Economia | Phase 3

Eine gemeinsame Strategie ist notwendig

Die Covid-19 Krise hat auch in Südtirol negative Auswirkungen. Man rechnet nach dem Entlassungstopp mit einer Arbeitslosenquote von bis zu 9%.
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Foto: Fabio Petrini

Der momentane Arbeitsmarkteinbruch betrifft vor allem die befristeten Arbeitsverträge und die mangelnde Aktivierung von bereits programmierten Neueinstellungen. Der Entlassungsstopp, der derzeit bis zum 17. August 2020 gilt, konnte bisher Schlimmeres verhindern. Dieser soll nun auf Vorschlag der nationalen Gewerkschaften zumindest bis zum 31. Oktober 2020 verlängert werden, wobei auch die Möglichkeit zur Verlängerung befristeter Verträge im Raum steht.

Natürlich sind gleichzeitig auch die Leistungen der Ausgleichskasse notwendig, wobei die Gewerkschaften mit Nachdruck auf eine Reform drängen.  Heute sind viele Bedienstete nicht abgesichert und um auch diese zu schützen, waren verschiedene Maßnahmen notwendig. Das derzeitige System der Ausgleichskasse ist daher unübersichtlich und wurde schwer verwaltbar. Ziel muss hier ist eine einzige Leistung für alle arbeitenden Menschen, die unabhängig von der Betriebsgröße und dem Kollektivvertrag, zugänglich ist.  

Die Sofortmaßnahmen für die Beschäftigten waren natürlich notwendig, ebenso die Unterstützung der Wirtschaft, um nach der Lockerung wieder starten zu können. Nach der Öffnung gilt es nun eine dritte Phase einzuleiten. Vorschläge gibt es genug und diese werden vor allem von der Wirtschaftsseite sehr medienwirksam der Politik unterbreitet. Der Eindruck ist allerdings, dass man grundsätzlich die alte Situation wiederherstellen will.

Dies wäre strategisch gesehen sehr kurzsichtig, denn wir stehen vor einer Beschleunigung bereits vorher angekündigter Veränderungen in Richtung einer Digitalisierung. Die Arbeitswelt, der Handel, der Tourismus, der Transport, aber auch die industrielle Produktion haben in der Krise, gezwungenermaßen, diesbezüglich neue Erfahrungen gesammelt, die man nicht einfach ausblenden kann.

Aber auch die Rolle des Sozialstaates und die staatliche Beteiligung in der Wirtschaft kommen ins Gespräch. Das öffentliche Gesundheitssystem und Berufe, die oftmals kaum geschätzt werden, sowie die öffentlichen Hilfsmaßnahmen für Arbeiter und Betriebe waren in der Krise die Stabilisatoren für die gesamte Gesellschaft.

In manchen Kreisen lässt man allerdings kaum Zweifel zu, dass die öffentliche Hand, nach getaner Arbeit, sich wieder anderen Dingen zuwenden soll, zumindest bis zur nächsten Krise. Der Präsident von Confindustria attackiert bereits jetzt den nationalen Kollektivvertrag und fordert dessen Abschaffung. Er lässt auch keine Gelegenheit aus, die Regierung anzugreifen und vergisst dabei die 4 Milliarden Kürzung der IRAP  für alle Unternehmen und die weiteren Milliarden an Beiträgen und Kreditsicherungen zur Stützung der Wirtschaft.

Auch bei uns beginnt man wieder von Steuerreduzierungen, Rationalisierungen im öffentlichen Dienst und einer Reform der Kollektivverträge zu sprechen, um Ressourcen für die Wirtschaft bereitzustellen. Ebenso will man zum System der vielen kleinen und größeren Förderungen zurückkehren, die nach dem Gießkannenprinzip auf die einzelnen Sektoren herabrieseln sollen.   

Es ist zwar nachvollziehbar, dass jede Interessensgruppe von der Landesregierung Hilfen fordert, aber es besteht das Risiko, sich in viele Einzelmaßnahmen zu verlieren, anstatt eine zukunftsorientierte Strategie für das Land zu verfolgen.

