Mission impossible?
Eigentlich könnte man die Causa Eco Energy bereits als erledigt betrachten. „Kurtatsch und das gesamte Unterland brauchen und wollen diese Anlage nicht“, lautet die klare Ansage nach der öffentlichen Anhörung zur geplanten Kurtatscher Müllvergasungslage des Unternehmers Patrick Santini am vergangenen Freitag. Das sagen nicht nur die üblichen Verdächtigen wie Grüne oder Heimatschützer, sondern auch BürgerInnen aller Couleur, die in diesen Wochen auf WhatsApp-Gruppen gegen das Großvorhaben im Unterland mobilisieren. Das unterstreichen nicht nur der Kurtatscher Bürgermeister und der Unterlandler SVP-Bezirkspräsident, sondern auch der Umweltlandesrat und selbst der Landeshauptmann: „Die Anlage wird nicht gebaut“, erklärte Arno Kompatscher am Tag nach der Vorstellung des Projekts.
Ein wenig voreilig, wie – aus Angst vor rechtlichen Fallstricken – selbst einige meinen, die sich die Unterstützung aus Bozen dringend wünschen. Denn eine Entscheidung der Landesregierung steht erst in einigen Monaten an, wenn ein umwelttechnisches Gutachten des UVP-Beirates über das Projekt vorliegt. Noch ist das Verfahren dagegen voll im Gang. Bis Ende kommender Woche können Eingaben gemacht werden. Eine Möglichkeit, die man so weit wie möglich ausschöpfen will, heißt es aus dem Unterland. „Jede Art von Einwand bzw. Eingabe von jedermann/frau ist sinnvoll und zielführend“, wird über WhatsApp motiviert. „Hauptsache mit guten Argumenten bzw. fundierten Daten und Fakten.“
„Ja, rund um dieses Projekt hat sich eine sehr aktive Gruppe gebildet“, sagt die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Lebenswertes Unterland Erika Hauser. Oberstes Ziel dieser Aktivierung? Zu verhindern, dass Kurtatsch, aber auch die umliegenden Gemeinden eine weitere Belastung auferlegt bekommen. Denn, wie Hauser meint: „Das Hafl ist auch ohne eine solche Anlage schon beim Überschwappen.“ Bei der Messstation in Neumarkt würden die Grenzwerte für Stickstoffdioxid wegen der Autobahn um das Doppelte überschritten, dazu kommt immer noch Lärm vom Flughafen, vom Fahrsicherheitszentrum, der nahe Verbrennungsofen in Bozen Süd....
„Es reicht“, tönen viele Unterlandler – und vertiefen sich in diesen Wochen in Studien und Unterlagen zu einem Projekt, das sich zumindest aus dem Mund seines Ideators anhört als entstamme es direkt einem Green-Region-Papier des Landes. Eine innovative Methode, die es bisher nur in Japan gibt, und mit der aus nicht-recyclebarem Müll von Südtiroler Betrieben ein Ersatzbrennstoff und schließlich Strom und Wärme erzeugt werden soll. Und zwar nicht in einer klassischen Verbrennungsanlage, wie Patrick Santini immer wieder unterstreicht. Vielmehr werde das feste Material mit großer Hitze in Gas verwandelt, das dann rückstandsfrei verbrannt wird. Keine giftigen Rückstände, wie bei einer normalen Verbrennung, keine Schlacken, wirbt der Unternehmer für seine Methode. Das abfallende feste Material werde dagegen verglast und könne als Baumaterial wieder verwendet werden. Eine geplante Investition von 120 Millionen Euro, Studien von anerkannten Universitäten – alles erste Sahne, könnte man meinen.
Gebrannte Kinder
„Alles Schönfärberei“, heißt es dagegen von den Kurtatschern, bei denen Santini vom Start weg einen schlechten Stand hatte. Oder besser gesagt, seit der Müllverarbeitungsbetrieb Xela, ein anderes Unternehmen seiner PA Holding, in Kurtatsch für schlechte Stimmung gesorgt hatte. Undurchsichtige Operationen beim Gemenge verschiedener Müllarten, Geruchsbelästigung, wiederholte Brände – entsprechend groß war die Erleichterung als der Betrieb 2014 zwangsgeschlossen und ihm die Lizenzen entzogen wurden. Nach einer rund zweijährigen Verschnaufpause wurde der Unternehmer dann aber mit einem - mittlerweile wieder ausgestiegenen - Kompagnon erneut aktiv, um schließlich im Vorjahr sein Mega-Projekt zu präsentieren. Mega in wahrsten Sinne des Wortes. Immerhin würde die Anlage, für die Santini noch die Gründe von zwei bis drei Betrieben in der Nachbarschaft übernehmen würde, mit einer geplanten Kapazität von rund 95.000 Tonnen fast an den Bozner Müllverbrennungsofen heranreichen. Da der Bozner Ofen nur Hausmüll verarbeite, gäbe es für 60.000 bis 80.000 unsortierten Restmüll aus Südtiroler Betrieben derzeit keine Lösung in Südtirol, stellte sich der Unternehmer in Interviews als Retter in der Müllnot dar.
