Politica | 50. Todestag

Der „pazifistischste Freiheitskämpfer“

Mit einer Gedenkfeier und der Enthüllung einer Gedenktafel am Dorftreff Schenk hat Frangart heute Sepp Kerschbaumer gedacht.
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der am 7. Dezember 1964 im Gefängnis in Verona einem Herzinfarkt erlegen ist. Dieses historische Gasthaus war in den den 60er Jahren ein Treffpunkt der Mitglieder des Befreiungssauschusses BAS, dessen Kopf Kerschbaumer war. Hier traf man sich für politische Diskussionen und für die Vorbereitungen für die „Feuernacht“ am 12./13. Juni 1961.

Kerschbaumer war nach dem frühen Tod seiner Eltern als Vollwaise in Heim und Kloster aufgewachsen. Weil politisch auffällig war er nach dem Militärdienst von den Faschisten für ein Jahr nach Potenza verbannt worden. Seit Anfang der 1950er Jahre widmete sich Kerschbaumer immer mehr der Politik, agitierte, traf sich mit Politikern - sogar mit Bruno Kreisky in Wien – und trat einmal 23 Tage in den Hungerstreik. „Auch das Verbot der Tiroler Fahne ließ Kerschbaumer keine Ruhe“, führte die Historikerin Margareth Lun aus, die heute in Frangart die Gedenkrede hielt, „er hisste Fahnen auf Hochspannungsmasten und saß fürs Anbringen der Fahne an der Frangarter Kirche 10 Tage im Gefängnis.“

Der politische Widerstand schien dem BAS immer fruchtloser, „der Grund, weshalb der BAS zunächst beschloss, Objekte mit Symbolcharakter zu sprengen. Aber immer mit der strengen Auflage, ja keine Menschenleben zu gefährden. Schließlich ließ sich Kerschbaumer davon überzeugen, dass es einfacher war, zu einem großen Schlag auszuholen. Dass nach der Feuernacht so viele inhaftiert und gefoltert wurden, damit hatte wohl niemand gerechnet,“ so Lun.

Gleich nach der Feuernacht wurde Kerschbaumer verhaftet und in der Eppaner Carabinieri-Kaserne tagelang schwer gefoltert: „Es entspricht seinem Charakter,“ führte die Historikerin aus, „dass er versuchte, so viel Verantwortung auf sich zu nehmen, um seine Mitstreiter zu entlasten. Ende 1963 begann der Mailänder Prozess, der 7 Monate dauerte, über 500 Personen wurden angehört, Staatsanwalt redete sechs Tage lang gegen die Häftlinge.“

Am 16. Juli 1963 erging das Urteil. Sepp Kerschbaumer erhielt fast 16 Jahre Gefängnis. Die vielen Hungerstreiks, die psychische Belastung, all das haben dazu beigetragen, dass Kerschbaumer nur eineinhalb Jahre danach am 7.12.1964 mit 51 Jahren im Gefängnis an Herzinfarkt starb Er hinterließ seine Frau und 6 Kinder, das jüngste war eben 6 Jahre alt. Seine Beerdigung in St. Pauls wurde zu einer Solidaritätskundgebung, an der über 20.000 Menschen teilnahmen.

Sepp Kerschbaumer ist alles andere als vergessen, das alljährliche Gedenken an ihn in St. Pauls ist immer gut besucht. „Sepp Kerschbaumer war ein Mann, dem selbst Richter und italienische Medien Respekt zollten,“ erklärte Margareth Lun heute in Frangart, „kein kühler Analytiker, eher ein Märtyrer und Idealist mit franziskanischer Lebensführung und strengsten moralischen Grundsätzen. Sein Leben lang hat er beispielhaft Zivilcourage gezeigt, um das zu sagen, was ihm unter den Fingern brannte und zu seinem Wort zu stehen. Kerschbaumer getraute sich, zu provozieren, um Themen immer wieder aufs Tapet zu bringen, traute sich, die Finger in die Wunde zu legen, auch wenn es zu seinem persönlichen Nachteil gereichte.“

Dabei unterschied Kerschbaumer streng, wie es hieß, zwischen den Italienern in Alltagsproblemen, denen er half, und dem ital. Staat auf der anderen Seite, der eine Politik ausübte, die für die Tiroler nicht akzeptabel war. Lun: „Beeindruckend sein Gottvertrauen und seine tiefe Religiosität. Verzicht und Opferbereitschaft fielen ihm anscheinend nicht schwer, wenn es darum ging, Ziele für seine Heimat anzustreben. Wenn es uns auch schwer verständlich ist, wie selbstverständlich er seine Familie ihrem Schicksal überließ, ohne sie jemals in seine Entscheidungen miteinzubeziehen, so war dies wohl in seinen Augen seine Pflicht, sein persönliches Opfer für die Zukunft seiner Heimat, seine Verantwortung für die kommenden Generationen.“

Das Schicksal Sepp Kerschbaumers ist Teil der Südtiroler Geschichte. Dieser Mann der Tat verkörpert in gewissem Sinn den militanten Widerstand, den hunderte Südtiroler gegen die staatliche Politik leisten wollten. Kein Wunder, dass sich an ihm die staatliche Repression auslud, doch Kerschbaumer und seine Mitstreiter lösten eine Dynamik aus, die Rom schließlich zur Gewährung der Paket-Autonomie zwang.

 „Der zeitliche Abstand zu den 60er Jahren und zum Kampf der BAS dürfte groß genug sein,“ so der Ortsvorsteher von Frangart Günther Roner, „um diese Zeit endgültig der Geschichtsschreibung zu überlassen und als Teil unserer gemeinsamen Geschichte zu betrachten. Als Teil dieses Landes verstehe ich die Angehörigen aller Volksgruppen, die in Südtirol ihre Heimat gefunden haben, oder sie in nächster Zeit finden werden.“

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gorgias Dom, 12/07/2014 - 15:57

Und was Sepp Kerschbaumer noch so geeignet als posterboy der "Patrioten" macht, ist dass er sich nicht wehren kann, geschweige denn noch eine kritische Äußerung tätigen.

Dom, 12/07/2014 - 15:57 Collegamento permanente