Bild, Bildung, Einbildung
Die interdisziplinäre Tagung „Immagini? Immagine e Immaginazione“ am Campus Brixen der unibz hat neue Ideen, ungewohnte Ansätze und etliche Fragen zum Spannungsverhältnis zwischen Bild und Vorstellungskraft zutage gefördert.
Ziel und Herangehensweise der Tagung waren klar: „Wir wollten die Beziehung zwischen Bild und Vorstellungskraft aus den verschiedensten Blickwinkeln beleuchten und dies gelingt am besten, wenn man Fachleute unterschiedlichster Disziplinen zusammenbringt“, erklärt Alessandro Luigini, Architekt, Dozent an der Fakultät für Bildungswissenschaften der unibz und Organisator der Tagung.
Wühlarbeit im Erkenntnisberg
Was man sich vor Beginn des Events auf die Fahnen geschrieben hat, scheint gelungen, denn: Luigini wühlt sich dieser Tage durch die Ergebnisse der dreitägigen Tagung – eine nicht ganz einfache Aufgabe bei weit über 100 Rednern aus den unterschiedlichsten Teilen der Wissenschaft und der Welt. „Die Erkenntnisse, die wir in diesen drei Tagen gewonnen haben, sind äußerst vielfältig“, sagt Luigini, „weil die Beiträge aller Keynote-Speaker von ungeheurer Tiefe und Breite waren“. Was den Organisator aber am meisten freut, ist: „Aus interdisziplinärer Sicht gab es unerwartete Interaktionen zwischen Wissenschaftlern aus Bereichen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: von den Neurowissenschaften zum Grafikdesign, von der Pädagogik zur Mathematik, von der Psychologie zur Ästhetik“, so der Dozent.
Große Namen: Toscani und Elkins
Wer nun glaubt, die Tagung am Campus Brixen habe nur durch Quantität überzeugt, irrt. Neben der großen Zahl an Rednern waren auch große Namen auf der Rednerliste zu verzeichnen, jene international, auch außerhalb der Welt der Wissenschaften anerkannter Koryphäen. Oliviero Toscani etwa war in Brixen zu Gast, um sein Konzept von Bild und Vorstellungskraft zu erläutern. Er gilt nicht nur als einer der bedeutendsten Fotografen der letzten Jahrzehnte, sondern ist auch der Kopf hinter einigen der wichtigsten Werbekampagnen der Geschichte. Mit seinen Bildern für United Colors of Benetton zum Beispiel hat der Italiener die Werbewelt auf den Kopf gestellt haben. Toscani ging in seinem Referat auf die doppelte Bedeutung von Vorstellungskraft ein. So sei sie zum einen die Kunst, sich etwas vorstellen zu können, was es noch nicht gibt, zum anderen aber auch die Kunst, nur auf dem Papier bestehende Konzepte in konkrete Bilder zu fassen, erklärte der Kultfotograf.
Neben Toscani war mit James Elkins ein zweiter Redner in Brixen dabei, der weit über die akademische Welt hinaus Wellen geschlagen hat. Elkins, Bestsellerautor, Kunsthistoriker von Weltrang und Professor an der Kunsthochschule in Chicago, zeigte in seiner Video-Zuschaltung sieben Wege auf, um den Zusammenhang zwischen Bild und Vorstellungskraft zu studieren. Der ungarische Professor Andras Benedek erläuterte zudem, wie diese Erkenntnisse in ein Konzept des visuellen Lernens einfließen könnten, während der Neurowissenschaftler Pietro Pietrini analysierte, wie sich ein Konzept wie „Vorstellungskraft“ in medizinische Prozesse übersetzen lässt.
„Die Fähigkeit, in einer Gesellschaft zu leben, die auf der Produktion und dem Konsum von Bildern aufsetzt, die wiederum notwendigerweise Prozesse der Vorstellung in Gang setzen, ist aus der Bildung des Einzelnen nicht wegzudenken – in jedem Alter."
(Arch. Alessandro Luigini)
Was haben Bild und Bildung miteinander zu tun?
Bleibt die Frage, wie sich ein so weites Feld wie Bild und Vorstellungskraft in die Welt der Bildungswissenschaft übertragen lasse, warum eine solche Tagung also ausgerechnet an der Fakultät für Bildungswissenschaften organisiert werde. „Ich denke, es genügt, wenn wir auf den engen und unauslöschlichen Zusammenhang zwischen den Konzepten ,Bild‘, ,Bildung‘ und ,Einbildung‘ verweisen“, erklärt Luigini. Ein Zusammenhang, der nicht nur semantisch besteht: „Die Fähigkeit, in einer Gesellschaft zu leben, die auf der Produktion und dem Konsum von Bildern aufsetzt, die wiederum notwendigerweise Prozesse der Vorstellung in Gang setzen, ist aus der Bildung des Einzelnen nicht wegzudenken – in jedem Alter“, so der Dozent.
Wie gesagt: Noch ist man dabei, sich durch die Erkenntnisse und Ergebnisse der Tagung „Immagini? Immagine e Immaginazione“ zu wühlen, der Blick geht aber bereits nach vorn. Die Frage ist schließlich: was folgt auf die Tagung? Luigini lächelt, wenn er sagt: „Ideen gibt es viele, Ressourcen weniger.“ Man denke derzeit über drei konkrete Möglichkeiten nach. So könne man die Brixner Tagung zu einer Tagungsreihe ausbauen, Folgeveranstaltungen also alle zwei, drei Jahre organisieren. Die zweite Möglichkeit sei, eine interdisziplinäre Zeitschrift zum Thema Bild und Vorstellungskraft aus der Taufe zu heben. „Es wäre die erste ihrer Art“, sagt Luigini.
Und schließlich Möglichkeit Nummer drei: „Wir könnten uns auch mit dem großen Erfolg zufriedengeben, den wir erreicht haben, und uns einem ganz anderen Thema zuwenden“, so der Organisator der Tagung. Luigini ergänzt allerdings grinsend: „Ich fürchte, diese Option ist nicht besonders wahrscheinlich.“
von Christian Rainer
Academia, Magazine of unibz & EURAC