Economia | Off-Shore/ Teil 2

Schweizer Trust

Eine Briefkastenfirma in einer Steueroase genügt noch nicht um Besitzverhältnisse zu verschleiern. Deshalb brauchten Pohl & Co auch einen professionellen Treuhänder.

Pier Luigi Tomassi weiß wie man verdeckte Beteiligungsverhältnisse aufbaut. Es genügt nicht, dass jemand ein paar Briefkastenfirmen in einer Steueroase kauft. Wenn die wahren Besitzer damit zwar auf den ersten Blick verdeckt werden, so können eventuelle Geldflüsse doch relativ leicht nachverfolgt werden.
Um das Ganze wirklich sicher zu machen, bauen die meisten professionellen Berater in diesem Bereich ganze Schachtelsysteme von Gesellschaften auf. Die Spur kann so von Panama, nach Zypern gehen und über Liechtenstein am Ende in Südtirol landen.
Als einer der Grundvoraussetzungen einer verdeckten Beteiligung gilt neben den Briefkastenfirmen deshalb auch eine zwischengeschaltete Treuhandbeteiligung. Nur so können die wahren Besitzer langfristig im Dunkeln bleiben.Pier Luigi Tomassi, Manager der UniCredit International Bank (Luxembourg) S.A, bietet deshalb – wie Dutzende andere Banken - Gesamtlösungen an. Im Herbst 2005 kauft der UniCredit-Manager für „drei besonders wichtige Kunden“ (Email Tomassis) gleich drei Briefkastenfirmen auf der portugiesischen Atlantikinsel Madeira. Bis Ende 2011 eine zur EU gehörende Steueroase.
Die drei Kunden sind die beiden Vinschger Unternehmer Peter Paul und Siegfried Pohl, sowie ihr Trentiner Partner Marco Cozzio. Sie erwerben über Tomassi und seiner Luxemburger Bank im November 2005 die Waldron Serviços de Consultoria LDA, die Wigan Comércio Internacional LDA und Rafferty Trading Internacional LDA in Funchal auf Madeira.
Tomassi plant dabei von Beginn an, die Beteiligung noch einmal zu verschachteln. Durch eine Treuhandgesellschaft. Bereits am 24. Oktober 2005 schreibt der Luxemburger Bankfunktionär an den Leiter der Corporate Abteilung der Trentiner UniCredit Sandro Dalla Torre unter dem Betreff „operazione discussa“:



Die Mailänder „Cordusio Società Fiduciaria per Azioni“ ist einer der bekanntesten italienischen Treuhänder. Am Ende wird Cordusio in der Operation nicht zum Zug kommen. Pohl & Co entscheiden sich für einen ausländischen Treuhänder.
Die entscheidende Frage aber ist, warum wollen die Südtiroler Unternehmer ihre Beteiligungen so gut verstecken? Die Antwort darauf findet sich in den zwei Zeilen Tomassis und dem im Mail angesprochenen Fonds.

Operation Whitestone

Bereits im ersten Teil dieser Serie wurde dargestellt, wie die Sviluppo 7 GmbH eine Pohl-Cozzio-Gesellschaft den Turiner „Palazzo delle Luci“ um 24,5 Millionen Euro am 1. März 2006 an die eigene Briefkastenfirma Waldron Lda verkauft.
Es ist nur ein Nebenstrang in einer am Reißbrett geplanten wirtschaftlichen Operation an deren Ende ein Gewinn jenseits der 30-Millionen-Grenze stehen wird.
Der Hauptstrang für den die drei Briefkastenfirmen gebraucht werden, spielt sich zwischen Mailand und Bozen ab. Das Duo Pohl-Cozzio kauft zwischen 2003 und 2005 ein fast 200 Millionen Euro schweres Paket ehemaliger Enel-Immobilien. Eine erste Tranche verkauft man 2003 an die Sparim AG. Als Zwischenhändler verdienen die cleveren Privatunternehmer so rund 16 Millionen Euro in wenigen Monaten.
Doch Peter Paul Pohl und Marco Cozzio wollen die Aktion wiederholen. Diesmal mit der regionalen Pensplan Invest SGR. Auch die Pensplan will einen geschlossenen Immobilienfonds auflegen. Pohl und Cozzio mischen als Berater mit und bieten ihre Immobilien an. So wird am Ende der Fonds „Risparmio Immobiliare Uno Energia“ entstehen.
Während man bei Pensplan in Bozen auf die Genehmigung der Aufsichtsbehörden wartet, wird in Mailand ein anderer Fonds gegründet: Der „Whitestone“. In diesem geschlossenen Immobilienfonds, der den Namen nach an den Laaser Marmor erinnert, bringen Pohl und Cozzio ihre Immobilien ein. Ein Teil der Immobilien wird später von Whitestone an den Uno Energie verkauft. Die „Zwischenlagerung“ im Whitestone treibt den Preis aber in die Höhe. Innerhalb weniger Monate wird das Immobilienpaket um insgesamt 25 Millionen Euro teurer.
Es ist ein Millionengewinn, der in Wirklichkeit zur Gänze in der Familie bleibt.