Eigentlich sollte man vorrangig zuerst die alten Stärken und Schwächen analysieren und dann die notwendigen Bereiche herausfiltern, in denen Korrekturen oder Investitionen notwendig sind. Ich denke an die Sanität, die langfristig auf bestimmte Risiken vorbereitet sein muss. Oder an eine strukturelle Reform der Ausgleichskasse unter Berücksichtigung der Möglichkeiten unserer Autonomie. Die Aus- und Weiterbildung ist den neuen Gegebenheiten anzupassen.

Um die Arbeitslosigkeit zu verringern und die Rückkehr in die Arbeitswelt zu ermöglichen braucht es neue zielgerichtete Angebote. Die Schule steht vor neuen Herausforderungen, muss sie doch den Grundstein für die Zukunft der Jugendlichen legen, die in eine neue veränderte Arbeitswelt eintreten.

Man kann diese Krise nützen, um sich neu aufzustellen. Hier stehen Entscheidungen an, die weit über die notwendige Hilfe für den lokalen Markt hinausgehen und die Betriebe werden dabei nicht um die notwendigen Veränderungen herumkommen.

Landesrat Achammer hat bei der Vorstellung des Arbeitsmarktberichtes auf die Abhängigkeit unserer Wirtschaft von den Entwicklungen bei unseren Nachbarn hingewiesen. So hat uns der Tourismus bisher mehr oder weniger schadlos durch viele Krisen geschleust. Heute ist er ein großes Fragezeichen, von dem aber viel für die Wirtschaft im Lande abhängt. Der Export hat auch in schwierigen Zeiten positive Zahlen geschrieben.

Heute gilt es, sich auf noch härter umkämpften Märkten zu behaupten. Wenn andere sich erneuern, müssen wir auch in Südtirol nachziehen und dies braucht bessere Infrastrukturen und viel Geld für die notwendigen Investitionen. Die Digitalisierung wird sich auf alle produktiven Belange auswirken und hoffentlich auch eine Reform der Bürokratie in die Wege leiten.

Auch stellt sich die Frage, inwiefern die öffentliche Hand sich aktiv in die Wirtschaft einbringen soll. In einigen strategischen Bereichen wäre dies sogar wünschenswert, um in Zukunft Engpässe in lebenswichtigen Bereichen zu vermeiden.

In anderen Bereichen ist der Markt allein kein zuverlässiger Partner. Dies gilt etwa in der Sanität, der Energiewirtschaft, die vor einer Revolution steht, dem Transport usw. wo die öffentliche Hand zumindest die strategische Ausrichtung vorgeben muss. Der Vorwurf an das Land Südtirol, zu stark als Unternehmer aufzutreten, sollte angesichts der jüngsten Erfahrungen zumindest neu überdacht werden.

Ob für die Überwindung der Krise generelle Steuerreduzierungen für die Betriebe ausreichen, ist mehr als fraglich. Auch haben nicht alle Betriebe größere Umsatzeinbrüche zu verzeichnen. Direkte selektive Hilfen sind deshalb wohl die bessere Variante.  Sicherlich ist eine strukturelle Steuerreform längst überfällig.

Es stellt sich allerdings die Frage, ob in dieser Ausnahmesituation eine Reform kurzfristig überhaupt möglich ist. Kann die öffentliche Hand heute auf Einnahmen verzichten und gleichzeitig mehr Geld in die Betriebe und die Arbeit investieren?

Das Ziel sollte eine gerechtere Verteilung der Steuerlast sein, insbesondere durch die Unterbindung der Steuerhinterziehung und eine Reduzierung der Steuern für Bedienstete und Rentner und die ehrlichen Betriebe. Es gilt, die Produktion und den Konsum parallel ankurbeln und durch eine geeignete Steuerpolitik kann diese Herausforderung leichter gemeistert werden.

Niemand verfügt heute über eine einfache Lösung und jeder Bereich hat seine Prioritäten. Nun gilt es, die für unser Land beste Strategie ausfindig zu machen und durchzuziehen, ohne den Einzelinteressen nachzugeben.

Natürlich muss man im Einzelfall auch flexibel handeln, da die zukünftigen Entwicklungen bisher noch unklar sind. Wir sind bereit, den Weg gemeinsam zu gehen, wenn die Diskussion offen, ehrlich und fair ist und auch unterschiedliche Ansichten erlaubt sind.