Cronaca | Regierung startet Phase der Verfassungsreform

Direktwahl des Staatspräsidenten? Ein Irrweg

Der PDL und andere Regierungskreise bringen zur anstehenden Verfassungsreform immer wieder diese Option ins Spiel: der Staatspräsident soll vom Volk gewählt werden, seine Position im Verhältnis der Institutionen gestärkt werden. Dies ist normalerweise nur mit einer Stichwahl und dementsprechend zwei Wahlgängen zu bewerkstelligen. Wozu dieser Aufwand?
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Oskar Giovanelli
Foto: hands.bz.it

Derzeit hat der Staatspräsident, wie in den meisten europäischen Ländern, fast nur repräsentative Aufgaben, allenfalls wird seine Rolle entscheidend bei der Erteilung des Auftrags zur Regierungsbildung und bei der Auflösung des Parlaments. Auch bei einer Direktwahl würden die beiden großen Parteien die Kandidaten mit den größten Chancen benennen. Man kann der parlamentarischen Versammlung (auch mit mehr Regionenvertretern als bisher) getrost die Aufgabe zutrauen, eine integre Persönlichkeit für diese Aufgabe zu küren. In Portugal gibt es die Direktwahl des Präsidenten schon lange, obwohl er gleichermaßen eine fast nur repräsentative Funktion wie in Italien ausübt. Die Wahlbeteiligung ist dabei unter 50% gesunken.

Natürlich schwebt dem PDL und Berlusconi bei seiner Forderung nach der Direktwahl des Staatspräsidenten auch die Ausweitung seiner Befugnisse vor. Das Schlagwort "semipresidenzialismo" macht die Runde, also ein System nach dem Muster Frankreichs, das dem Präsidenten eine zentrale Position in der politischen Hierarchie verleiht. Als höchstes Staatsorgan hat der Präsident der Regierung außenpolitische Richtlinienkompetenz und den Vorsitz der Regierung, mit allen Problemen der sog. "cohabitation" bei unterschiedlichen Mehrheiten. Die Stärkung des Präsidenten geht zu Lasten der Macht des Parlaments, konzentriert die Macht, statt sie feiner zu verteilen.

Was Italien weit dringender benötigt, ist die "Direktwahl" des Parlaments, aus dessen Reihen die Regierung berufen wird. Also nicht die Stärkung einer einzigen Person, nämlich des Präsidenten, sondern die Stärkung der Abgeordneten und der Bürger in ihrer Wahlfreiheit. Die Wählerschaft, der wahre Souverän in der Demokratie, muss wieder das Recht auf Präferenzen erhalten, was ihr mit dem "Porcellum" von den großen Parteien entzogen worden ist. Heute bestimmen im Wesentlichen die Parteizentralen, welche Leute im Parlament sitzen, nicht die Wähler. Die Wiedereinführung der Präferenzstimmen könnte sinnvollerweise mit dem Recht auf Abwahl (recall) ergänzt werden.

Gleichermaßen wichtig ist die Stärkung der Position der Wähler/innen selbst über die Reform der Referendumsrechte mit Abschaffung des Quorums, Einführung der Volksinitiative und des bestätigenden Referendums und der Beseitigung zahlreicher Hindernisse für die direkte Beteiligung. Das in dieser Hinsicht richtungweisende Volksbegehren "Quorumzero" (vgl. www.quorumzeropiudemocrazia.it) ist vor einem Jahr mit knapp 50.000 Unterschriften (davon über 7.000 aus Südtirol) dem Parlament vorgelegt worden. Derzeit wird es vom Movimento 5 Stelle wieder aufgegriffen. Dass es von der Regierung Letta bei der Reform der Verfassung ernsthaft behandelt wird, kann man bezweifeln, hat doch der jetzige Regierungschef in seiner Regierungserklärung genau einen Satz zu diesem Thema verloren: "Ancora: non abbiamo compreso quanto le legittime istanze di innovazione, partecipazione, trasparenza, sottese alla rivoluzione del web, potessero tradursi in un oggettivo miglioramento della qualità della nostra democrazia rappresentativa anziché sfociare nel mito o nell’illusione della democrazia diretta".

Thomas Benedikter

 

 

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Maximilian Ben… Gio, 06/06/2013 - 19:28

Bin vollkommen einverstanden. Glaube aber, dass während der Legislaturperiode keine Koalitionsveränderumgen stattfinden dürfen. Der sog. Ribaltone. Grillo wurde zwar in einer anderen Sache, aber kulturel verwandten Angelegenheit, scharf kritisiert. Kann ein Gewählter einfach Triko wechseln, oder sollter er seinen Stuhl abgeben, wenn er mit seiner Partei nicht mehr klar kommt?

Gio, 06/06/2013 - 19:28 Collegamento permanente