Politica | Stein-an-Stein-Prozess

Der Garant & sein Bruder

Klaus und Rudolf Stocker versuchen im Zeugenstand zu erklären, dass es beim Stein-an-Stein-Deal keine Absprachen zwischen dem ehemaligen SEL-Präsidenten und dem eigentlichen Finanzier des Kaufes gegeben habe. Ein schwieriges Unterfangen.

Auch wenn es in diesem Prozess um viel geht, tut es menscheln.
Am Freitag vor einer Woche sollte Rudolf Stocker eigentlich in den Zeugenstand treten. Der Auerer Wirtschaftsberater erschien aber nicht. So wurde die Verhandlung aufgehoben. Als Oberstaatsanwalt Guido Rispoli danach noch eine Weile in der Aula mit Journalisten sprach, tauchte der gutgekleidete Unterlandler plötzlich auf. Es stellte sich heraus, dass es zu einem Missverständnis über die Uhrzeit der Vorladung gekommen war.
Eigentlich hätte das Gericht Rudi Stocker erneut vorladen müssen: Kosten, Bürokratie und Zeitverschwendung. Rudolf Stocker und Oberstaatsanwalt Guido Rispoli machten es einfacher: Man vereinbarte, dass Stocker ohne weitere Vorladung an diesem Freitag um 9 Uhr erscheinen wird. Und das tat er auch.
Ähnlich auch sein Bruder, Klaus Stocker. Der Verteidiger des ehemaligen SEL-Präsidenten konnte den Termin an diesem Freitag nicht wahrnehmen, demnach hätte er durchaus einen Aufschub beantragen können. Doch Klaus Stocker begnügte sich bewusst mit einem Amtsverteidiger. „Ich will nicht, das man meint, der Stocker kommt nicht“, erklärte der ehemalige SEL-Präsident  der vorsitzenden Richterin Carla Scheidle seine Anwesenheit.

Selten erlebt man ein Verfahren dieses Ausmaßes, das so herrlich unspektakulär, geordnet und sachbezogen über die Bühne geht. In diesem Gerichtssaal erhebt niemand die Stimme.

Diese zwei Episoden geben Einblick in das Klima, wie im „Stein an Stein“-Prozess verhandelt wird. Selten erlebt man ein Verfahren dieses Ausmaßes, das so herrlich unspektakulär, geordnet und sachbezogen über die Bühne geht. In diesem Gerichtssaal erhebt niemand die Stimme und es gibt auch kaum Polemiken.
Das liegt an der umsichtigen Prozessführung von Carla Scheidle, die jede Entgleisung schon im Keim erstickt. Aber auch an am Verhalten von Anklage und Verteidigung. Rainer-Verteidiger Carlo Bertacchi braucht keine Show. Er tritt gesittet, zurückhaltend und überaus charmant auf. Seine Einwände sind messerscharf, zielführend und vor allem ohne die lästige Advokaten-Polemik, die seinem Berufsstand nur allzu oft anhaftet.
Guido Rispoli hält sich ebenfalls zurück. Der Oberstaatsanwalt weiß, dass er auf Ermittlungen bauen kann, die solide wie selten durchgeführt wurden. Er lässt die Fakten sprechen, durch die er die Zeugen bei der Befragung Schritt für Schritt führt.

Null Risiko

Rudolf Stocker könnte sich, als Bruder des Angeklagten Klaus Stocker, durchaus der Aussage entziehen. Doch das will der Auerer Wirtschaftsberater nicht. „Ich möchte aussagen“, erklärt er gleich zu Beginn. Guido Rispoli lässt den Zeugen dann den Stein-an-Stein-Deal aus seiner Warte nacherzählen.
Rudolf Stocker führt aus, dass er im Februar 2007 zum ersten Mal von dem „Stein an Stein“-Kauf gehört habe. Er sei vom Wirtschaftsberater Paul Schweitzer drauf angesprochen worden, ob er in den Kauf des Kleinkraftwerkes investieren wolle. „Nachdem ich mir die Unterlagen angeschaut habe, erklärte ich, dass ich helfen kann“, sagt Stocker im Zeugenstand.
Stocker erklärt dann, wie er bei einer Bank in Trient eine Bürgschaft von 450.000 Euro aufgenommen habe, von der 220.000 Euro als Finanzierung des Kaufs in die „Stein an Stein Italia Gmbh“ geflossen sind.
„Ich war nicht Gesellschafter, sondern eine Art Garant“, erklärt er. Wobei er durchaus zugab, dass er die Investition auch deshalb machte, weil er die Möglichkeit sah, zu einem späteren Zeitpunkt auch Gesellschafter zu werden. Es ist die schwächste Stelle in seiner gesamten Aussage. Denn Rudolf Stocker gelingt es nicht zu erklären, warum er einer wildfremden Gesellschaft – ohne einen Cent Entschädigung – als Finanzier dient. Richterin Carla Scheidle fragte deshalb am Ende der Aussage nochmals nach, mit dem eindeutigen Zusatz: „Ich verstehe das nicht“.
Klar heraus kommt hingegen, dass der Deal für den Unterlandler Unternehmer eine Investition mit Null Risiko ist. Er ist nicht  Schuldner bei der Bank und vor allem würde das Kraftwerk jährlich soviel erwirtschaften, dass die Bankschulden in drei Jahren abgearbeitet sind.

