Politica | Richtung Regierung

Contento Calderoli, contenti tutti?

Südtirol kriegt eine Landesregierung SVP-Lega. Roberto Calderoli segnet das Abkommen ab und lenkt bei der Senatsreform ein. Österreich ist zufrieden. Und die SVP?
Landtag 5. Jänner
Foto: Salto.bz

In den einzigen Fenstern, die an diesem Nachmittag beleuchtet sind, spiegeln sich die Gemäuer von Palais Widmann. Eigentlich wollte Arno Kompatscher dort auf Roberto Calderoli warten. Eigentlich hatte der Landeshauptmann bereits vor Samstag ein Lebenszeichen des Lega-Schwergewichts erwartet. Eigentlich hätte Calderoli am Anfang des neuen Jahres schon keine Rolle mehr spielen sollen. Aber es ist anders gekommen. Und doch so, wie es zu erwarten war: Wegen eines Querschusses aus Rom lässt die SVP die Verhandlungen in Bozen nicht platzen; Roberto Calderoli gießt kein weiteres Öl ins Feuer. Es reicht, dass er seine Muskeln hat spielen lassen – er weiß, dass die SVP weiß: Ohne ihn gibt es für sie kein Bündnis mit der Lega.

Nur hat das Kräftemessen etwas länger gedauert als geplant. Am 26. November wusste man: die SVP will die kommenden fünf Jahre mit der Lega regieren. Genau 40 Tage später steht fest: Sie darf. Der mächtige Schattenmann hat seinen Segen gegeben.
Mit einem “Missione compiuta!” auf Facebook zieht Roberto Calderoli von dannen. Zurück lässt er: vier Lega-Landtagsabgeordnete mit dem historischen Auftrag, erstmals in der Geschichte des Landes als Vertreter einer italienischen Rechtspartei Regierungsverantwortung zu übernehmen; sein Wort, bei der Senatsreform den Südtirolern nicht weiter auf den Schlips zu treten; und einen Landeshauptmann, der sich pikiert fühlen darf.

 

Augen auf die Lega

 

Anmerken lässt sich Arno Kompatscher nicht, wie sehr ihn die vergangenen Wochen und Calderoli verärgert haben. Vor Weihnachten sorgt der Vizepräsident des Senats mit seinem Vorhaben, die Anzahl der Südtiroler Senatoren ohne Absprache mit Österreich von 3 auf 2 zu reduzieren und den entsprechenden Aussagen dazu – er bezeichnet das Gruber-Degasperi-Abkommen von 1946 sinngemäß als überholt – für heftige Kritik aus (manchen) SVP-Kreisen und Verstimmung mit Österreich. Kompatscher spricht von einem “schwerwiegenden Angriff auf die Südtirol-Autonomie”, verlangt von Calderoli eine Klarstellung und zeigt sich zu “keinen Kompromissen” bereit. Der Lega-Senator antwortet auf die Kontaktversuche des Landeshauptmannes nicht, lässt ihn schmoren – während er andererseits in regem Kontakt mit Parteiobmann Philipp Achammer steht. Den will Calderoli am ersten Samstag im neuen Jahr alleine treffen, noch vor dem Landeshauptmann.

In Rom versucht SVP-Senator Meinhard Durnwalder Überzeugungsarbeit zu leisten. Ihm wird aus der eigenen Partei vorgeworfen, die Arbeiten im Verfassungsausschuss des Senats nicht aufmerksam genug im Auge behalten zu haben. “Wir hätten vermutlich wachsamer sein müssen”, springt Julia Unterberger bei. Hinter Calderolis Störfeuer vermutet die SVP-Senatorin trotz ihrer kritischen Haltung der Lega gegenüber keine Absicht oder gar eine autonomiefeindliche Haltung. “Das war wohl eher ein Unfall.”

