Politica | Deutsche Medien

Erfreuliche Kehrtwende

Am Vorabend des Referendums in Griechenland haben die grossen deutschen Printmedien einen versöhnlichlicheren Ton gegenüber Griechenland angeschlagen. Beispielhaft.

Seitdem die Verhandlungen zwischen EU und Griechenland über neue Hilfspakete und Schuldenrückzahlung unterbrochen sind,  ist im deutschen Blätterwald so etwas wie eine Rückbesinnung eingetreten. Wer sich die Mühe macht, www.spiegel.de oder www.zeit de zu öffnen und die Griechenland-Berichterstattung zu verfolgen, kann sich ein Bild davon machen.

Da wird  nicht nur Selbstkritik geübt, am Feindbild der deutschen Medien gegenüber Griechenland. Es wird erstmals auch versucht, die griechische Gegenseite ( inklusive Tsipras ) zu verstehen. Sogar die konservative FAZ veröffentlichte eine ausführliche Reportage über einen jungen Griechen, der Syriza gewählt hat, beim Referendum mit Nein und bei eventuellen Neuwahlen wieder Tsipras wählen   wird.

Interessant auch ein Bericht aus Athen darüber, dass die Griechen nicht Deutschland hassen, sondern " nur" Finanzminister Wolfgang Schäuble.

Im Gegenzug ist in der italienischen Presse eine zunehmende Feindseligkeit gegebenüber der Tsipras Linksregierung zu verzeichnen, obwohl zunächst sehr wohlwollend über die neue Athener Regierung berichtet worden war . Das hat damit zu tun, dass grosse Teile der öffentlichen Meinung trotz gegenteiliger Behauptung von Ministerpräsident Matteo Renzi fürchten, dass der griechische Staatsbankrott sehr wohl Auswirkungen auf Italien haben könnte.

Der Tenor in den italienischen Medien lautet : wir haben keine Lust, Geld zu verlieren und noch etwas dazuzulegen, um Griechenland zu retten.

Freilich: würden die Medien ebensostark dagegen wettern, dass uns Staatsbürgern in Italien jährlich nicht Dutzende , sondern Hunderte von Milliarden Euro an Korruption, Misswirtschaft und Steuerhinterziehung entzogen werden, wäre ich mit dem Lamento einverstanden. 

2010 hätte die EU mit ihren Hilfsorganisationen das verschuldete Griechenland mit 100 Milliarden Euro sanieren können. Heute kostet die Operation 340 Milliarden Euro - vorsichtig geschätzt. 

2010 hatte sich - so steht es in den Medien - die deutsche Bundeskanzlerin dagegen gesperrt, in der Annahme, das griechische Problem würde sich  von  selbst lösen. Heute stellt sich heraus, dass dem nicht so ist, dass Griechenland -mathematisch errechnet - niemals in der Lage sein wird, diese Schulden zu begleichen.

Also  : Schuldenschnitt! Und wer fordert ihn jetzt plötzlich ? Keine geringere Institution als der Internationale Währungsfond, deren gestrenge Präsidentin Christine Lagarde den Griechen in den letzten Verhandlungsrunden jedes Entgegenkommen verweigert hatte. 

Schön und erfreulich auch diese Kehrtwende. Wenn sie denn nicht zu spät kommt.  

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Roland Kofler Dom, 07/05/2015 - 11:26

Otto von Griechenland

Manche Griechen haben wohl ein Dejavú: Nach jh. langer Herrschaft unter dem Osmanischen Joch, wurden sie im 19Jh. von der damaligen Troika Britanien, Bayern und die Rothschild Bank befreiht und gleich einem harten Sanierungskurs unterstellt. Die Griechen wurden härter besteuert als unter den Türken und bald war das Wort "Bavariakratie" in aller Munde. Der damalige Schäuble war der Bayrische Finanzminister Josef Ludwig von Armansperg.
Otto von Bayern, der junge Prinz, wurde König von Griechenland, und wie es sich für einen Wittelsbacher gehört, war er politisch inkompentent und in eine ausschweifende Liebesaffaire mit einer intriganten Engländerin verstrickt.
Geschichte wiederholt sich nie, aber als promt abrufbares und gemeinsames Erklärungsmodel ist sie Fokalisierungspunkt der ängste und Emotionen einer Gesellschaft und schafft an solchen Tagen wie heute Entscheidungen und neue Tatsachen.

Dom, 07/05/2015 - 11:26 Collegamento permanente