Politica | Wahlen/Elezioni 23

„Straßen für Autos einspurig machen“

Landschaftsarchitekt und Bauer Frowin Oberrauch tritt für die Liste Enzian an. Seine Schwerpunkte sind die direkte Demokratie und Nachhaltigkeit.
Frowin Oberrauch
Foto: Enzian
  • SALTO: Herr Oberrauch, Sie gelten als politischer Newcomer. Wieso haben Sie sich entschieden, für die Landtagswahl zu kandidieren?

    Frowin Oberrauch: Seit ich die Politik in Südtirol verfolge, habe ich eher Verschlechterungen als Verbesserungen wahrgenommen. Nur kritisieren reicht nicht und deshalb habe ich mich für eine Kandidatur zur Verfügung gestellt.

    Gab es einen konkreten Auslöser?

    Die letzten Jahre waren sehr unangenehm. Während der Pandemie hat die Politik Entscheidungen getroffen, die auf die Einschätzung der WHO (Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen, Anmerkung d. R.) zurückzuführen sind – und damit wurden von staatlicher Seite Grundrechte der Menschen missachtet. In Zukunft könnte die WHO ein auch nur mögliches Risiko für eine weitere Pandemie oder für Naturkatastrophen durch den Klimawandel als Grund nehmen, um Maßnahmen in den Mitgliedsstaaten auch mit Gewalt durchzusetzen, sofern die Absichten der Eurpäischen Union 2024 umgesetzt werden. Damit wird die Demokratie ausgehebelt.

    Die Liste Enzian ist eine der neuen Splitterparteien in Südtirol. Für welche Inhalte stehen Sie?

    Unser Gründer Josef Unterholzner steht für eine transparente und ehrliche Politik und dieser Ansatz gefällt mir. Wir befürworten die direkte Demokratie, da es nicht reicht, sich als Politiker nur vor den Wahlen mit den Menschen auseinanderzusetzen. Die Schlagworte Wohnungsmangel, Kriminalität oder Klimawandel erfordern keine einfachen Antworten, sondern eine Debatte auf sachlicher Ebene. Genauso hätte es eine solche Debatte bei der Impfung gegen das Coronavirus gebraucht. Es wurden Maßnahmen gegen jede Logik ergriffen.

    Sie können nur eine Monokultur betreiben, wenn Sie Ihren Markt vergrößern und um den Markt zu vergrößern, braucht es Verkehrswege.

    Was hätten Sie als Politiker während der Pandemie getan?

    Ein Virus überlebt durch die Mutation. Deshalb hinkt jede seriöse Impfung nach, da sich das Virus ständig verändert. Der menschliche Organismus wehrt sich mit dem eigenen Immunsystem gegen ein Virus, das ist bei Corona nicht anders. Das Immunsystem braucht viel Sauerstoff, eine gesunde Ernährung, Freude und keinen Stress. Während der Pandemie wurde uns empfohlen, daheim zu bleiben und Masken zu tragen, das führt zu wenig Bewegung und schlechter Luft. Sie haben uns drei Jahre mit Todeszahlen und Horrorszenarien Stress und Angst gemacht... Wie viele Menschen haben sich aufgrund des Lockdowns sogar vor ihrem betrieblichen Ruin gesehen? Gerade ältere Menschen in geschlossenen Strukturen freuen sich über den Besuch ihrer Verwandten, auch das wurde in der Pandemie verboten oder sehr eingeschränkt. Wie kann bei so einem Menschen noch der Lebenswillen erhalten bleiben? Sprich unser Immunsystem ist systematisch zerstört worden.

  • Liste Enzian: Listenführer Josef Unterholzner will seine Ein-Mann-Fraktion im Landtag bei diesen Wahlen erweitern. Foto: Enzian
  • Es war für alle eine äußerst schwierige Situation.

    Während dieser Zeit gab es zwei Todesfälle in meiner Familie. Einer davon war mein gleichaltriger Cousin, der 50 Jahre alt war. Er hatte ein Alkoholproblem und besuchte regelmäßig die Treffen der anonymen Alkoholiker. Als die Treffen wegen der Ausbreitung des Coronavirus gestrichen wurden, fand man ihn wenig später tot im Bett. Er starb an Lungenembolie, er hatte Medikamente und Alkohol bei sich. Tatsache ist, dass er einen Rückfall hatte und es ihm nicht gut ging, weil er allein gelassen wurde. Auch wenn er bei uns ihm Haus gewohnt hat und von allen geschätzt wurde, fehlte ihm die Unterstützung aus der Gruppe der anonymen Alkoholiker. Soziale Dienste wie diese wurden während der Pandemie gestrichen, obwohl sie für Menschen lebensnotwendig waren.