Das Familiengeschäft

Der Immobilienfonds Whitestone hat insgesamt 202 Quoten zu jeweils 250.000 Euro. Offiziell halten Marco Cozzio und dessen Ehefrau Fiorenza Villi jeweils 18 Quoten, Peter Paul Pohl, dessen Ehefrau Eva Maria Tumler, sowie Siegfried Pohl und seine Frau Herta Breitenberger jeweils 9 Quoten.
Die eindeutige Mehrheit am Fonds aber halten jene drei ausländische Unternehmen, die auf Madeira beheimatet sind. Die Waldon LDA hält 65 Quoten, die Wigan LDA 33 Quoten und die Rafferty LDA 32 Quoten. Wem diese Unternehmen aber gehören, weiß lange Zeit niemand. Offiziell gehören alle drei Firmen zu 99 Prozent einem Schweizer Trust: Dem UniCredit Suisse Trust SA in Lugano.
Die Unicredit-Tochter wird im Mai 2005 in Lugano gegründet und ist eine klassische Treuhandgesellschaft. In der Leitung des Unternehmens sitzt jahrelang der Banker Giorgio D`Amico. An ihn gehen dann auch ein Teil des Schriftverkehrs zur Gründung und Verwaltung der Briefkastenfirmen von Pohl & Co.
Das Schutzschild ist wasserdicht. Denn es scheint nur der Schweizer Treuhänder auf.
Erst die Ermittlungen der Bozner Staatsanwaltschaft bringen zu Tage, wer wirklich hinter dieser Firmenkonstruktion steht.

Bei einer Durchsuchung in der Unicredit  finden die Ermittler drei Treuhandmandate nach denen, die Besitzer der Wigan LDA Peter Paul Pohl und Ehefrau sind. Die Besitzer der Rafferty LDA Siegfried Pohl und Ehefrau und der Waldron LDA Marco Cozzio und Ehefrau sind.
Damit ist der Briefkasten geöffnet.

Scheue Klienten

Anhand der sichergestellten Mails lässt sich aber auch nachvollziehen mit welchem Aufwand die UniCredit mitgeholfen hat, das Versteckspiel der drei Unternehmer umzusetzen.
Am 15. November 2005 konfrontiert Pier Luigi Tomassi den Chefmanager der Dixcart, es ist das Unternehmen, das die Briefkastenfirmen auf Madeira verkauft und betreut, mit einer „schwierigen Frage“. Es geht darum abzuklären, ob Dixcart einen Schweizer Treuhänder, die UniCredit Suisse Trust SA, als alleinigen Eigentümer der drei Firmen auf Madeira akzeptiert.
Tomassi erklärt dabei recht klar, um was es geht:

„Der Grund dafür ist die Tatsache, dass die drei Klienten (drei physische Personen, wichtige Kunden unserer Bank) ihre Identität (offiziell meine ich) nur einem einzigen Dienstleister offenlegen wollen. Nämlich UniCredit Trust Swiss, der als eine Art Generalmanager fungiert.
In anderen Worten, Ihr Klient wird UniCredit Trust Swiss sein und UniCredit Trust Swiss oder UniCredit Luxembourg wird bestätigen, dass eine Due Diligence zu den Klienten und ihrer Identität durchgeführt worden ist. Im Falle, dass amtliche Stelle eine Offenlegung fordern.“

Es ist sozusagen Plan B, sollte jemand nach den eigentlichen Besitzern forschen.
Spätestens damit wird klar, wie aktiv die Bank Peter Paul Pohl & Co zu Hand geht, wenn es darum geht ihrer Identität zu verstecken.

Blick in den Ausweis

Bereits einen Tag nach diesem Mail, kann Pier Luigi Tomassi Entwarnung geben. Dixcart akzeptiert den Schweizer Treuhänder als einzigen offiziellen Besitzer der drei Firmen. Am 22. November 2005 fliegt Dixcart-Manager John Dias nach Luxembourg um sich dort mit Tomassi zu treffen.
Was dabei passiert, klingt wie ein schlechter Witz. Denn auch das spezialisierte Unternehmen auf Madeira will und muss sich absichern. Man will die Katze nicht ganz im Sack kaufen. Deshalb einigt man sich auf einen schlechten Bauerntrick.
Der Luxemburger UniCredit-Manager legt in einem Mail einige Tage vor dem Treffen das absurde Regiebuch offen:

Dieser Vorgang macht auch deutlich wie zynisch Bankenmanager mit den Rechtsbestimmungen zur Geldwäsche umgehen.

Das Nachspiel

Die Ermittlungen gegen Peter Paul und Siegfried Pohl, sowie gegen Marco Cozzio dauern über drei Jahre. Die Beamten der Bozner Finanzwache zeichnen in ihren Berichten dabei ein erschreckendes Bild, das einen tiefen Einblick in die Welt der Südtiroler Off-Shore-Unternehmen erlaubt.
Die Ermittlung wandert dann wegen Kompetenzstreitigkeiten mehrmals zwischen Bozen und Mailand hin und her. Am Ende entscheidet die Kassation, dass die Staatsanwaltschaft Bozen zuständig ist. Oberstaatsanwalt Guido Rispoli archiviert das Verfahren 2013, weil keine strafrechtlich relevanten Tatbestände zu Tage kamen.
Die Finanzwache übermittelt die Ermittlungsberichte auch der Steueragentur. Peter Paul Pohl & Co müssen daraufhin Millionen an Steuernachzahlungen leisten.
Auch Pier Luigi Tomassis Weg endet vor Gericht. Ihm wird am Ende ein Operation in Sansibar zum Verhängnis. Der Luxemburger Banker soll einem italienischen Investor geholfen haben, dem Sohn des Präsidenten, Schmiergeld in der Höhe von 151.000 Euro zu zahlen.
Am 1. Februar 2016 stimmte Tomassi vor dem Landesgericht Mailand deshalb einem Strafvergleich von einem Jahr und zwei Monaten zu.