Politica | St. Christina

Ratifizierung eines Rechtsbruchs?

Die Landesregierung muss jetzt entscheiden, ob die Bausünden im Smarthotel Saslong durch einen Trick saniert werden. Die zuständigen Landesämter sind eindeutig dagegen.

Der Fall des Saslong in St. Christina ist nicht nur örtliches Thema“, sagt Hans Heiss. Der grüne Landtagsabgeordnete nimmt sich kein Blatt vor den Mund: „Vielmehr geht es um die grundsätzliche Frage, ob rechtsstaatliche Grundsätze überhaupt noch Geltung haben.
Salto.bz hat den unglaublichen Fall der Erweiterung des „Smarthotels Saslong“ vor eineinhalb Jahren aufgerollt und seitdem die Entwicklung begleitet. Es ist ein Musterbeispiel, wie man in Südtirol gegen Baugesetze verstoßen kann und dabei von politischer Seite Rückendeckung erhält.
Geht es nach den Gemeindeverwaltern von St. Christina, soll die „politische Sanierung“ eines Bauskandals heute vervollständigt werden. Auf der Tagesordnung der Sitzung der Landesregierung am Dienstag Vormittag steht auf Punkt 25 „Gemeinde St. Christina in Gröden: Abänderungen zum Bauleitplan der Gemeinde - Ratsbeschluss Nr. 72 vom 29.12.2015“.
Es ist der Versuch, endgültig den Deckel auf einen Topf zu legen, in dem es im wahrsten Sinne des Wortes gewaltig stinkt. „Die Landesregierung steht damit in einer besonderen Verantwortung“, sagt Hans Heiss, der zusammen mit seinen grünen FraktionskollegInnen Brigitte Foppa und Riccardo Dello Sbarba am Montag in einer Pressemitteilung auf den Fall noch einmal hingewiesen hat. Heiss: „Auf dem Spiel steht, neben der Geltung von Rechtsnormen und dem Schutz des öffentlichen Nutzens, auch ihre eigene Glaubwürdigkeit, die durch die Genehmigung der Tourismuszone nach all den bisherigen Vorgängen dauerhaft beschädigt würde.

„Auf dem Spiel steht, neben der Geltung von Rechtsnormen und dem Schutz des öffentlichen Nutzens, auch die Glaubwürdigkeit der Landesregierung“.

Die Ermittlung

Beim Bau des Smarthotels Saslong ist es zu gravierenden Rechtsverstößen gekommen. Nach einer Eingabe bei der Staatsanwaltschaft ermittelt Staatsanwalt Giancarlo Bramante gegen den ehemaligen Bürgermeister Eugen Hofer und den Bauunternehmer und früheren Besitzer des Hotels Alois Rabensteiner. Ein Gerichtsgutachter hat festgestellt, dass man beim Bau und bei der Führung des Hotelbetriebs gleich in mehreren Punkten auf schamlose Weise gegen rechtliche Normen verstößt:

  • Bis heute werden öffentliche Parkplätze widerrechtlich für den Hotelbetrieb benützt.

  • Sechs Räume sind nur als „statische Hohlräume“ ausgewiesen, wurden aber widerrechtlich zu fünf Zimmern und einem Büro umgebaut;

  • Das Raumvolumen des Hotels ist um mindestens 1000 Kubikmeter überzogen, auch die überhöhte Bruttogeschossfläche wurde erst durch die spätere Neuklassifizierung ( am 5. August. 2015) des Hotels und Einstufung als Drei-Sterne-Betrieb unzureichend saniert.

  • Die Gebäudehöhe ist um mindestens einen Meter zu hoch.

  • Im Hotel wird vollkommen widerrechtlich ein Schiverleih betrieben, der in einem Gastbetrieb keinesfalls zulässig ist.

  • An der Hotelfassade prangt eine riesige Plakatfläche, die in dieser Größe nicht gestattet ist.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind längst abgeschlossen. Staatsanwalt Giancarlo Bramante hat dieser Tage die Einleitung des Hauptverfahrens gegen den ehemaligen SVP-Bürgermeister Eugen Hofer und den Bauunternehmer Alois Rabensteiner beantragt.