  • Zur Person

    Frowin Oberrauch (52) ist Bauer und Landschaftsarchitekt, wohnhaft in Bozen, Kaiserau. Er beteiligte sich außerdem bei Projekten des Vereins Sortengarten Südtirol. Bei den Landtagswahlen kandidiert Oberrauch für die Liste Enzian.

  • Frowin Oberrauch: „Umweltschutz und in der Folge unser eigener Schutz sind eine Grundvoraussetzung.“ Foto: privat

    Ein weiterer Schwerpunkt von Ihnen ist die derzeit häufig genannte Nachhaltigkeit, wo besteht aus Ihrer Sicht der größte Handlungsbedarf hierzulande?

    Dort, wo es niemand sieht – bei unserer Mobililtät. Ich habe in meiner Diplomarbeit an der BOKU (Univesität für Bodenkultur, Anmerkung d. R.) in Wien nachgewiesen, dass die Daten zum Rückgang der Sortenvielfalt in Südtirol mit der Zunahme des Verkehrs korrelieren. Das begann mit der Einführung des Zugs und beschleunigte sich mit der Autobahn rasant. Das ist auch logisch, Sie können nur eine Monokultur betreiben, wenn Sie Ihren Markt vergrößern und um den Markt zu vergrößern, braucht es Verkehrswege. Dafür eignet sich die Straße hervorragend. Inzwischen ist die Straße so attraktiv, dass die Lagerhallen auf die Straße verlagert werden. Kaum ein Geschäft hat heute noch ein Lager, es wird das Günstigste bestellt und am nächsten Tag wird es geliefert. Wenn ein Kiwi aus Neuseeland billiger ist als ein lokaler, dann stimmt etwas nicht mehr. Früher hatte ein Kilo guter Äpfel aus Südtirol einen Wert von einem Mittagessen.

  • Auch der individuelle Personentransport verursacht einen beträchtlichen Teil der CO₂-Emissionen.

    Um den Autoverkehr zu reduzieren, dürfen keine neuen Umfahrungen oder Straßen gebaut, sondern es müssen das Fahrrad und die öffentlichen Verkehrsmittel unterstützt werden. Derzeit ist das Gegenteil der Fall. Ich habe versucht, für längere Zeit auf das Auto zu verzichten, aber ich bin gescheitert, weil ich mein Fahrrad in den Zügen und Bussen nicht leicht mitnehmen konnte. Auch auf kurzen Strecken hätte ich eine Tageskarte für das Rad zahlen müssen. Mit der Kombination Rad und Öffis könnte ich 90 Prozent meines Mobilitätsbedarfs abdecken, die restlichen zehn Prozent wären mit Taxis und Leihautos, die bei Bahnhöfen bereitstehen, machbar. Auch in den Städten ist das Radfahren schwierig. 

    Wenn wir langfristig denken, müssen wir die gesamten Zusammenhänge betrachten. 

    Zum Beispiel dürfen laut Straßenverkehrsordnung Radfahrer auf einer Straße mit Fahrradweg nur auf diesem fahren. Die im Nachhinein gebauten Fahrradspuren in den Städten machen das Radfahren aber zu einem Ärgernis, vor allem wenn man es eilig hat. Das Fahrrad ist ein unterschätztes Verkehrsmittel. Langfristig, als Vision einer lebenswerten und nachhaltig gelebten Welt, wäre es deshalb sinnvoll, bereits existierende Straßen für Autos einspurig zu machen. Rechts und links wäre dann ausreichend Platz für Fußgänger und Radfahrer – das wäre ein starker Anreiz, vom Auto auf das Rad und öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen.

    Sie wollen sich auch für eine nachhaltigere Landwirtschaft einsetzen.

    Kurzfristig ist über Bewusstseinsbildung möglich, dem Konsumenten den Mehrwert eines biologischen Produkts mit hoher Qualität an Geschmack und hohem Gesundheitswert klarzumachen. Damit erreichen wir eine gewisse Bevölkerungsschicht. Es wird dem Bauer vielleicht langsam wieder möglich, direkt von seinen Produkten zu leben, indem er gewisse Nischen füllen kann. Auch die Gastronomie ist ein wichtiger Partner, der Regionalität und die Vielfalt der Produkte fördern kann. 

    Belastungen der Umwelt sind zu zahlen wie jeder andere Kostenfaktor auch.

    Wenn wir langfristig denken, müssen wir die gesamten Zusammenhänge betrachten. Die Vision, dass 90 Prozent der verwendeten Lebensmittel in Südtirol aus Südtirol stammen, sehe ich als machbar. Dazu braucht es eine ehrliche Auseinandersetzung mit den Rahmenbedingungen. Den Ansatz der Gemeinwohlökonomie sehe ich hier als die Chance.

