Ruffinis Fallschirm

Fast 40 Seiten lang ist das Sammelgesetz der Landesregierung, das derzeit in den Gesetzgebungsausschüssen des Landtages behandelt wird, bevor es in die Aula kommt.
Auffallend ist gleich der erste Artikel in dem Riesengesetz. Es geht dabei um die Offenlegungspflicht von Treuhandunternehmen bei der Konzessionsvergabe von Wasserkraftwerken in Südtirol.
Artikel 1 im Sammelgesetz ist kurz und einfach:
„Auf börsennotierte Gesellschaften werden die Bestimmungen laut den Absätzen 1 und 2 nicht angewandt.“
Gemeint ist, dass börsennotierte Unternehmen ihre Treuhänder nicht offenlegen müssen.
„Was die Landesregierung genau damit beabsichtigt, lässt sich vorerst nur vermuten“; erklärt der Abgeordnete der Bürgerunion Andreas Pöder seit Wochen. In Wirklichkeit aber hat die geplante Änderung eine klaren Hintergrund.
Im Zuge der SEL-Affäre und der Stein-an-Stein-Ermittlungen genehmigt der Landtag im Sommer 2011 ein Gesetz, das die Offenlegung von Treuhandbeteiligung zwingend vorschreibt. Wer seine Treuhänder nicht offenlegt, dem kann das Land die Konzession entziehen.
Wenige Wochen nach der Verabschiedung wird dieses neue Gesetz bereits zum ersten Mal angewandt. Nicht etwa im skandalumwitterten Mittewalder Kleinkraftwerk der Stein an Stein GmbH, sondern ausgerechnet bei jenen, die an der Aufdeckung des SEL-Skandals maßgeblich mitbeteiligt sind.
Andreas Pöder: „Was die Landesregierung genau damit beabsichtigt, lässt sich vorerst nur vermuten.“
Am 24. September 2012 leitet das Amt für Stromversorgung das Verfahren für den Widerruf der Konzession gegen die Eisackwerk Mühlbach GmbH ein. Es ist das Unternehmen von Hellmuth Frasnelli & Co. An der Eisackwerk Mühlbach GmbH ist mit 5,5 Prozent auch die Botzen Invest AG beteiligt. Hauptaktionär dieser Investmentgesellschaft ist zu diesem Zeitpunkt mit 40 Prozent das Istituto Atesino di Sviluppo Spa (ISA). Die ISA Spa ist das Finanzierungsinstitut der Trentiner Kurie. Die Gesellschaft hat Hunderte von Beteiligungen, auch in Südtirol. So ist die ISA Spa unter anderem der zweitgrößte Aktionär der Gesellschaft, welche die Bozner Tageszeitung Alto Adige herausgibt.
Die ISA Spa hat ein Gesellschaftskapital von 79,45 Millionen Euro und insgesamt 3.910 Aktionäre. Unter diesen Gesellschaftern gibt es einige, die auch den Weg über eine Treuhandgesellschaft gewählt haben. 2011 kaufen die beiden Treuhandgesellschaften Delta Erre Spa Società Fiduciaria (Padua) und die AF Società di Amministrazione Fiduciaria Spa (Verona) größere Aktienpakete. Diese Aktienpakete werden dann umgehend gestückelt und noch am selben Tag an gut drei Dutzend Südtiroler Unternehmer und Anleger weiterverkauft. Diese Privatpersonen halten die Aktien unter ihrem Namen und nicht als Treuhandbeteiligung.
Anscheinend hat aber jemand den Aktientransfer in der Trentiner Gesellschaft genau studiert und die Tatsachen der Umweltagentur gemeldet. Deren Direktor Flavio Ruffini, ehemaliger Ressortchef von Michl Laimer, wird umgehend tätig. Ruffini leitet das Verfahren zum Konzessionsentzug gegen die Eisackwerk Mühlbach GmbH.
Am 20. November 2012 übermitteln die Anwälte des Unternehmens dem Amt für Stromversorgung und der Landesregierung ihre Gegenäußerungen. Darin wird genau auf den Fall der Treuhandbeteiligung der Delta Erre Spa eingegangen. Die Beteiligung stammt ausgerechnet vom ehemaligen Trentiner Staatsanwalt und damaligen Chef der europäischen Korruptionsbekämpfungsbehörde OLAF, Giovanni Kessler. Kessler hat die Treuhandgesellschaft als Instrument zum Verkauf seiner Anteile benutzt. Die Treuhandgesellschaft war formal niemals ISA-Aktionär.
Die Konstruktion einer angeblichen, indirekten Treuhandbeteiligung über drei Ecken, bei der es am Ende um einen Anteil von 0,012 Prozent an der Eisackwerk Mühlbach GmbH geht, ist an und für sich schon irrwitzig. Doch die Eisackwerk-Mühlbach-Eigner führen in ihren schriftlichen Gegenäußerungen noch ein Argument an, das die forschen Detektive im Amtskittel nicht bedacht haben.
Die SEL hat die Konzessionen der Südtiroler Großkraftwerke mit zwei Tochtergesellschaften übernommen, an denen die Edison und die Enel mit jeweils 40 Prozent beteiligt sind. Beide italienischen Stromriesen sind an der Börse notiert. In ihrem breit gestreuten Gesellschafterfeld finden sich Dutzende Treuhandgesellschaften. Mit derselben Logik müsste das Land demnach auch der SEL alle Konzessionen widerrufen.
Spätestens damit dürfte der Landesregierung klar werden, wie gefährlich und unsinnig dieser Angriff auf Hellmuth Frasnelli ist. Das Verfahren gegen die Eisackwerk Mühlbach GmbH wird am 30. November 2012 von der Landesagentur für Umwelt offiziell archiviert.
Hellmuth Frasnelli & Co sehen im versuchten Konzessionsentzug aber eine klare Schikane und ein ungerechtfertigtes Vorgehen gegen die Eisackwerke. In ihrem Verteidigungsschriftsatz fügen sie eine Liste von 127 Treuhandgesellschaften an, die auf der Gesellschafterversammlung der ENEL anwesend waren. Misst man mit demselben Maß, müsste das Land jetzt auch hier einen Konzessionsentzug einleiten.
Doch es passiert nichts. Damit aber wird die eklatante Ungleichbehandlung mehr als deutlich.
Anwalt Beniamino Migliucci: Strafanzeige wegen Amtsmissbrauch
Am 1. Oktober 2014 hinterlegt der Bozner Anwalt Beniamino Migliucci im Auftrag der Eisackwerk Mühlbach GmbH bei der Bozner Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige gegen Falvio Ruffini. Die privaten Stromunternehmer werfen dem Leiter der Umweltagentur Amtsmissbrauch vor. Der ermittelnde Staatsanwalt Igor Secco beantragte vor kurzem die Einstellung des Verfahrens. Dagegen hat Migliucci Einspruch erhoben. Demnächst wird der Voruntersuchungsrichter entscheiden.
Dieses anhängige Verfahren ist dann auch der eigentliche Grund, warum ausgerechnet diese Gesetzesänderung an erster Stelle des Sammelgesetzes steht. Durch die Gesetzesänderung sollen die Karten Flavio Ruffinis vor Gericht verbessert werden. Der Leiter der Umweltagentur hätte dann ein schlagendes Argument zur eigenen Verteidigung mehr.
Sollte es zur Anklage kommen, soll das Gesetz für Ruffini als eine Art Fallschirm dienen. Sein Vorgehen wäre wenigstens nach dem neuen Gesetz richtig gewesen.