Politica | Staat-Regionen

Autonomie trotz Pandemie?

Das Festival Economia die Trento würdigt die Rückkehr des Staates in Zeiten der Pandemie. Welchen Platz bietet der neue Kontext für lokale und regionale Autonomie?
festival economia
Foto: Festival economia Trento

Wer erreicht die weiße Zone zuerst und wer darf bleiben? Wo wurden die meisten Menschen geimpft? Und wer bietet die beste finanzielle Unterstützung nach der Pandemie? Die Regionen und autonomen Provinzen Italiens stehen im Wettbewerb zueinander. Ein Wettbewerb um Wählerstimmen, Kompetenzen und Ressourcen, wie Floriana Cerniglia im Rahmen des Festival Economia di Trento zu bedenken gibt.

 

 

Zusammen mit Regionenministerin Mariastella Gelmini, dem Professor für vergleichende Rechtswissenschaften Jens Wölk, dem Präsident der Regionenkonferenz und Region Friuli Massimiliano Fedriga und dem Präsidenten des Trentino, Maurizio Fugatti, diskutiert die Wissenschaftlerin über die Rolle lokaler Autonomien seit Covid-19. Das Fazit: Die Regionalautonomie wird durch die zentrale Rolle des Staates in der Handhabung der Pandemie nicht geschwächt. Damit ein lokal differenziertes System aber funktionieren kann, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Regierungsebenen unumgänglich. Wird der Recovery Plan eine neue Ära der Zusammenarbeit einleiten können?

 

“Das Entscheidungsrecht liegt beim Staat”

 

Späht man über die Grenzen Südtirols hinaus, so sehen viele in der Handhabung der Pandemie eine Stärkung der zentralstaatlichen Institutionen Italiens. Ein Umstand, der sich auch im Urteil des italienischen Verfassungsgerichtshofs gegen die autonome Region Valle d’Aosta im Februar dieses Jahres widerspiegelt: Das Entscheidungsrecht zur Handhabung des gesundheitlichen Notstands, so die Richter des obersten Gerichtshofs, liegt beim Staat. Das Regionalgesetz der Valle d’Aosta, das die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie eigenständig zu regeln sucht, wird damit als verfassungswidrig erklärt und aufgehoben. Ein harter Schlag gegen die Autonomie und ein Präzedenzfall, der auch in Südtirol mit Sorge betrachtet wird.

 

 

Nichtsdestotrotz betonen die Teilnehmer der Konferenz die zentrale Rolle der Regionen und autonomen Provinzen im Kampf gegen Covid-19 und darüber hinaus. Gesundheitsvorsorge und Mobilität – zwei Knackpunkte in der Handhabung der Pandemie – werden in den meisten Regionen autonom oder teilweise autonom gehandhabt, erklärt Jens Wölk. Fugatti und Fedriga heben hervor, dass die Regionen als Erste mit dem gesundheitlichen Notstand konfrontiert wurden: “Erano le Regioni che hanno dovuto confrontare e gestire la situazione sanitaria in primo piano”, so Fedriga. Und auch Regionenministerin Gelmini bestreitet eine Schwächung der Regionen durch die Pandemie. Die Zusammenarbeit zwischen den Regierungsebenen, die "leale collaborazione" zwischen Staat und Regionen, müsse jedoch gut geregelt sein, so Gelmini. Eine Zusammenarbeit, die in Italien häufig nicht oder nur sporadisch funktioniert.

 

Ressourcen-Wettbewerb statt Zugpferde

 

