Società | Wohnbau

Vorbild Wien

Das neue Wohnbaugesetz soll mehr leistbaren Wohnraum schaffen. Landesrätin Waltraud Deeg spricht vom Wiener Modell. Ein Blick in die österreichische Hauptstadt.
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Foto: upi
Nicht nur Südtirol ist mit dem Thema „leistbares Wohnen“ konfrontiert. Die Wohnsituation von Menschen ist weltweit Auslöser politischer Debatten und gleichzeitig Abbild davon, wie Wohlstand in einer Region verteilt ist. Wer sich wie die Landesrätin Waltraud Deeg bei der Erarbeitung des Gesetzesentwurfs „Öffentlicher und sozialer Wohnbau“ nach erfolgreichen Wohnbaumodellen umsieht, kommt in Europa an der österreichischen Hauptstadt nicht vorbei.
In Wien leben laut offiziellen Angaben der Stadt rund 50 Prozent der Menschen in kommunalen oder geförderten Wohnungen. Im Vergleich dazu leben laut Daten des Arbeitsförderungsinstituts (AFI) etwa 65 Prozent der Südtiroler:innen im Eigenheim. Der Rest der Südtiroler Wohnungen ist vermietet oder nicht ständig bewohnt. Der große Anteil des sozialen Wohnbaus in Wien trägt dazu bei, erschwingliche Preise in einem Gutteil des gesamten Wohnungsmarktes zu erwirken. Durch einheitliche und nachvollziehbare Vergabekriterien erfolgt eine gute soziale Durchmischung und auch die Mittelschicht erhält Zugang zu diesem großen und wachsenden Wohnungsangebot. So sollen in den kommenden Jahren in 13 von 23 Bezirken auf Grundstücken der Stadt Wien 4.353 neue Gemeindewohnungen gebaut werden.
 

Differenziertes Vergabesystem

 
Der soziale Wohnbau wird von der „Unternehmung Stadt Wien – Wiener Wohnen“ sowie von gemeinnützigen Wohnbauträgern verwaltet und über die Wohnberatung Wien vermittelt. Dazu zählen rund 220.000 Gemeindewohnungen und etwa 200.000 geförderte Wohnungen. Um Zugang zu solchen Wohnhausanlagen zu erhalten, müssen vergleichbare, aber weiter ausgelegte Grundvoraussetzungen erfüllt werden wie zurzeit in Südtirol. Dazu zählen in Wien etwa das Unterschreiten der Einkommenshöchstgrenzen, ein zwei Jahre durchgehender Hauptwohnsitz an der aktuellen Adresse in der Stadt und geklärte Familienverhältnisse. Erfüllt eine Person die Voraussetzungen kann sie sich mit dem sogenannten „Wiener Wohn-Ticket“ bei dem vielfältigen Wohnungsangebot der Wohnberatung Wien umsehen. Das Angebot schließt auch geförderte Eigentumswohnungen mit ein.
 
 
 
Darüber hinaus kann zusätzlich ein begründeter Wohnbedarf geltend gemacht werden. Diese Regelung ermöglicht es Menschen in herausfordernden Lebenssituationen, noch leichter auf eine günstige Wohnung zurückgreifen zu können. Wer beispielsweise allein Kinder groß zieht, über 65 Jahre alt, krank oder an einen Rollstuhl gebunden ist, kann sich auf einen begründeten Wohnbedarf berufen. Zudem haben auch Wiener:innen unter 30 Jahren den Anspruch darauf, wenn sie seit über zehn Jahren bei ihren Eltern wohnen. Liegt ein begründeter Wohnbedarf vor, hat die Person unter anderem Anrecht auf eine Gemeindewohnung, die unbefristet und ohne Provision vergeben wird. Außerdem stehen ihr weitere günstige Wohnangebote zur Auswahl wie zum Beispiel Wohnungen mit Superförderung.
 

