Politica | Digitalisierung

Land als Melkkuh?

Dass in Sachen digitale Patientenakte kein Gegenangebot zu jenem der SAIM eingeholt worden sei, zeige, dass der politische Wille gesiegt hat, meint Paul Köllensperger.

“Höchste Transparenz” wollte Landesrätin Martha Stocker den Landtagsabgeordneten am heutigen Donnerstag bieten. Für den Vormittag war eine Zusammenkunft mit Vertretern des Südtiroler Sanitätsbetriebs, IT-Experten und weiteren Landesbeamten anberaumt worden, mit dem Ziel, die Abgeordneten über die Auftragsvergabe zur Neuerstellung der digitalen Patientenakte an die Südtirol Alto Adige Informatik und Medizin GmbH (SAIM) zu informieren. Veranlasst hatte diese Gegenüberstellung Paul Köllensperger. Der Landtagsabgeordnete des Movimento 5 Stelle hatte vor wenigen Monaten einen Antrag durchgebracht, in dem er gefordert hatte, dass vor der definitiven Beauftragung der SAIM eine Marktrecherche durchgeführt und ein zweites Angebot eingeholt werden sollte. Was allerdings nicht passierte. Aus welchem Grund, und wie man beim Land gedenkt, die SAIM GmbH in Zukunft zu führen, das waren die Kernpunkte der Diskussion am Donnerstag im Landtag.


Das Monopol bleibt...

Es war eine klare Forderung, die Paul Köllensperger an die Verantwortlichen bei Land und Sanitätsbetrieb gestellt hatte: Gesteht der SAIM keine Monopolstellung bei der Neuerstellung der elektronischen Patientenakte zu. Zumal man seit der Gründung des Unternehmens 2004, als die SAIM mit dem Public-Private-Partnership-Modell (PPP) ins Leben gerufen wurde, keine guten Erfahrungen damit gemacht hat. “Ich habe nie gesagt, dass man bei der digitalen Patientenakte nicht auf die SAIM setzen sollte”, präzisiert Köllensperger im Gespräch mit salto.bz, “sondern einfach, dass man sich am Markt Informationen einholen sollte, ob der Preis (um die 7 Millionen Euro, Anm.d.Red.), den man SAIM dafür bezahlt, angemessen ist”. Im Vertrag, der 2004 zwischen Land und SAIM unterzeichnet worden war – “und der die beiden Seiten bisher für 30 Jahre aneinander gebunden hat”, wie Köllensperger erinnert – stehe darüber hinaus nirgendwo geschrieben, dass keine Marktanalyse gemacht werden dürfe, so der 5-Sterne-Abgeordnete.

Im Zeitraum 2016–2018 werden insgesamt 75 Millionen Euro für die Digitalisierung des Sanitätswesens zur Verfügung gestellt: 30 Millionen Euro an Investitionskosten und 14 Millionen an laufenden Kosten jährlich. 7 bis 8 Millionen sollen für die Neuerstellung und Vereinheitlichung der digitalen Patientenakte investiert werden.

Die gesamte Führungsriege des Sanitätsbetriebs, Generaldirektor Thomas Schael inklusive, marschierte gemeinsam mit Landesbeamten von Informatik, Verwaltung und Vergabe am Donnerstag auf, laut Köllensperger, um zu erklären “warum man nicht imstande beziehungsweise nicht willens war, ein zweites Angebot einzuholen”. Mit dabei: Verwaltungsdirektor Marco Cappello, der Direktor der Abteilung Einkäufe Alessandro Amaduzzi, der Direktor der Agentur für Vergabe Thomas Mathà sowie externe Berater, darunter der Verantwortliche für e-Health in der Federsanità-ANCI Massimo Mangia. Letzterer gehört zu jenen beiden Fachleuten, die eine Fortführung der Zusammenarbeit mit SAIM empfohlen hatten. Zu langwierig, zu teuer und aus juristischer Sicht nicht unproblematisch – das waren die Begründungen der Experten, warum man sich gegen die Einholung eines zweiten Angebots entschieden habe.