Den Grund für die schleppende Zusammenarbeit und fehlende Entwicklung von Italiens Regionalismus sieht Cerniglia im Wettbewerbsgedanken, der die Beziehung zwischen Staat und Regionen in Italien prägt. Dieser Wettbewerbsgedanke sei, so Cerniglia, auf den wirtschaftsliberalen Konsens der 90er-Jahre zurückzuführen: “Der Staat hatte damals keine großen Missionen, sondern die Aufgabe, die Märkte effizienter zu machen. Dieser Gedanke lässt sich in der heutigen Beziehung zwischen Staat und Regionen wiederfinden: Ein zurückhaltender Staat, der aktive Arbeits- und Industriepolitik den Regionen überlässt, um deren Effizienz im Wettbewerb miteinander zu fordern.” Dieses Modell, so Cerniglia, habe nicht funktioniert und sei seit der Wirtschaftskrise von 2008 in einen fruchtlosen Ressourcen-Wettbewerb zwischen den einzelnen Regionen übergegangen. "Anstatt der erhofften Stärkung von Wirtschaft und Sozialsystemen durch regionale Zugpferde beobachten wir tiefe Klüfte zwischen den einzelnen Regionen. Stolpersteine für die Entwicklung des Landes."

 

 

Dieser fragwürdige Ressourcen-Wettbewerb zwischen den einzelnen Regionen kristallisiert sich in der Wortmeldung von Maurizio Fugatti: Ohne lange beim Kernthema der Diskussion zu verweilen, geht der Präsident des Trentino zur Forderung über, bei den Geldern des Recovery Fund jenen Regionen den Vortritt zu lassen, die im von der EU vorgegebenen Zeitrahmen zwischen jetzt und 2026, ihre Investitionskapazität unter Beweis stellen können: “La realtà è che tante regioni non saranno in grado di spendere le risorse da qui al 2026. Se io sono in grado si spendere, tu mi darai anche la quota di chi non le ha spese…” Fugattis Rhetorik spiegelt sich auch in den Handlungen und Aussagen der Südtiroler Landesregierung wider: Seit Beginn der Pandemie und vor allem seit die konkrete Aussicht auf die Gelder aus dem Recovery Fund besteht, beteiligt sich die Südtiroler Landesregierung aktiv am Ressourcen-Wettbewerb, den die Provinz – dank ihrer umfassenden legislativen und finanziellen Kompetenzen – sonst weitgehend meiden kann: Ein Südtiroler Teilprojekt zum Recovery Fund über 2,4 Milliarde Euro, das 47 “realistisch umsetzbare” Projekte enthält, wurde bereits im Herbst des letzten Jahres an die Regierung in Rom geschickt. Wie Landeshauptmann Arno Kompatscher betont, bestehe vor allem eines: handlungsbedarf, um zu verhindern, die Gelder ungenützt an die EU “zurückgeben” zu müssen.

 

 

Recovery Plan als Chance?

 

Trotz der sich zur Schau stellenden Ressourcen-Debatte zwischen den einzelnen Regionen und dem Staat, sieht Cerniglia den Piano Nazionale di Ripresa e Resilienza (PNRR) als Chance. Als Chance, konkrete Zielsetzungen vonseiten des Staates wiedereinzuführen und gleichzeitig die tiefen Gräben zwischen den einzelnen Regionen zu überwinden. Durch die sechs Missionen des Recovery Plans, – grüne Revolution, Innovation und Digitalisierung, Bildung und Forschung, Mobilität, Integration und Gesundheit –, wird der Staat als richtunggebendes Organ wiedereingeführt. Die drei transversalen Schwerpunkte des Plans, – die Stärkung von Frauen, jungen Generationen und des Südens –, sollen die tiefen Klüfte zwischen den einzelnen Regionen überwinden und so einen starken Regionalismus und eine regionenübergreifende Stärkung der Wirtschaft erreichen.

 

Live streaming di Festival Economia 2021: Autonomy in the Covid Era.

 

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Karl Gudauner Mar, 06/08/2021 - 00:04

Una chiara definizone delle competenze tra stato e regioni rappresenta un presupposto indispensabile per l'auspicata collaborazione leale che, dal canto suo, ha bisogno di regole trasparenti e di costruttive esercitazioni nella conciliazione di controversie. Si tratta di configurare un'architettura incentrata sul teamwork tra diversi livelli di governance che si dovranno rispettare reciprocamente e lavorare su soluzioni condivise. In questo contesto la presa di posizione del presidente della Provincia di Trento Maurizio Fugatti, riportata nell'articolo, mi sembra un po' azzardata.

Mar, 06/08/2021 - 00:04 Collegamento permanente