Cultura | Salto Afternoon

Locus rei

Michele Bernardi und Arnold Holzknecht haben das Siegerprojekt am Mussolini-Relief in Bozen gestaltet. Nun stellen sie gemeinsam in der Galerie Ghetta in Pontives aus.
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Foto: Galerie Ghetta

Die Ausstellung mit Michele Bernardi und Arnold Holzknecht unter dem Titel Locus rei ist ein Projekt, das nach einer sorgfältigen Vorbereitung und Planung ein besonderer Glücksfall für meine Galerie ist, denn mit Arnold ist es bereits die zweite Ausstellung und in dieser Konstellation mit Michele ist es eine ideale Gelegenheit, einen erweiterten Blick auf die zeitgenössische Skulptur zu lenken und nach dem Thema Holz und Figur das Programm inhaltlich und formal zu öffnen.

Sowohl Michele Bernardi als auch Arnold Holzknecht werden neben einzelnen Werken mit einer raumgreifenden Präsenz auch eine größere Anzahl von Werken mit einem deutlichen Objektcharakter zeigen, die nach bisheriger Erfahrung von Sammlern in einen besonders anregenden Dialog mit dem Ambiente privater Wohnräume treten. Sie fordern gerade dazu heraus, in einen Kontrast zur Gediegenheit oder Behaglichkeit unserer Wohnverhältnisse zu treten und über das Nebeneinander von unterschiedlichen Dingen und Sachen nachzudenken.

Beide Bildhauer haben bisher eine überaus ausgereifte Werkentwicklung vorzuweisen, sie sind in Fachkreisen und insbesondere unter Künstlern sehr geschätzt und in zahlreichen renommierten Sammlungen vertreten. Ihre rigorose und konsequente Arbeitsweise zeigt sich auch darin, dass sie seit ihrer Ausbildung in der Zeit der Akademie vor dreißig Jahren keinerlei Zugeständnisse an zeitbedingte Trends oder den Geschmack des Publikums machen und ihren eigenen Zeitplan verfolgen. Das lässt sich auch daran ablesen, dass alle beide die Arbeit der Bildhauerei mit einer gründlichen außerkünstlerischen Recherche in den verschiedenen Bereichen des Wissens verbinden. Darin liegt meiner Meinung nach eine Besonderheit in diesem Ausstellungsprojekt. Es ist mit aktuellen und vielfältigen Zusammenhängen und naturwissenschaftlichen und geisteswissenschaftlichen Fragen verknüpft und erfüllt daher den Anspruch, dass Kunst nicht nur schmückt, sondern auch zum Denken anregt. Das ist eine gute Eigenschaft, wenn man an einem Kunstwerk lange Freude haben und mit ihm Austausch finden kann. 

Michele Bernardi beschäftigt sich mit Referenzen auf zeitliche und räumliche Totalitäten sowie mit der Erfahrung und Wahrnehmung von Zeit und Raum und Welt. In seiner Arbeit verschmilzt eine bewusst rudimentäre handwerkliche Ausführung des geschmiedeten Eisens mit verbalen und poetischen Elementen. Anders als in der Alltagswelt kommt hier der Mensch nur als Beobachter vor, er ist der Adressat der Zusammenhänge zwischen den Aktivitäten des Sehens und des Denkens. Was dabei zu gewinnen ist, sind nachhaltige Eindrücke des Absurden und eine Relativierung des Selbstverständlichen. Arnold Holzknecht verarbeitet eine unübersehbare Bindung an eine regionale und rurale Lebenswelt, deren Relikte und Fragmente sich in einem Prozess der Reflexion und Transformation in Objekte voller Gegensätze verwandeln. Seine Arbeiten sind gleichzeitig Skulptur, Malerei, Zeichnung, Material. Dabei spielen die Spannungen zwischen natürlich und technisch, gefunden und handgemacht, physisch und mental, gegenständlich und abstrakt eine zentrale Rolle. Mit seiner exzentrischen Abstraktion reagiert dieses Werk auf eine akute Unzulänglichkeit in unserer Auffassung von Realität.

Eröffnung: Donnerstag, 5. Oktober 2017 um 19 Uhr 
Kuratiert von Markus Klammer
www.dorisghetta.com