Società | Sozialstaat

Abgezockte RentnerInnen 

Das Thema Renten betrifft die gesamte Bevölkerung, sei es als Beitragszahler, sei es als Rentenempfänger.
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Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Diskussionen diesbezüglich niemals verebben.

Es wäre sicherlich vernünftig, sich beim sehr komplexen Thema der Renten mit den Tatsachen auseinanderzusetzen anstatt nur mit Altersarmut, Mindestrenten und Renten unter der Armutsgrenze in der öffentlichen Meinung Emotionen zu schüren, die man politisch ausschlachten kann. 

Im Gegensatz dazu zeigt die Politik hingegen wenig Interesse für jene Menschen, die die magische Grenze von 2.000 Euro brutto an Rente überschreiten. Diese sind seit jeher die Melkkühe der Nation, sie zahlen eine Menge an Steuern und viele von ihnen sind zusätzlich meist von den öffentlichen Leistungen ausgeschlossen.

Die Rentenaufwertung für 2023 und 2024 ist ein klassisches Beispiel hierfür. So kreidet kein Politiker die Tatsache an, dass Menschen mit einer Rente, die 4 Mal das Minimum überschreiten so wie eh und je als Bankomat für den Staatshaushalt herhalten müssen und dies unabhängig von der politischen Farbe der Regierung. 

Renten und Sozialleistungen werden in Italien meist in einen Topf geworfen. Und es dürfte kein Zufall sein, dass es trotz vieler Anläufe bisher nicht gelungen ist, die beiden Leistungen beim INPS getrennt zu verwalten. Nur ein paar Zahlen zum besseren Verständnis: 2021 hat das INPS insgesamt 238,271 Milliarden Euro an Renten bezahlt,13,48 % des BIP.

Dabei weisen mehrerer Rentenkassen sogar eine positive Bilanz auf. Im Großen und Ganzen ist das Rentenwesen wirtschaftlich auch mittelfristig tragbar. Angesichts solcher Daten ist die Trennung zwischen Renten und Sozialleistungen absolut notwendig, um auch internationale Vergleiche anstellen zu können.

Dem gegenüber stehen die Sozialausgaben, die sich im Zeitraum 2008–2021 von 73 Milliarden auf 144 verdoppelt haben. Dabei klingt es paradox, wenn sich laut ISTAT die Zahl der absolut Armen im selben Zeitraum von 2,11 auf 5,6 Millionen verdoppelt hat und die der relativ Armen von 6,5 auf 8,8 Millionen.

4.106.597 Renten in Italien sind reine Sozialleistungen, die ohne die notwendigen Beiträge ausbezahlt werden. Da manchmal eine Person Anrecht auf zwei Leistungen hat, verbleiben immerhin 3.704.275 Rentenempfänger, die nicht die für eine Rente vorgesehenen Sozialabgaben eingezahlt haben. Weiteres werden 7.047.365 Renten mit einer zusätzlichen Sozialleistung ausbezahlt.

Auf die Personen bezogen haben 6,2 Millionen ältere Menschen Anrecht auf derlei Leistungen. Dazu kommen noch besondere Maßnahmen aufgrund des Alters. Laut Schätzungen greift der Staat somit ungefähr 7 Millionen älteren Menschen oder 44 % der Rentner mit staatlichen Beihilfen unter die Arme. Das heißt, dass nicht alles was als Rente bezeichnet wird, auch als solche einzustufen ist.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Natürlich war es vielen Menschen aufgrund bestimmter Lebensumstände nicht möglich, die für eine Rente notwendigen Beitragsjahre zu erreichen. Auch gibt es Berufskategorien, bei denen eine niedrige Rente zum Teil vorprogrammiert ist. Italien ist aber auch ein Land, in dem viele Menschen trotz Einkommen beim Steueramt und dem Renteninstitut de facto unbekannt sind.

Beim Erreichen des Rentenalters haben aber auch Beitrags- und Steuerhinterzieher, Schwarzarbeiter usw. trotz allem Anspruch auf eine Rente, wenn auch auf eine geringe. Daher ist es verständlich, wenn prominente Politiker auch diesbezüglich auf ihre Wähler blicken und eine Anhebung der Mindestrenten auf 1.000 Euro für alle verlangen.

Dies würde allerdings für die ehrlichen Steuer- und Beitragszahler einem Schlag ins Gesicht gleichkommen. Natürlich gilt unser Einsatz weiterhin den vielen Bürgern, die sich ehrlich durchs Leben geschlagen haben und sich im Alter in einer schwierigen Lage befinden und das sind sicherlich immer noch sehr viele. 

Unser Einsatz gilt aber auch den Personen mit Renten ab 2.100 Euro. Hier handelt es sich nicht um Privilegierte, oder um Menschen, die die Rentenkassen ausbeuten. Diese Personen haben wahrscheinlich ihre Steuern und Beiträge ehrlich bezahlt und es ist nicht gerechtfertigt, sie andauernd zur Kasse zu bitten, was den Wert der Rente im Laufe der Jahre stark reduziert hat.

So auch 2023 und 2024. Aufgrund der hohen Inflationsrate bewirkt dies unverhältnismäßig hohe Einbußen. Auch summiert sich die fehlende Anpassung über die Jahre hinweg andauernd. Dabei baut die Regierung auf die relativ geringe Zahl der Betroffenen (4 Millionen) und auf das Image als Bevorzugte im italienischen Rentenwesen, die ruhig auf einen Teil ihrer Privilegien verzichten können. 

Der Verfassungsgerichtshof hat sich bereits mehrmals mit dem Thema befasst. Laut Gesetz wird die Höhe der Rente aufgrund der Beitragsleistungen und der Beitragsjahre berechnet. Das für die Anpassung angewandte System bewirkt hingegen eine progressive Annäherung der niedrigeren Renten an die höheren.

Es gibt eine ungleiche Behandlung zwischen jenen, die sich unter einer bestimmten Schwelle bewegen und jene, die sich knapp darüber befinden. Selbst eine Parlamentskommission hat darauf hingewiesen, dass besonders die beitragsbezogenen Renten ihren realen Wert beibehalten müssen und die derzeitige Form der Anpassung de facto einer Steuer gleichzusetzen ist.

Die nationale CGIL ist daher dabei, diese Situation zu beurteilen und abzuwägen, ob die Voraussetzungen gegeben sind, den Rechtsweg zu beschreiten. Eine Klage beim Verfassungsgerichtshof wäre sicherlich zu begrüßen, in der Hoffnung, dass man dieser Ungleichbehandlung endlich einen Riegel vorschiebt.

Alfred Ebner