 

Zuerst nach Trient

 

Mit ihren Senatskollegen Durnwalder und Dieter Steger ist Unterberger am Samstag Nachmittag in den Landtag gekommen. Dort, auf neutralem Boden, werden am Ende sowohl die politischen als auch die institutionellen Angelegenheiten mit Roberto Calderoli bereinigt.
Ein Erfolg für den Landeshauptmann, den Calderoli ursprünglich erst nach einem Vier-Augen-Gespräch mit Parteiobmann Achammer treffen wollte? Vielleicht.
Allerdings macht Calderoli auf seinem Weg nach Bozen, wo er auch das Regierungsabkommen absegnen soll, das in den vergangenen Wochen zwischen SVP und Lega ausgehandelt wurde, in Trient Halt. Er kommt mit Landeshauptmann und Parteikollege Maurizio Fugatti zusammen. Noch bevor Calderoli in Bozen eintrifft, um Kompatscher, Achammer und den drei SVP-Senatoren seinen neuen Vorschlag für die Senatsreform darzulegen, informiert Fugattis Büro die Medien darüber.

 

Während hinter verschlossenen Türen die Aussprache zwischen SVP, Calderoli und den vier Lega-Landtagsabgeordneten samt Kammerabgeordnetem Filippo Maturi stattfindet, wissen die Journalisten, die im Foyer warten, schon: Calderoli wird bei der Behandlung des Verfassungsgesetzentwurfes im Senat am 23. Jänner dem Plenum einen Änderungsantrag vorlegen. Und fordern, dass den beiden Autonomen Provinzen Bozen und Trient jeweils drei Senatssitze zustehen. Sprich, die Anzahl der Senatoren wird zwar von 315 auf 200 gesenkt. Südtirol aber wird die drei Senatswahlkreise, die bereits Gegenstand der Paketmaßnahme 111 waren, beibehalten. Mit dem Koalitionspartner in Rom, dem Movimento 5 Stelle, und insbesondere dem (Trentiner) Minister Riccardo Fraccaro ist das Vorhaben bereits abgestimmt.

 

Von Calderolis Gnaden

 

Nach knapp eineinhalb Stunden öffnet sich die Tür des Verhandlungszimmers. “Wir sind zum Schluss gekommen, dass Südtirol keine Senatoren braucht”, versucht Roberto Calderoli einen Scherz. Mit verschränkten Armen steht Arno Kompatscher neben ihm und hört aufmerksam zu. Calderoli kündigt an, dass im Zuge des Ausbaus der Autonomie für Regionen mit Normalstatut – die Reform steht als eine der ersten auf der Agenda der Lega-Minister für 2019 – auch die Regionen und Provinzen mit Sonderstatut zum Zug kommen sollen. “Die Umwelt” nennt Kompatscher sogleich als Bereich, für den Südtirol als ersten die Zuständigkeit übertragen haben will. “Noi andiamo avanti”, lächelt Calderoli.
Seine Attitüde ähnelt der eines gütigen Onkels. Für das Regierungsabkommen lobt er die Unterhändler von Lega und SVP wie Lehrbuben: “È stato fatto un bel lavoro. Sono contento del risultato.” 

Contento Calderoli, contenti tutti?

 

Julia Unterberger gehört zu jenen, die Calderoli für seine Worte vor Weihnachten scharf kritisiert haben. Jetzt zeigt sie sich zufrieden. Nur drei Senatoren könnten das Kräfteverhältnis der beiden größten Sprachgruppen in Südtirol auch im Senat widerspiegeln, so Unterberger. An ihrer Überzeugung hält sie fest: Dass Calderoli eingelenkt hat, “ändert nichts an meinen Vorbehalten gegenüber der Lega”.

Diplomatischer muss der Landeshauptmann vorgehen. Während Philipp Achammer “äußerst zufrieden” ist, verkündet Kompatscher: “Für mich ist das Problem gelöst.” Weil alles so bleibe wie bisher, sei auch kein Notenwechsel mit Österreich mehr erforderlich. In Wien goutiert man die Nachricht aus dem Süden. “Ich bin froh, dass die italienische Regierung einlenkt und der Streit um die Reduktion der Südtiroler Senatssitze beigelegt ist”, schreibt Bundeskanzler Sebastian Kurz auf Twitter. Es sei das eingetreten, “was Südtirol und wir in Ausübung unserer Schutzfunktion gefordert haben”, frohlockt der Kanzler.
Ein Erfolg für den Landeshauptmann, der Österreich alarmiert hatte? Höchstens zum Teil.