... die Kritik auch

Für Paul Köllensperger keine wirklich befriedigenden Auskünfte. Zum von Mangia ins Feld geführte Argument, dass eine Marktanalyse “mehrere Monate” dauern würde, sagt der 5-Sterne-Politiker: “Es ist bereits ein sehr detailliertes Pflichtenheft für die SAIM ausgearbeitet worden. Mit diesem wäre es einfach gewesen, zu einem zweiten Betrieb zu gehen und anhand der Listenpreise einen Vergleich anzustellen. Wenn der Wille da gewesen wäre…” Das Argument, alle anderen Angebote seien zu teuer, “sei dahingestellt und bleibt zu hinterfragen”, meint Köllensperger. Und zum dritten Punkt, dass es rechtlich extrem schwierig werden könnte, ein Gegenangebot einzuholen, meint der Oppositionsvertreter: “Wie gesagt sieht der Vertrag mit SAIM nicht vor, dass keine weiteren Angebote zu Diensten eingeholt werden dürfen.”

Überall, wo Geld zu verlieren ist, setzt man auf PPP. Wo hingegen Geld zu gewinnen ist, ist keine Rede von einem PPP-Modell.
(Paul Köllensperger)


Vertragsgebundene Melkkuh?

Zur Sprache kam am Donnerstag Vormittag auch der SAIM-Vertrag und mögliche Ausstiegsszenarien. “Es gäbe mehrere Möglichkeiten dafür”, ist Köllensperger überzeugt. Der 30-jährige Vertrag sei “nicht hieb- und stichfest” und bereits des öfteren verletzt worden. So seien etwa 2004 festgelegte terminliche Fälligkeiten “bis heute” nicht eingehalten worden. Auch die am Donnerstag anwesenden Experten haben das offenbar erkannt. Die bisherigen Schwierigkeiten begründen sich laut ihnen in einer “fehlenden landesweit einheitlichen Vorgangsweise in der EDV-Politik des Südtiroler Sanitätsbetriebes”, so die Aussage. Eine “interessante”, wie Köllensperger meint: “Man hat zugegeben, dass nicht nur SAIM die Misere verschuldet hat, sondern der Sanitätsbetrieb mit Schuld hat.” “Aber”, so der Landtagsabgeordnete weiter, “wie es häufig passiert: verantwortlich gemacht wird niemand”. Im Gegenteil: “Der politische Wille, mit SAIM zusammenzuarbeiten, bleibt.” Auch die heute angekündigte Statutenänderung der Informatik-Gesellschaft bringe nichts Revolutionäres mit sich. “Die Anzahl der Verwaltungsräte wird von fünf auf drei gesenkt und die Laufzeit des Vertrags von 30 auf 20 Jahre verkürzt – was aber immer noch zu lange ist”, sagt Köllensperger.

Es wäre unternehmerisch gesünder, auch die Konkurrenz mit zu berücksichtigen.
(Paul Köllensperger)

Seine Erkenntnis nach der Berichterstattung im Landtag: “In allen PPP-Modellen fungiert das P für Public als Melkkuh.” Sprich, “überall, wo Geld zu verlieren ist, setzt man auf PPP. Wo hingegen Geld zu gewinnen ist, ist keine Rede von einem PPP-Modell.” Paul Köllensperger bleibt weiterhin überzeugt: “Es wäre intelligenter gewesen, die Trentiner EDV-Lösung zu übernehmen und eine interne Abteilung, die sich um das Informatiksystem kümmert, voranzutreiben.” Stattdessen würde das Land bei der Informatik immer öfter auf Auslagerung setzen, jüngstes Beispiel neben der Sanität auch die Landesverwaltung. “Mit der Externalisierung von Informatik-Diensten werden Kernkompetenzen externalisiert”, gibt Köllensperger zu bedenken.