Economia | Haushalt

Ein Blick auf die Steuergerechtigkeit

Wie nachhaltig ist ein System, in dem die Steuerlast von wenigen Personen getragen wird?
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale del partner e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
Steuern
Foto: Pixabay
  • Ein genauerer Blick auf das kommende Haushaltsgesetz rückt ein zentrales Thema in den Vordergrund: die ungerechte Verteilung der Steuerlast in Italien. Mit 40,35 Prozent der Steuerzahler, die nur 1,28 Prozent des IRPEF zahlen, lastet das italienische Steuersystem auf eine immer kleiner werdende Minderheit der Bürger. Es stellt sich die Frage, ob ein solches System auf Dauer Bestand haben kann.

    Das Haushaltsgesetz für 2025 erinnert an einen bereits bekannten Film mit Maßnahmen, denen eine langfristige strategische Vision fehlt. Mit 30 Milliarden, von denen der größte Teil für Subventionen und Steuererleichterungen vorgesehen ist, bestätigt sich die Tendenz, kurzfristig auf Kosten der Zukunft zu planen. Zwischen Steuersenkungen, Prämien für Neugeborene und weiteren Zuwendungen fehlt eine Investitionsperspektive für die großen Herausforderungen unserer Zeit: die ökologische, digitale, demografische und energetische Transformation.

    Ebenso droht die strukturelle Verringerung des sogenannten „Steuerkeils“, der im Grunde genommen eine Fortsetzung der Senkung der Sozialversicherungsbeiträge ist, die Nachhaltigkeit des Rentensystems zu gefährden. Das ist nichts anderes als eine Senkung der Rentenbeiträge für Geringverdiener, um die Löhne anzuheben. Dies könnte mittelfristig unser soziales Sicherungssystem in Bedrängnis bringen und besonders die Interessen der jüngeren Generationen aushöhlen. Eines Tages müssen die fehlenden Beiträge an das INPS entrichtet werden und dann kann man Engpässe nicht ausschließen. Auch die immer wieder aufgeworfene Frage seitens der Politik, ob sich ein Land, dessen Bevölkerung schrumpft, die Renten längerfristig garantieren kann weckt wohl kaum Vertrauen in die Zukunft. Dennoch scheint die Regierung den Weg der Anhäufung von Schulden fortzusetzen, die sie allerdings auf künftige Generationen abwälzt. Daher ist eine Steuerreform erforderlich, die auf mehr Gerechtigkeit abzielt und die in der Lage ist, die geschuldeten Steuern auch einzutreiben. Nur mit den zusätzlichen Milliarden kann man den Staatshaushalt in Zukunft finanzieren.

    Die Daten des MEF über die Einkommen im Jahr 2022 zeigen hingegen eine Situation wie in der Dritten Welt und nicht wie in einem G-7-Land. 45 % der Italiener geben kein Einkommen an und nur 32,37 Millionen von 59 Millionen Bürgern zahlen mindestens 1 EUR IRPEF. 93,7% der gesamten IRPEF werden von nur 19,66 Millionen Steuerzahlern entrichtet. Die Hälfte der Bürger mit einem Einkommen von weniger als 15.000 EUR brutto pro Jahr zahlt weder Steuern noch Beiträge.

    Die 15,26 % der Bürger mit einem Einkommen von mehr als 35.000 EUR pro Jahr zahlen mehr als 63 % der IRPEF und fast 100 % der anderen direkten Steuern. Betrachtet man allerdings den Lebensstil der Italiener, wird deutlich, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem deklarierten Einkommen und dem Konsumverhalten gibt.

    Betrachtet man nur ein Grundrecht wie die Gesundheitsversorgung, so kostet das öffentliche Gesundheitswesen in Italien pro Kopf 2.221 EUR. Die 40,35 % der Steuerzahler mit niedrigem Einkommen tragen jedoch nur lächerliche 1,28 % zum IRPEF bei, was eine Lücke von mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr hinterlässt, die durch die Steuern der reicheren Steuerzahler oder durch die Staatsverschuldung geschlossen werden muss. Zählt man die Steuerpflichtigen mit einem Einkommen zwischen 15.000 und 20.000 EUR hinzu, so ergibt sich, dass etwa die Hälfte der Steuerpflichtigen nur 6,21 % des gesamten IRPEF zahlt. Mit anderen Worten, mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist im Wesentlichen teilweise vom Staat abhängig, was mittel- bis langfristig nicht tragbar ist.

    Dabei ist zu beachten, dass nicht alle Menschen tatsächlich einkommensschwach sind. Die Steuer- und Abgabenhinterziehung spielt in Italien seit Jahren eine große Rolle: 10 % des BIP werden nicht versteuert.

    Diese Ungleichheit ist nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein soziales und politisches Problem. Die Steuerlast, die sich auf eine Minderheit konzentriert, kann das Gefühl der Ungerechtigkeit schüren und diejenigen, die arbeiten und produzieren, weiter entmutigen. Der Mangel an Ressourcen wirkt sich negativ auf strategische Investitionen aus, z. B. in Technologie und Innovation, die angesichts der absehbaren internationalen Veränderungen notwendiger denn je sind. Die Verringerung der Möglichkeiten für wirtschaftliches Wachstum wird die Probleme mit der Produktivität weiter verschärfen.

    Um diesen Trend umzukehren, muss die Steuerbasis verbreitert, das Steuersystem gerechter gestaltet und die Steuerflucht eingedämmt werden. Wir müssen die zusätzlichen Mittel in Bildung, Forschung und Entwicklung und in die Förderung innovativer Unternehmen investieren. Die Sozialleistungen sind zu reformieren, mit einem besonderen Augenmerk auf eine aktive Beschäftigungspolitik und Ausbildungsmaßnahmen.  Mehr Investitionen in das Gesundheitswesen und konkrete Maßnahmen zur Bewältigung der Veralterung der Bevölkerung sind notwendig.

    Das derzeitige Modell der steuerlichen Umverteilung droht unter der Last seiner eigenen Widersprüche zusammenzubrechen. Um eine nachhaltige Zukunft zu sichern, ist es unerlässlich, sich von kurzfristigen Maßnahmen zu verabschieden und mutige Strukturreformen zur Bekämpfung der Steuerflucht durchzuführen. Nur so kann ein System geschaffen werden, das nicht nur eine kleine Minderheit von Steuerzahlern belastet, sondern Fairness und Chancen für alle gewährleistet.


    Ein Beitrag von Alfred Ebner