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Ein Bett im Baum

Zum runden Geburtstag erfüllten Freunde Johanna Fink einen lange gehegten Wunsch: Sie bauten im Wald oberhalb ihres Gasthofes auf der Barbianer Alm ein kleines Baumhaus.
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Foto: Georg Hofer
Seit 32 Jahren führe ich oberhalb von Barbian, in Dreikirchen, den Gasthof Briol. Dieser ganze Berg wird auch Frauenberg genannt, denn er ist seit Generationen in Frauenhänden. Mein Urgroßvater Heinrich Settari war ein wohlhabender Kaufmann und schenkte meiner Urgroßmutter Johanna zur Geburt ihrer Kinder, es waren immerhin 15, jeweils ein Stückchen Land hier oben. 1928 ließ sie von ihrem Schwiegersohn und Künstler ein bestehendes altes Bauernhaus zu einem Gasthof umbauen. Von da an kamen Jahr für Jahr „Sommerfrischler“ hierher, um sich zu erholen. Das Gasthaus ist fast unverändert geblieben und konnte bis heute allen Veränderungen der Zeit standhalten. Auch ich versuche die Tradition und die Einfachheit dieses besonderen Ortes zu pflegen und zu bewahren. 
 
Vor einigen Jahren schmiedeten wir Pläne zur Errichtung von Gäste-Baumhäusern, aber aus verschiedenen Gründen wurde leider nichts daraus. Ich war enttäuscht deswegen, und als mich meine Freunde zu meinem 50. Geburtstag fragten, welchen Geburtstagswunsch ich hätte, sagte ich: „Bitte baut mir ein kleines Baumhaus, nur für mich!“ Wir fertigten gemeinsam eine Zeichnung an und innerhalb weniger Tage nahm dieses Baumhaus Gestalt an. Es ist sehr einfach gemacht, aus Fichten- und Lärchenholz. Im Baumhaus gibt es keinen Strom und kein Wasser, nur einen schönen Schlafplatz, einen Tisch und ein großes Fenster mit Ausblick. Ich liebe es, mit der Natur und ihren Kräften eins zu sein. Auch wenn ein Gewitter niedergeht und der Wind den ganzen Baum ordentlich zum Schaukeln bringt, fühle ich mich sicher und geborgen. In aller Früh wecken mich die ersten Sonnenstrahlen und das Zwitschern der Vögel. Eines Morgens kam sogar ein Eichhörnchen zum offenen Fenster hereinspaziert und blieb ein paar Augenblicke stehen. Da fühlte ich mich wie im Märchen, das pure Glück! 
 
 
Ich bin zwar Gastwirtin mit Leib und Seele, aber mein Refugium möchte ich nicht teilen. Es ist mein persönlicher Kraftort, wo ich Ruhe und Energie tanke.

Die Reaktionen auf mein etwas anderes Schlafzimmer fallen unterschiedlich aus. Manchmal ernte ich verdutzte Gesichter, aber viele sind auch angetan von der Idee. Hin und wieder fragen mich Menschen, ob sie denn auch einmal hier übernachten könnten. Ich bin zwar Gastwirtin mit Leib und Seele, aber mein Refugium möchte ich nicht teilen. Es ist mein persönlicher Kraftort, wo ich Ruhe und Energie tanke. Am Morgen kann ich so gestärkt und gut ausgeschlafen zum Gasthaus hinuntergehen und mich wieder den Gästen und der Arbeit widmen. 
Im Herbst schließt das Gasthaus und auch im Baumhaus wird es Ende Oktober zu kalt. Den Winter verbringe ich in Bozen und jedes Jahr muss ich mich erst wieder an die Hektik, die vielen Geräusche und auch den Schwall an Informationen und Reizen neu gewöhnen. Ich freue mich jetzt schon auf den Tag im kommenden Frühling, an dem ich meinen Schlafplatz im Baumhaus wieder beziehen kann.

Dieser Artikel stammt aus der Dezember/Jänner-Ausgabe der Straßenzeitung Zebra.