopfer die notwendige Privatsphäre zu garantieren. Dazu werden Decken vorgehalten oder eventuell auch ein Zelt aufgestellt.

Jeder hat ein Handy dabei mit dem fotografiert und gefilmt wird und schneller wie du denken kannst ist irgendwo etwas online.

Zusammenarbeit mit den anderen Einsatzkräften muss hand in hand gehen. Jeder Handgriff muss sitzen?
Ja. Und das klappt auch recht gut. Nach der Menschenrettung darf an jeder Einsatzstelle so wenig wie möglich verstellt und verschoben werden, damit die Carabinieri ein noch möglichst unverändertes Bild der Einsatzstelle haben. Jeder weiß, was zu tun ist und erst nach der Freigabe wird endgültig aufgeräumt.

Wenn die Einsatzkräfte einen Unfallort verlassen, was passiert dann mit den Freiwilligen HelferInnen? Werden Sie aufgefangen?
Auf Wunsch kümmert sich die Notfallseelsorge oder die Notfallpsychologen um die Feuerwehrmänner. Dann gibt es die Peers - das sind einige - noch wenige - ausgebildete Kameraden, die dich auffangen. Und viel hilft einfach das drüber reden danach. Nicht hineinfressen. Wichtig ist aber auch, jedem Menschen Zeit und Raum zu geben, das Erlebte aufzuarbeiten. Jeder kann und schafft das für sich anders, je nach Charakter.