Wissenschaft von Menschen für Menschen
Dass es nicht so einfach ist, Wissenschaft gesellschaftstauglich zu machen, wurde Sigi Hechensteiner und Vicky Rabensteiner im Laufe des Projekts bewusst. Da wären zum einen der Stolz der Wissenschaftler, die Vorurteile der Menschen gegenüber dieser Berufsgruppe und nicht zuletzt die Kunst, Komplexes einfach zu erklären. Die Wichtigkeit von Academia kristallisierte sich im Laufe des Projekts aber ebenso stark heraus. Gründlich recherchierte Fakten und geschulte Köpfe hinter den Zeilen gewinnen in Zeiten von Fake-News wieder stärker an Bedeutung. Über Entstehung und Zweck der populärwissenschaftlichen Online-Seite erzählen die Gründerinnen von Academia im Interview.
Academia - klingt nach Wissenschaft. Welche Art von Informationen bietet diese Plattform konkret und welchen Zweck erfüllt sie?
Vicky Rabensteiner: Academia soll genau das transportieren, was sie im Namen enthält: Wissenschaft aus beiden Institutionen, der EURAC und der Uni Bozen. Diese soll in einer Form vermittelt werden, die für jeden verständlich ist. Denn unsere Wissenschaftler veröffentlichen üblicherweise in wissenschaftlichen Journals Artikel, die eben nicht für das breite Publikum zugänglich sind. Daher wollten wir zeigen, was Südtirols Forschungsinstitutionen bzw. Unis so machen und deren Ergebnisse näher an die Bevölkerung bringen. Wir möchten den Menschen auch zeigen, welchen praktischen Nutzen sie aus der Wissenschaft ziehen können.
Sigi Hechensteiner: Die grundsätzliche Idee dahinter war auch zu zeigen, dass Wissenschaftler Menschen sind, wie du und ich. Früher war Wissenschaft viel elitärer. Die Wissenschaftler dachten sich ‚wieso soll ich in einfacher Sprache schreiben, das kann ja jeder’. Heute hingegen ist Wissenschaft stärker für die Gesellschaft und mit der Gesellschaft. Die Fragen ergeben sich aus der Gesellschaft heraus, Wissenschaftler suchen Antworten darauf. Ein aktuelles Beispiel in Südtirol wäre etwa das Thema Wolf.
Welche Themen werden in den Artikeln angesprochen?
Hechensteiner: Jede Ausgabe des Magazins, das zweimal jährlich herausgegeben wird, steht unter einem Schwerpunktthema. Das neueste Heft, das diese Woche veröffentlich wird etwa, behandelt ganz aktuell das Thema Big Data. Als wir die Redaktionssitzung hielten, war der Cambridge-Analytica bzw. Facebook Skandal noch gar nicht so öffentlich bekannt. Heute erscheint es umso aktueller. In der neusten Ausgabe wollten wir also zeigen, was Wissenschaftler zu dem ganzen Thema sagen. Was uns wichtig ist und wir immer wieder versuchen ist es, Brücken zu schlagen zwischen den einzelnen Disziplinen.
Rabensteiner: Genau, wenn man nun zum Beispiel das Thema Big Data nimmt, das betrifft ja nicht nur einen Wissenschaftsbereich, sondern man kann es auf ganz viele Fachbereiche ausweiten. Ein tolles Konzept in diesem Zusammenhang ist der rote Sessel, der in jeder Ausgabe vorkommt. Dabei setzen sich jeweils ein Wissenschaftler der Uni Bozen und einer der EURAC zusammen und berichten über ein Thema aus ihrer jeweiligen Perspektive.
Hechensteiner: In der letzten Ausgabe haben wir zum Beispiel einen Geografen und einen Informatiker zusammengesetzt, die aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Standpunkten über Big Data diskutieren sollten. Es geht hier dann mehr um ein lockeres Gespräch zwischen zwei Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Disziplinen, als um das rein wissenschaftliche Element.
Rabensteiner: Neben den Artikeln publizieren wir aber auch kurze Filme, oder Comics, die ein wissenschaftliches Thema aufarbeiten. Zusätzlich gibt es eine Event-Rubrik, mit Hinweisen auf wissenschaftlichen Veranstaltungen. Wir versuchen, zwei Mal wöchentlich einen Artikel online zu publizieren, wobei es auch Ressourcen abhängig ist. Es geht uns nicht darum, so schnell wie möglich zu veröffentlichen, sondern wir richten uns nach der Recherche.