Lücken in der Wohnbaupolitik

 
Auch wenn eine Großstadt wie Wien mit über 1,9 Millionen Menschen andere Rahmenbedingungen aufweist als das gebirgige Südtirol mit rund 535.000 Einwohner:innen, hat das breit aufgestellte Wiener Modell Vorbildcharakter. Besonders in Anbetracht der aktuellen Lage in Südtirol kann es Inspiration und Orientierung bieten. Sowohl die Landesverwaltung als auch das AFI kamen bei einer Tagung zur Südtiroler Wohnungsnot im September letzten Jahres zu dem Schluss, dass es hierzulande behebbare Schwachstellen in der Wohnbaupolitik gibt.
 
 
 
Daten dazu liefert das AFI selbst: Die Sonderfrage des AFI-Barometers bezüglich der Schwierigkeiten beim Erwerb des Eigenheims zeigt seit Jahren, dass für 9 von 10 Befragten die zu hohen Wohnpreise eine wirkliche Herausforderung sind.
Die angespannte Situation am Wohnungsmarkt drängt Deeg einmal mehr, ein neues Gesetz zu erarbeiten, um den sozialen und öffentlichen Wohnbau neuauszurichten. Das Gesetz soll dazu dienen, dass neue Zielgruppen von dem sozialen und öffentlichen Wohnbau profitieren. Namentlich genannt werden etwa junge Menschen, Familien, Senior:innen, Menschen mit Behinderungen und Betroffene häuslicher Gewalt.
 

Neue Zielgruppen

 
Den Zielgruppen soll durch neue Zugangsvoraussetzungen die Chance zu leistbaren Wohnen gegeben werden. Laut Stefan Walder, Direktor der Abteilung 25 Wohnungsbau, ist die Absicht dahinter nicht nur leistbares Wohnen, sondern auch soziale Durchmischung zu erreichen. „Durch eine konsequente Umsetzung des leistbaren Wohnens bekommt eben auch jene Bevölkerungsschicht, welche bisher ausgeschlossen war, da das Einkommen zu hoch für eine Sozialwohnung und zu niedrig für eine Mittelstandswohnung war, Zugang zum öffentlichen Wohnbau“, führt er aus. Sowohl die Sozial- als auch die Mittelstandswohnungen werden über das Institut für den sozialen Wohnbau (Wobi) vergeben.
 
 
 
Zudem will das Land verschiedene Wohnprojekte und innovative Wohnmodelle, wie zum Beispiel Cohousing oder Mehrgenerationenwohnen mit unterschiedlichen Zielgruppen, fördern. Um auch den Fall von häuslicher Gewalt im neuen Wohnbaugesetz zu berücksichtigen, soll es die Möglichkeit geben, eine Wohnungszuweisung zu widerrufen oder auf eine andere in der Wohnung lebende Person, wie etwa das Gewaltopfer, zu übertragen.
 

Die nächsten Schritte zum Gesetz

 
Die bereits öffentlich gewordenen Eckpunkte zu dem Gesetzesentwurf zeigen das Bemühen, leistbares Wohnen für die breite Südtiroler Bevölkerung zu schaffen und durch die soziale Durchmischung zudem den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu stärken. Damit ist bereits die Zielsetzung der der Wiener Wohnbaupolitik ähnlich. Ob die Umsetzung ähnliche Erfolge mit sich bringt, bleibt noch abzuwarten.  
Der Entwurf des neuen Rahmengesetzes zu öffentlichem und sozialem Wohnbau liegt derzeit beim zuständigen Gesetzgebungsausschuss des Landtags. Anschließend wird er dem Plenum des Landtags vorgelegt. Da es sich um ein Rahmengesetz handelt, dient es nach seiner Verabschiedung als Grundausrichtung für entsprechende Durchführungsverordnungen. „Details, wie etwa die zukünftigen Voraussetzungskriterien für Wohnungen, werden erst in den Verordnungen festgelegt“, so Walder.