Umweltlandesrat Richard Theiner widersprach dieser Darstellung bereits vergangenen November bei der Beantwortung einer Landtagsanfrage der Grünen. In Südtirol würden jährlich rund 40.000 Tonnen an nicht-gefährlichen Gewerbeabfällen anfallen, erklärte Theiner darin. „Bis zu 30.000 Tonnen dieser Sonderabfälle werden nach qualitativen Vorgaben gefiltert und in der thermischen Müllverwertungsanlage Bozen behandelt“, so der Landesrat.
Soll also etwa für 10.000 Tonnen Müll eine Anlage hingestellt werden, die wegen des hohen Drucks bei der Umwandlung in Gase als Reaktor bezeichnet wird und bis zu 45 Meter hoch werden soll? Oder werden die fehlenden Müllmengen vielmehr importiert – was einer Zunahme von täglich mindestens 100 LWK auf der A22 entsprechen würde, wie die Grüne Bezirkssprecherin für Überetsch und Unterland Marlene Pernstich befürchtet. Die stark divergierenden Mengenangaben und widersprüchlichen Aussagen zur Herkunft des Mülls sind aber bei weitem nicht die einzige Ungereimtheiten, die von Anrainern und Nachbargemeinden aufgebracht werden.
„Wir glauben, dass solche Anlagen überhaupt nicht in private Hand gehören."
Da ist einerseits die Lage des Werks in der Nähe eines Naturparks und in einer hochwassergefährdeten Zone, noch viel mehr aber die Sorge vor weiteren Emissionen. Ein Austritt von Dioxin sei beispielsweise bei der Anhörung am Freitag nicht verneint worden, erzählt Erika Hauser. Bezirkssprecherin Marlene Pernstich warnt davor, dass die Endprodukte Strom und Wärme der Müllvergasung nur einen kleinen Teil ausmachen. „Der Großteil sind Gase, die in die Atmosphäre geleitet werden und abermals den Klimawandel befeuern.“ Noch gefährlicher seien die Produkte, die während des komplexen Prozesses in der ersten Phase der Müllvergasung entstehen. Störfälle und Zwischenfälle der Anlage hätten katastrophale Auswirkungen auf das Unterland, warnt Pernstich. “Wohn- und Arbeitsqualität im Unterland würden durch Lärm, Abgase und ein unbekanntes Sicherheitsrisiko beeinträchtigt“, warnt auch Stefan Zelger von der Bezirksgruppe Unterland/Überetsch der Südtiroler Freiheit. Sie hat mit dem Landtagsabgeordneten Bernhard Zimmerhofer bereits eine Landtagsanfrage ausgearbeitet, mit der man in Erfahrung bringen will, welche rechtlichen Möglichkeiten die Landesregierung hat, um die Müllanlage zu verhindern und was konkret sie plant.
„Wir glauben, dass solche Anlagen überhaupt nicht in private Hand gehören“, ist der Kurtatscher Bürgermeister Martin Fischer überzeugt. Auch er ist dabei, mit Unterstützung von Beratern verschiedene Eingaben gegen das geplante Werk vorzubereiten. Ein negatives UVP-Gutachten und ein entsprechender Beschluss der Landesregierung bleiben schließlich trotz des Versuches, auch auf Gemeindeebene gegen das Projekt zu mauern, der sicherste Weg, es zu verhindern. „Urbanistisch hätten wir schon Mittel in der Hand“, meint der Bürgermeister. Doch sollte das UVP-Gutachten positiv ausfallen, hätte die Baukommission angesichts des gewaltigen Drucks große Schwierigkeiten, eine Ablehnung zu begründen. Denn eines ist laut Fischer sicher: „Patrick Santini denkt nicht im geringsten daran, dass das Projekt nicht klappen könnte.“ Selbst wenn der Landeshauptmann dies bereits vor Abschluss des UVP-Verfahrens in Aussicht stellt? „Das freut uns natürlich“, meint Fischer, „weil wir uns im Unterland oft alleingelassen gefühlt haben.“ Dennoch könne er nur "ohne jeglicher Polemik" feststellen: „Alle Genehmigungen, die Herr Santini wollte, hat ihm das Land in der Vergagenheit gegeben – gegen unseren Willen.“