Wen soll Academia erreichen? Ist es ein rein regionales Wissensmagazin?
Rabensteiner: Der Inhalt hat zwar einen lokalen Fokus, er soll sich aber nicht nur um Südtirol im kleinen drehen, sondern wir wollen den Blick auch etwas mehr nach Europa richten. Wir publizieren daher auf deutsch, italienisch und englisch, wobei die Wissenschaftler immer in ihrer Muttersprache schreiben. Dadurch wollen wir eine breitere Reichweite erzielen.
Hechensteiner: Das tolle an Academia ist auch, dass Wissenschaftler untereinander die Informationen ebenfalls nutzen. Ein Biologe zum Beispiel liest auch mal gerne etwas Populärwissenschaftliches zum Thema Informatik. Da in der EURAC verschiedene Wissenschaftsbereiche zusammenkommen, erleben wir, dass unsere Forscher sich jedes mal die neue Ausgabe schnappen um nachzulesen, woran der Kollege gerade forscht. Biologen und Rechtsexperten zum Beispiel sprechen ja ganz unterschiedliche Sprachen.
Das Neue an der Plattform ist auch das Netzwerk zwischen zwei Forschungseinrichtungen. Wie kam es zu dieser Kooperation?
Hechsteiner: Die Idee für die Zeitschrift selbst entstand bereits vor 22 Jahren von Seiten der EURAC. Die Kooperation entstand vor drei Jahren. Wir dachten uns, warum nicht mit anderen Forschungseinrichtungen daran arbeiten, die Bevölkerung für die Forschung zu begeistern. Auch wenn wir unterschiedliche Forschung betreiben, das Ziel ist dasselbe.
Wie soll das Projekt in Zukunft weiter aussehen, woran möchte Academia noch arbeiten?
Rabensteiner: Wichtig für uns wäre es, den Filmbereich ausbauen zu können, weil man sieht, dass in den Social Media Filme immer wichtiger werden. Deshalb arbeiten wir zurzeit mit einer Design Studentin zusammen, um kurze Einminüter zusammen zu stellen. Denn man versucht heute auch Wissenschaft immer weiter zeitlich zu komprimieren. Solche kurzen Einblicke können dann vielleicht eine erste Idee über ein Event oder Thema geben und Leute dazu animieren, sich weiter damit zu beschäftigen.
Hechberger: Was heute bereits ein toller Fortschritt ist: Während man vor 20 Jahren Wissenschaftler auf Knien betteln musste, eine Geschichte aus ihrer Forschung zu machen, reagieren Forscher heute viel offener und kommen sogar selbst auf uns zu. Denn sie haben verstanden, wie wichtig es ist, den Elfenbeinturm der Wissenschaft zu verlassen und die eigene Forschung zu kommunizieren. In Zeiten der Populismen, der Fake News usw. erheben immer mehr Wissenschaftler ihre Stimme und argumentieren mit belegbaren Fakten entgegen. In der heutigen Zeit ist das umso wichtiger. Während man früher als Wissenschaftler doof angeguckt wurde, erntet man heute Applaus dafür.
Nein- das sehe ich nicht so:
Nein- das sehe ich nicht so: Noch immer ist es so, dass Mathematiker, die gerne mal ein paar Formeln lösen, als Irre angesehen werden und in jeder Fersehshow, in der bspw ein mathematisches Jungtalent vorgestellt wird, bemüht sich jeder Schauspieler, zu zeigen, dass er/sie es auch ohne mathematik geschafft hat.
Zuletzt kommen dann noch irgendwelche herablassenden Kommentare von einigen.
Wissenschaft funktioniert prima momentan als Astrophysik-.das ist weit weg. Die Youtube-Kanäle laufen über.
Aber wehe, der Wissenschaftler mischt sich in Dinge ein, die nicht systemkonform sind. Da mutieren dann Laien zu Professoren mit fünffachen Doktorgrad und doppeltem Ehrendoktor und erklären dem Wissenschaftler, wie die Welt funktioniert.
Das bedeutet, dass Wissenschaft sehr häufig nur in Verbindung mit Systemtreue und Populismus funktioniert.
Da kriegt man auch viel besser Forschungsgelder. Politiker sind da nicht schlauer.