Ein rühriger Geschäftsmann

Guido Rispoli will von Rudolf Stocker auf Klaus Stocker kommen, das zeichnet sich in den Fragen des Oberstaatsanwaltes schnell ab.  „Natürlich haben wir kurz über das Kraftwerk geredet“, bestätigen beide Brüder im Zeugenstand. Ein erstes Gespräch habe aber erst im Jänner 2007, also nach der Ablehnung des Kaufangebotes durch die SEL stattgefunden. „Mein Bruder ist ein rühriger Geschäftsmann“, erklärt Klaus Stocker dessen Interesse, „deshalb habe ich ihn auch an Paul Schweitzer verwiesen, der Berater der SEL war und ist“.
Dass es vorab einen Austausch von Insider-Informationen gegeben habe, verneinen beide Stocker Brüder an diesem Vormittag energisch. „Ich bin Wirtschaftsberater und brauche sicher nicht meinen Bruder, um zu erkennen, was ein Geschäft ist und was nicht“, sagt Rudi Stocker durchaus selbstbewusst.


Ich war nicht Gesellschafter, sondern eine Art Garant
​                                                                               Rudi Stocker

Auch Klaus Stocker muss im Zeugenstand den gesamten Stein-an-Stein-Deal aus seiner Sicht Revue passieren lassen. Der ehemalige SEL-Präsident hat im Frühsommer 2005 das erste Mal vom Angebot gehört. Ein Jahr später sei er mit Maximilian Rainer zu einem Lokalaugenschein nach Mittewald gefahren. „Ich wollte mir selbst ein Bild machen“, begründet Klaus Stocker diese Inspektion.
Der langjährige SEL-Präsident erklärt vor Gericht, dass er nichts von den Treffen seines Direktors mit dem Verkäufer Johann Breiteneder in Wien im Juni 2006 gewusst habe. Er habe dem Verwaltungsrat das Angebot vorgetragen und vor allem nach dem Gutachten des Turiner Ingenieurs Michele Morelli von einem Kauf abgeraten.
Während der Stocker-Befragung kommt aber ein anderes absurdes Detail zu Tage. Dem SEL-Verwaltungsrat wurde erklärt, dass der Verkäufer 500.000 Euro für das Kraftwerk und die Immobilien verlangte. Nur: Es gibt kein schriftliches Dokument, in dem diese Zahl steht. „Ich glaube, ich habe sie von Rainer vor der Sitzung mitgeteilt bekommen“, erklärte Klaus Stocker.
Es ist ein weiterer Mosaikstein in dem falschen Bild, das man den SEL-Verwaltungsräten – laut Anklage – im November 2006 vorgelegt hat.

Hilfe für Max

Klaus Stocker hätte sich persönlich viel einfacher aus der Affäre ziehen können.  Als Angeklagter, der in diesem Verfahren bereits einem gerichtlichen Vergleich von 20 Monaten zugestimmt hat, hätte er die Aussage verweigern können. Doch das tut er nicht. Der Grund dafür dürfte die Solidarität mit Maximilian Rainer sein.
Klaus Stocker versucht in seiner Aussage zu vermitteln, dass der SEL-Verwaltungsrat eine autonome und keineswegs durch den damaligen Direktor beeinflusste Entscheidung getroffen hat. Nur damit kann man die Verantwortung von Maximilian Rainer wegschieben.
In dieselbe Kerbe schlägt dann auch Rainer-Verteidiger Carlo Bertacchi, der Stocker nochmals die beruflichen Qualifikationen der damaligen SEL-Verwaltungsräte einzeln auflisten lässt. Sein Fazit: „Alles Experten auf dem Gebiet der Energie“.
Rainers Pech: Das Gericht dürfte sich längst selbst ein Bild davon gemacht haben. Es hat die „Experten“ vor sieben Tagen selbst erlebt.

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