Economia | Urbanistik
Etikettenschwindel?
Foto: salto
Das Schreiben und die beigelegten Dokumente, die vergangene Woche im Sekretariat der Staatsanwaltschaft hinterlegt wurden, sind im wahrsten Sinne des Wortes eine Bombe. Formal kommt die Eingabe vom größten Arbeitgeber Südtirols: Dem Land Südtirol. Vor allem aber richtet sich die Anzeige gegen den zweitgrößten Arbeitgeber und größten privaten Steuerzahler Südtirols: Die Aspiag Service GmbH.
Allein diese Konstellation macht verständlich, wie brisant die Angelegenheit ist. Im Land will niemand darüber reden. Einer, der mit den Fall befasst ist, will nur soviel sagen: “Wenn wir von möglichen Unregelmäßigkeiten Kenntnis haben, ist es unsere Pflicht als Amtspersonen, das den zuständigen Behörden zu melden.”
Bevor man diesen eklatanten Schritt machte, hat sich die Landesregierung deshalb abgesichert. Man geht davon aus, dass die Elemente, die man zusammengetragen hat, einer Überprüfung durch die Staatsanwaltschaft bedürfen. “Der Staatsanwalt wird klären, ob hier eine strafbare Handlung vorliegt oder nicht”, heißt es bei den zuständigen Ämtern.
Der Rechtsstreit
Ausgangspunkt der brisanten Entwicklung ist das vom Handelsriesen Aspiag geplante Großkaufhaus in Bozen Süd. Seit vielen Jahren lodert ein politischer Streit um die Verwirklichung dieses Großprojektes. Vor allem der Handels- und Dienstleistungsverband Südtirol (hds) zieht alle Register um die Verwirklichung des Projekt zu verhindern oder wenigstens die Verkaufsfläche einzugrenzen.
Die “Aspiag Service GmbH” hat ursprünglich ein Projekt vorgelegt, das in der Bozner Buozzistraße ein Kaufhaus mit einer Verkaufsfläche von 20.000 Quadratmeter vorsieht. Später hat der Bauherr aber ein Varianteprojekt nachgereicht mit dem die Fläche auf 32.000 Quadratmeter erhöht wurde.
Am 20. Mai 2016 genehmigt der Kommissär der Gemeinde Bozen Michele Penta dieses Varianteprojekt und stellte die Baukonzession zu Gunsten der Aspiag Service GmbH aus. Im September 2016 hat die Landesregierung aber ein Verfahren zur Annullierung dieser Baukonzession Nr. 212/2016 eingeleitet. Vorausgegangen waren mehrere Eingabe an die Landesregierung nach Artikel 105 des Landesraumordnungsgesetzes. Unter anderem ein Rekurs des hds.
Die zuständigen Landesämter kamen nach der Überprüfung der Sachlage zum Schluss, dass es in diesem Fall mehrere Übertretungen der geltenden Landesgesetze gegeben habe. Man räumte der Gemeinde Bozen und der Aspiag Service als Inhaberin der Baukonzession und Eigentümerin des Baues eine Frist von 20 Tagen, um zu den Beanstandungen Stellung zu nehmen. Am 27. Dezember 2016 annullierte die Landesregierung dann die Baukonzession. Gegen diesen Beschluss hat die Aspiag beim Verwaltungsgericht Rekurs eingereicht.
Die UVP
Dieser Rekurs ist dann auch der Ausgangspunkt für die brisante Eingabe. Unter anderem argumentiert die Aspiag damit, dass man für das Projekt eine positive UVP-Prüfung vorweisen könne. Der UVP-Beirat hatte das Projekt wie gesetzlich vorgesehen einem Umwelt-Screening unterzogen und am 26. November 2016 ein positives Gutachten erteilt. Nach dem Rekurs haben sich die zuständigen Landesämter die vom Handelsriesen vorgelegten Dokumente anscheinend genau angeschaut. Dabei hat man eine mutmaßlich, schwerwiegende Unregelmäßigkeiten festgestellt.
Die UVP sieht bei solchen Großprojekten verbindend ein Verkehrskonzept vor. Das lieferte die Aspiag Service GmbH dann auch. Ausgearbeitet von einem renommierten Mailänder Verkehrsplaner. Das Konzept basierte auf Verkehrszählungen aus dem Jahr 2009 und wurde für das ursprüngliche Kaufhausprojekt mit 20.000 Quadratmetern Verkaufsfläche gemacht. Dieses Projekte reichte die Aspiag samt den Unterlagen im Jahr 2012 ein. Offiziell hat ein anderer Verkehrsplaner dieses Konzept für das weit größere Varianteprojekt, das man 2016 einreichte, überarbeitet. Doch die zuständigen Landesämter gehen davon aus, dass man hier geschwindelt hat.
Der Vorwurf: Der Bauherr Aspiag hat das alten Konzept hergenommen, ein paar Daten ausgetauscht und dann als neu ausgearbeitete Studie verkauft. Untermauert wird dieser schwerwiegende Vorwurf durch ein Schreiben jenes Mannes, der das ursprüngliche Verkehrskonzept erarbeitet hatte. Auf Nachfrage des Landes distanziert sich der Mailänder Planer ausdrücklich von der neuen Studie. Nach Informationen von Salto.bz erhärtet dieses Schreiben den Verdacht, dass man hier eine Art Copy and Paste-Gutachten fabriziert hat.
Die Prüfung
In den zuständigen Ämtern geht man davon aus, dass hier der Strafbestand einer Dokumentenfälschung gegeben sein könnte. “Das Gericht soll das jetzt überprüfen”, heißt es aus dem Land. Für den Bauherrn und die Planer gilt die Unschuldsvermutung. Es wird sich zeigen, ob die Staatsanwaltschaft nach den Vorermittlungen die Eingabe archivieren oder die Einleitung eines Hauptverfahrens fordern wird.
Sicher ist eines aber jetzt schon: Der Wind zwischen Land und Aspiag wird noch kälter werden.
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