Die Tatsache, dass ihn Calderoli wochenlang diplomatisch kaltgestellt und sich lieber mit parteiinternen Rivalen ausgetauscht hat, wird Kompatscher nicht als Erfolg verbuchen können. Ebensowenig, dass sich seine Partei bei der Anrufung Österreichs nicht geschlossen und demonstrativ hinter ihn gestellt hat. Mehr Brüskierung denn Erfolg ist für den Landeshauptmann, dass Calderoli zunächst medienwirksam in Trient mit Fugatti jene Dinge bespricht, für die er ihn eigentlich nach Bozen zitiert hat.

Was Kompatscher bleibt, ist die Erkenntnis, dass es am Ende für Südtirol sogar “noch besser” ausschaut. Durch die Bezugnahme auf die Autonome Provinz Bozen, die Calderoli zugesagt hat, würde das Land Südtirol erstmals in die Verfassung aufgenommen werden. Bisher ist im entsprechenden Art. 57 von Südtirol einzig im Zusammenhang mit der Region Trentino-Südtirol die Rede. Dass 3 von 200 Senatoren mehr Gewicht haben als 3 von 315 ist auch klar. “Unterm Strich ist es eine Aufwertung der Vertretung unseres Territoriums”, nickt Senator Durnwalder.

 

Römische Mitgift und Rockzipfel

 

Die Beibehaltung des Status Quo – die Mitgift der römischen Lega in die Ehe mit der SVP. Die offizielle institutionelle Nachricht aus Palais Widmann kommt erst knapp 24 Stunden nach jener aus dem Trentino. Ohne gemeinsames Foto von Kompatscher und Calderoli, dafür mit einer martialischen Überschrift: “Internationaler Schutzpanzer hält”.

Den größten Gefallen aber hat Calderoli weder der SVP noch der Schutzmacht Österreich getan. Sondern den eigenen Reihen. Der Lega in Rom hätte es nämlich nicht gut angestanden, als eine der ersten Handlungen in Maurizio Fugattis Amtsperiode dem Trentino einen Senatssitz zu streichen.

 

Wie geht es nun weiter?

Über das knapp 60-seitige Abkommen, an dem Calderoli nach eigenen Angaben nichts auszusetzen gehabt hat – wenig überraschend, haben ihn die Südtiroler Leghisti doch quasi rund um die Uhr auf dem Laufenden gehalten –, lässt die SVP am heutigen Montag abstimmen. Am Dienstag will Kompatscher den Landtag über die neue Regierungsmehrheit informieren und ihn für die Wahl des Landeshauptmannes einberufen. Über das Regierungskabinett wird in einem zweiten Moment befunden.

Ebenfalls am Dienstag will die Lega ihre Namen für die Landesregierung vorlegen. Nach Samstag deutet alles darauf hin, dass es Massimo Bessone und Giuliano Vettorato werden. Rita Mattei würde demnach Landtags-Vizepräsidentin – und Maria Hochgruber Kuenzer neben Waltraud Deeg wohl die zweite weibliche Landesrätin.
Er werde sich mit Calderoli hören, beteuert der Landeshauptmann. Bei den Namen ihrer Landesräte hat die Lega-Zentrale noch ein Wörtchen mitzureden. Allein deshalb wird Calderoli für Kompatscher nach der wochenlangen Funkstille zwischen den beiden erreichbar sein. Die Aufteilung der Kompetenzen will man dann ohne den 62-jährigen Bergamasken vornehmen.

Ob die Senatsreform, wie von Calderoli zugesichert, durchgeht – Ex-Senator Francesco Palermo hegt große Zweifel –, wird sich zeigen. Inzwischen darf die SVP die Sache als abgehakt ablegen.
Für die vier Lega-Landtagsabgeordneten hingegen wird es Zeit, sich vom Rockzipfel Calderolis zu lösen und ein eigenständiges politisches Profil, eine eigene Handschrift zu entwickeln. Der Moment wäre günstig. Eigentlich. Denn das Bild einer geschlossenen, selbstbewussten Partei, mit fast vier Mal mehr Wählerstimmen als ihr auserkorener Regierungspartner, gibt die SVP derzeit nicht ab.

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Karl Trojer Lun, 01/07/2019 - 17:38

Menschliche Züge in die Alltagspolitik einzubringen ist politische Innvovation. Sie setzt sich der Kritik aus, ohne sich von ihr einvernehmen oder gar einschüchtern zuu lassen. Darin ist der Landeshauptmann Kompatscher ein Meister;und dafür danke ich !

Lun, 01/07/2019 - 17:38 Collegamento permanente