Smarthotel Saslong: Hauptverfahren gegen Ex-Bürgermeister Eugen Hofer

Absurde Entscheidung

Die Gemeinde hat – gezwungen durch die Ermittlungen – gegen den heutigen Hotelbesitzer Ezio Prinoth ein Verwaltungsverfahren eingeleitet, das mit einer Abbruchverfügung endete. Prinoth muss die sechs in statischen Hohlräumen widerrechtlich errichteten Zimmer zurückbauen.
Gegen die Abbruchverfügung hat Prinoth, der auch Präsident des Tourismusvereins St. Christina ist, beim Verwaltungsgericht rekurriert. Das Gericht hat vor wenigen Wochen per einstweiliger Verfügung die Abbruchverfügung der Gemeinde ausgesetzt. Der Grund: „pericolo in mora“. Das Hauptverfahren findet im März 2017 statt. Es ist - vor allem, wenn man die Akten der Staatsanwaltschaft kennt – eine absurde Entscheidung. Denn so kann der Hotelbesitzer, wie er es seit drei Jahren bereits tut, die fünf Zimmer noch eine Sommer- sowie eine Wintersaison lang vermieten. Demnach hat das Verwaltungsgericht Ezio Prinoth indirekt finanziell noch belohnt.

Die Tourismuszone

Bereits unter Eugen Hofer hat die SVP von St. Christina aber eine andere Gangart eingeschlagen, um die Bausünden zu sanieren. Man hat entschieden, beim Smarthotel Saslong eine Tourismuszone auszuweisen, sodass das Hotel nochmals erweitert werden kann. Damit sollen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Die Bausünden werden saniert und es kann noch einmal dazu gebaut werden. Auch die neue Gemeindeverwaltung unter Bürgermeister Moritz Demetz hält an dieser Art der Sanierung eisern fest. Am 29. Dezember 2015 beschließt der Gemeinderat die Bauleitplan-Änderung zur Ausweisung der Tourismuszone Saslong.

Kritiker Hans Heiss: Frage, ob rechtsstaatliche Grundsätze überhaupt noch Geltung haben.

Einige Anwohner, die seit Jahren gegen den widerrechtlichen Hotelbau kämpfen, reichen daraufhin mit einem Anwalt einen Rekurs gegen diese Bauleitplanänderung ein. Am 14. März 2016 nimmt die Mehrheit des Gemeinderats St. Christina die Einwände der Anwohner gegen die Ende 2015 genehmigte Tourismuszone in geheimer Abstimmung zunächst an. Erst durch einen formellen Trick und eine zweite Abstimmung gelingt es am 29. Mai 2016, die gewichtigen Einwände im Gemeinderat „niederzustimmen“.

Nein der Ämter

Die Bauleitplanänderung muss aber vom Land abgesegnet werden. Die zuständigen Landesämter kennen die gesamte Vorgeschichte. Deshalb hat man im Raumordnungsassessorat von Beginn an große Bedenken gegen diese Ausweisung. Dann aber kommt auf, dass auch die neue Gemeindeverwaltung dem Land ganz bewusst Informationen vorenthält. So wurde der Beschluss der Bauleitplanänderung von Ende Mai bereits ans Land geschickt, als die Rekursfrist noch nicht abgelaufen war. Damit hat die Gemeinde einen zweiten Rekurs der Anwohner gegen diesen Beschluss des Gemeinderates einfach unterschlagen. Die Rekurrenten haben ihre Eingabe deshalb direkt an Landesrat Richard Theiner nachgereicht.
Weil sowohl rechtlich wie formal die gesamte Vorgangsweise aber hanebüchen ist, hat das zuständige Amt für Ortsplanung Nord-Ost ein negatives Gutachten für die Ausweisung dieser Tourismuszone gegeben. Auch das Rechtsamt der Abteilung sieht massive Verfahrensfehler. Abteilungsdirektor Anton Aschbacher hat sich diesem Urteil angeschlossen.
Deshalb wurde für die Sitzung der Landesregierung ein Ablehnungsbeschluss für diese Bauleitplanänderung vorbereitet.

Die Landesregierung

Hans Heiss weist darauf hin, dass der Landesregierung damit eine besondere Verantwortung zukommt. „Würde die Landesregierung die Tourismuszone genehmigen, bedeutet dies die Ratifizierung eines zweifachen Rechtsbruchs: erstens die Sanierung massiver Bauvergehen am bereits seit geraumer Zeit eröffneten Hotel Saslong, zweitens eine touristische Erweiterung großen Ausmaßes in geologisch und raumordnerisch völlig ungeeignetem Gelände“, sagt der grüne Landtagsabgeordnete.
Weil der Eigentümer Präsident des örtlichen Tourismusvereins ist, hätte das Vorgehen zudem eine verheerende Vorbildwirkung und wäre ein Imageschaden für das Grödner Gastgewerbe.
Am Dienstag oder spätestens in einer Woche (sollte der Punkt vertagt werden) wird sich zeigen, ob man aus Parteiräson dennoch eine politische Sanierung der Bausünden beschließt. Und sich damit die Landesregierung über die Fachgutachten der zuständigen Ämter hinwegsetzt.
Es wäre nicht das erste Mal.