    Denken Sie hier an finanzielle Beiträge für gemeinwohlorientierte Betriebe?

    Ich stehe Beiträgen sehr skeptisch gegenüber, da sie im Grunde den Markt verzerren. Auch bin ich heutzutage in vielen Fällen gezwungen, jemanden dafür anzustellen, der mir das Ansuchen für den Beitrag stellt. Bis ich den Beitrag erhalte, wird ein Teil der Gelder bereits für die Zuweisung von Beiträgen verbraucht. Es ist inzwischen ein Urwald von Beiträgen entstanden, das ist nicht mehr durchschaubar. Große Unternehmen kommen damit klar, weil sie eigene Abteilungen dafür haben, aber kleinere Betriebe haben von den Beiträgen so nicht viel. Je einfacher ein Steuersystem ist, desto besser ist es. Je einfacher ein Steuersystem ist, desto schwieriger wird es, es zu hintergehen. Deswegen geht es den Deutschen, Österreichern und Schweizern diesbezüglich besser. Finanzielle Anreize sind kurzfristig wichtig, aber vielleicht können wir langfristig an einem neuen Denken arbeiten. Belastungen der Umwelt sind zu zahlen wie jeder andere Kostenfaktor auch, Umweltschutz und in der Folge unser eigener Schutz sind eine Grundvoraussetzung.

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Klemens Riegler Mer, 10/11/2023 - 23:06

Frowin, was sagt eigentlich dein Chef Unterholzner zu den letzten hier angerissenen Themen? Gemeinwohl, Bio, Verkehr, CO2 ... Nachhaltigkeit.
Ich hoffe jetzt, dass er (sollte er den Sprung noch einmal schaffen) dir dann diesbezüglich nicht komplett in den Rücken fällt.

Mer, 10/11/2023 - 23:06 Collegamento permanente
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Peter Gasser Ven, 10/13/2023 - 11:47

Zitat: „Während der Pandemie hat die Politik Entscheidungen getroffen, die auf die Einschätzung der WHO (Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen, Anmerkung d. R.) zurückzuführen sind – und damit wurden von staatlicher Seite Grundrechte der Menschen missachtet“:
das ist Ihre Meinung, Sie könnten (sollten) dies auch als subjektive Meinung kommunizieren. Meine Meinung dazu: während der Pandemie hat die staatliche Seite MEINE Grundrechte (Gesundheit) geschützt“.
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Zitat: „Damit wird die Demokratie ausgehebelt“:
Demokratie ist die Umsetzung des Mehrheitswillens, und nicht das Diktat einer kleinen Splittergruppe.
Wenn die Mehrheit auf Empfehlung der WHO etwas beschließt, ist genau DAS Demokratie. Ihr Ansatz, dass eine kleine Splittergruppe bestimmen soll, ist zutiefst undemokratisch.

Ven, 10/13/2023 - 11:47 Collegamento permanente
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Peter Gasser Ven, 10/13/2023 - 11:59

Zitat: „Der menschliche Organismus wehrt sich mit dem eigenen Immunsystem gegen ein Virus, das ist bei Corona nicht anders. Das Immunsystem braucht viel Sauerstoff, eine gesunde Ernährung, Freude und keinen Stress. Während der Pandemie wurde uns empfohlen, daheim zu bleiben und Masken zu tragen, das führt zu wenig Bewegung und schlechter Luft“:
Die Geschichte und die Tatsachen widersprechen diesem schönen Märchen: was bei Seuchen ohne Schutzmaßnahmen geschieht, kann man an der Geschichte sehen, die dieses schöne Märchen hundertfach widerlegt - aus dem Gedächtnis NUR 4 Beispiele:
- Spanische Grippe 1928-1920: 20 - 100 Millionen Opfer: Immunsystem?
- Pest 1348: 50% der damals lebenden Europäer als Opfer: Immunsystem??
- Eroberung Nordamerikas ab 1492: 90% der Ureinwohner binnen 50 Jahren durch Grippe, Pocken, Masern... verstorben: Immunsystem?
- Bergamo 2020: Immunsystem???
Man sollte schon etwas die Geschichte kennen, bevor man öffentlich Märchen erzählt.

Zitat: „Sprich unser Immunsystem ist systematisch zerstört worden“: fake news. Medizinisch absoluter Unsinn, dass hier das Immunsystem „zerstört“ wurde. Bitte gehen Sie zu einem ARZT, der wird Ihnen bestätigen, dass Ihr Immunsystem völlig intakt ist (außer man habe zuviel Pferdewurmmittel oder Chlorbleiche geschluckt).

Ven, 10/13/2023 - 11:59 Collegamento permanente