Gesunde Unternehmen sind standfest
Das Busunternehmen Oberhollenzer aus Sand in Taufers setzt auf Gesundheit und damit automatisch auf Stressreduktion. Laut Stressreport 2012 das Einzig richtige: Denn damit Unternehmen produktiv sind, müssen sie ihre MitarbeiterInnen, deren Wünsche und Bedürfnisse in den Fokus rücken.
Christoph Haidacher ist Chef von 58 MitarbeiterInnen, er weiß: Als Buschaffeur braucht es einige Qualitäten, um gut durch den Arbeitsalltag zu kommen. Allein im Fahrzeug unterwegs, mit lärmenden Schulklassen, betrunkenen Fahrgästen oder redefreudigen Senioren konfrontiert. Da heißt es, locker und gelassen bleiben, Verantwortung zeigen und trotzdem Gas geben. „In unserer Berufsgruppe sind die Menschen mit vielen Anforderungen konfrontiert: Stressresistenz ist wichtig, Geduld ist gefragt, aber auch Freundlichkeit und Konzentration ist wesentlich“, erklärt Haidacher. Verschiedene Arbeiten gleichzeitig zu betreuen, das ist das Kernproblem der Arbeitswelt von heute und gleichzeitig, laut Stressreport, der größte Stressor. E-Mail beantworten, telefonieren, Kundengespräch, Sitzungen – immer kompetent bleiben, keine Müdigkeit vortäuschen.
Ein „gesundheitsförderliches Fundament“ wollte er schaffen für seinen Betrieb, „ein gesunder Geist braucht einen gesunden Körper“, sagt Haidacher. Im Unternehmen selbst heißt das: jeder Mitarbeiter trägt im Fitnessprotokoll des Betriebes ein, was er für seine Gesundheit tut. „Wir stellen auch Arbeits- und Freizeitbekleidung zur Verfügung und haben eine Konvention mit dem Fitnessstudio Sand in Taufers. Unsere Mitarbeiter können das gratis benutzen.“ Gesundheit wird groß geschrieben, Stress ernst genommen. Michaela Morandini von der Stiftung Vitalis bestätigt: „Wenn mein Arbeitgeber Verständnis zeigt, mich als Mensch sieht, dann gelingt mir in der Arbeit vieles leichter. Auch wenn mich ein persönlicher Schicksalsschlag trifft, ein Tod in der Familie beispielsweise, dann weiß ich: ein Team steht hinter mir.“ Der Einfluss einer Führungskraft auf die psychischen Gesundheit der Mitarbeiter reicht weit, „mittlerweile spricht man von gesunden Führungsstilen. Führungskräfte tragen hohe Verantwortung, sie beeinflussen die Gesundheit ihrer MitarbeiterInnen stark “, erklärt Morandini. Sie ist Arbeits- und Organisationspsychologin.
Sensibilität steigt
Wesentlich ist: Betriebliche Gesundheitsförderung geht über die gesetzlichen Anforderungen des traditionellen Arbeitsschutzes hinaus. Und wie stehen Südtirols Unternehmen zur Gesundheitsförderung? „Es gibt keine offiziellen Zahlen für Südtirol in diesem Bereich, eine Sensibilisierung ist jedoch erkennbar. Was ich bestätigen kann ist, dass Südtirol im Bereich Gesundheitsförderung in den Betrieben weiter ist als das restliche Italien, aber gegenüber der Schweiz, Österreich oder Deutschland noch Aufholbedarf hat.“
Dass Frauen resistenter gegen Stress sind als Männer, ist eine landläufige Annahme - US-Forscher sind überzeugt, in Tierversuchen dafür nun einen Beleg gefunden zu haben. Nach ihren Erkenntnissen hilft das weibliche Sexualhormon Östrogen, mit belastenden Situationen fertig zu werden, wie die Fachzeitschrift "Molecular Psychiatry" am Dienstag berichtete. Den ganzen Beitrag lesen Sie in der Wiener Zeitung.
Arbeitsausfälle häufen sich
Beim Oberhollenzer in Sand in Taufers werden auch Nordic Walking Kurse oder Tanzkurse vom Betrieb gefördert. Haidacher bringt es auf den Punkt: „Die Konfektionsgröße meiner Mitarbeiter ist um eine Nummer gesunken.“ Gesundheitsförderung macht sich bezahlt, „es gibt keine Fluktuationen im Betrieb, und kaum Ausfälle wegen Krankheit.“ Morandini berichtet: „Vor allem bei diagnostizierten, psychischen Erkrankungen wie Depressionen kann es zu langen Ausfallzeiten kommen. Für ein Unternehmen entstehen dadurch natürlich hohe Kosten.“ Statistiken belegen: Durchschnittlich fallen 85 Arbeitstage aus, wenn ein Mitarbeiter in eine Depression fällt. „Das heißt natürlich nicht, dass ein Unternehmen verantwortlich ist, wenn ein Mitarbeiter krank ist. Aber ein Unternehmen trägt dafür Verantwortung, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die gesundheitsfördernd und nicht gesundheitsschädigend sind.“ Der Stuhl, der Rückenschmerzen vorbeugt gehört ebenso dazu, wie eine respektvolle Kommunikation im Unternehmen, eine wertschätzende Haltung und das Eingehen auf Mitarbeiterwünsche. „Jeder von uns geht anders mit Stress um, jeder hat andere Ressourcen, die er anzapfen kann. Ein Unternehmen kann aber gesundheitsfördernde Rahmenbedingungen schaffen, die mein Wohlfühlen an der Arbeit erhöhen.“
Unterschiedliche Branchen, unterschiedliche Stressoren.
Die Situation im Gastgewerbe gestaltet sich laut einer österreichischen Studie folgendermaßen: Die Erkrankungshäufigkeit (Morbidität; Fälle auf 1.000 Vers.) liegt in dieser Branche unter dem Wert für alle Wirtschaftsklassen (WK) (Gastgewerbe: 911 Fälle, alle WK: 1.189), die Dauer des Krankenstandes jedoch über dem Wert für alle Wirtschaftsklassen (Gastgewerbe: 12,5 Tage pro Fall, alle WK:10,8 Tage pro Fall). Die ganze Studie lesen Sie hier.
Der Weg zur Gesundheit muss im Arbeitsleben ein Gemeinsamer sein. Haidacher war es wichtig, seine MitarbeiterInnen um ihre Meinung zu fragen. „Wir haben Wünsche der Mitarbeiterinnen konkret erhoben, zu Papier gebracht und analysiert. Die Stiftung Vital hat uns in diesem Prozess begleitet.“ Haidacher ist stolz, ein gesunder Betrieb zu sein. Anlässlich des Welttags der psychischen und geistigen Gesundheit am heutigen Donnerstag, 10. Oktober gibt Morandini bekannte Ratschläge mit auf den Weg. „Wir müssen die Signale, die unser Körper aussendet, ernst nehmen, Rückenschmerzen, Verspannungen, Kopfweh können Warnzeichen sein.“ Vorbeugen also und hinhören: Gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf, keine Mahlzeiten ausfallen lassen und vor allem: „Treffen sie Menschen, die Ihnen gut tun. Ziehen Sie Grenzen und feiern Sie Erfolge. Das motiviert.“