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Der Startup-Magier

Mit dem Finnen Pekka Abrahamsson verläßt einer der beliebtesten und erfolgreichsten Professoren der Universität Bozen Südtirol in Richtung Norwegen

Als man dem neu ernannten Dekan der Informatik-Fakultät vor einigen Jahren sein Büro zeigen wollte, winkte der blonde Skandinavier ab und deutete auf sein Notebook: "Ich benötige keinen eigenen Raum." Das Gespräch mit salto führt der unkomplizierte Skandinavier an einem Tisch im Gang, auf dem sich Broschüren und Manuskripte türmen. Von hierarchischen Strukturen und akademischem Gedöns hält der 42-Jährige nichts. „Die Studenten nennen mich einfach Pekka. Vielleicht halten einige das auch für meinen Schreibnamen", schmunzelt er. Der Abgang des Finnen ins norwegische Trondheim stellt für die Freie Universität Bozen einen erheblichen Verlust dar. In fünf Jahren hat der blonde Computer-Experte die Informatik-Fakultät am Dominikanerplatz zu dem gemacht, was sie heute ist - eine zukunftsträchtige und dynamische Realität: „Vor fünf Jahren waren wir nur einige Dutzend Studenten und Mitarbeiter. Heute sind wir über 300 und davon kommen 30 Prozent aus dem Ausland."An italienischen Universitäten liege dieser Schnitt bei zwei Prozent.  

Mit welchen Gefühlen er Südtirol verlässt? „Ich bin glücklich und traurig zugleich", gesteht Abrahamsson. „Man hat mir ein optimales Angebot unterbreitet, zu dem ich nicht nein sagen konnte. Nicht finanziell, sondern was Ausstattung und Möglichkeiten betrifft". Ein relativ junger Professor wie er sei gut beraten, wenn er alle fünf Jahre die Universität wechsle, um neue Erfahrungen zu sammeln.
„Hier habe ich interessante und erfolgreiche Jahre verbracht und Italienisch gelernt. Mit dem Erreichten bin ich sehr zufrieden." 2008 war der Informatik-Experte erstmals für sechs Monaten als Visiting Professor nach Bozen gekommen: „Das hat mich sehr interessiert. Denn hier ist man in Italien, aber doch in einer anderen Realität". Zwei Jahre später kehrte der Finne als Professor zurück. „Die Mehrsprachigkeit hat mich fasziniert. Tausendmal haben wir im Leitungsgremium darüber diskutiert, wie viele Sprachen jeder beherrschen muss und auf welchem Niveau. Ich war vorher nie an einem solchen Ort, wo alle eine Sprache lernen müssen oder wollen."
Seine Fakultät definiert er als "bubble" mit Englisch als Umgangssprache. „Ich bin stolz auf das, was wir in Bozen aufgebaut haben und in Trondheim habe ich Gelegenheit, auch als eine Art Südtiroler Botschafter zu wirken. Skandinavische Unternehmen wären eine Bereicherung für dieses unser Business-Modell".

Streetfood-Knödel als startup

Erst vor einer Woche hat Abrahamsson an der Uni Bozen einen entrepreneurship evening organisiert, eine der Veranstaltungen, die von seinen Studenten mit Enthusiasmus aufgenommen werden. Es geht darum, umsetzbare Ideen zu entwickeln und diese Unternehmern und potentiellen Geldgebern vorstellen. Das Format entwickelten Abrahamsson und die chinesische Forscherin Xiaofeng Wang für ihre Vorlesungsreihe Lean Startup.
Eine fünfköpfige Jury aus Unternehmern und Professoren bewertete jedes Projekt mit nach oben oder unten gehaltenem Daumen. Auch das Publikum im voll besetzten Hörsaal hatte 4000 Euro Spielgeld erhalten, um sie am Ende des Abends investieren zu können. Die Chinesin Xiaofeng Wang: „Wir glauben, dass jeder ein Unternehmer werden kann. Deswegen haben wir diesen Kurs organisiert. Was es benötigt, ist eine Supporting Community, eine Gemeinschaft, die eine tolle Idee mitträgt!“  Elf Gruppen präsentierten die von ihnen entwickelten Start-up-Unternehmen. Auf viel Sympathie stoße das von einigen Studentinnen ausgearbeitete Projekt, Knödel nach dem Franchising-System weltweit als Streetfood zu verkaufen.  http://vimeo.com/117470065
Beim Projekt BrainBazar schuf die Studentengruppe eine innovative Plattform: Menschen, die geniale Ideen haben, diese aber nicht zu vermarkten wissen, laden sie auf „BrainBazar“ hoch. Dort können Unternehmer diese Ideen kaufen und die Vermarktung übernehmen. Der Sieg ging an eine Gruppe, die ein Management für Notsituationen entwickelte, das Frauen in der Nacht ein Gefühl von Sicherheit geben kann. Ein weiteres Projekt sieht das Ausfliegen von Waren in den Bergen durch Dronen vor. Veranstaltungen dieser Art sind die Quintessenz von Abrahamssons Art der Wissensvermittlung. Uni-Rektor Walter Lorenz würdigt solche Initiativen als "Mehrwert für die Gesellschaft."
An der Informatik-Fakultät werden viele Studenten ihren jovialen finnischen Professor vermissen.
Der schließt nicht aus, dass er irgendwann wieder nach Bozen zurückkehrt. Denn in Südtirol erreiche die Lebensqualität ein „fast schon skandinavisches Niveau." Derweil bereitet er seine Übersiedlung nach Trondheim vor. Um norwegisch zu lernen, hat man ihm drei Jahre Zeit gegeben. Auf den Karton Lagrein, den er zur Erinnerung an Bozen mit in den hohen Norden nehmen wollte, wird er wohl verzichten müssen. Denn Norwegens strenge Gesetze erlauben nur die Einfuhr von vier Flaschen Wein.