Das Coming-Out ist ein gesunder Akt

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Anlässlich des Internationalen Tages gegen Homo-, Bi- und Transphobie am 17. Mai macht der ehrenamtliche Verein „La Strada – Der Weg“ heute (13. Mai) im Rahmen der Pressekonferenz „Elternschaft und LGBTQ+Kinder“ auf das YOU-Projekt aufmerksam: Ein Angebot, das eine Anlaufstelle für Eltern von LGBTQ+Kindern bietet, die sich Unterstützung im Umgang mit sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität ihrer Kinder wünschen.
„Die Daten zeigen es: Der Akt des Coming-outs ist ein sehr gesunder. Es ist großartig zu sehen, dass die jungen Generationen zunehmend zu diesem Schritt fähig sind“, so Marina Bruccoleri, Verantwortliche für den Bereich Frauen und Chancengleichheit bei „La Strada – Der Weg“. Studien belegen, dass das Risiko psychischer Erkrankungen bei LGBTQ+Jugendlichen nach einem Coming-out deutlich sinkt, sofern sie auf Akzeptanz stoßen. Treffe ihr Bekenntnis hingegen auf Widerstand, beginne der schwierige Teil: Nicht nur die betroffene Person, auch ihr familiäres Umfeld werde belastet. Begleitung sei deshalb auch für Eltern essenziell. Liebe und Unterstützung aus dem familiären Kreis könnten zu einem Anker, zu einem Schutzfaktor für das psychische Wohl ihrer Kinder werden.
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Seit sechs Jahren biete das YOU-Projekt dafür einen Raum: Einzel- oder Paarberatung, vor allem aber Gruppentreffen mit einer Psychologin, „die in LGBTQIA+Fragen geschult ist“. Aktuell zählen 14 Personen zur Gruppe, neun davon nehmen regelmäßig an den Treffen teil. Jeden Dienstag von 16 bis 20 Uhr treffen sie sich im Frauenbüro am Dominikanerplatz in Bozen.
Dabei zeige sich in der Gruppe, wie entlastend Austausch sein kann. „Wenn ich ein Problem wahrnehme und es für mich behalte, erscheint es mir wie ein Berg“, erklärt Bruccoleri gegenüber SALTO. „Teile ich es mit anderen, wird dieser Berg kleiner und ich fühle mich weniger allein.“ Das Projekt verstehe sich nicht als ideologisches Angebot, sondern als pragmatische Unterstützung, mit dem Ziel, Eltern und Kinder im gegenseitigen Respekt zu stärken.
Zu Beginn seien fast nur Mütter bei den Treffen gewesen. Die Mütter seien dabei nach wie vor in der Überzahl, aber auch Väter würden sich mehr und mehr öffnen. Die Angst der Eltern sei groß, besonders dann wenn ihre Kinder deren geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung offen leben. Man fürchte Gewalt, soziale Ausgrenzung oder Belustigung. Ein Blick auf Zahlen aus dem Jahre 2022 des italienischen Statistikamts ISTAT unterstreiche diese Realität: 74 Prozent der homosexuellen Menschen hielten es aus Angst vor Übergriffen für besser, in der Öffentlichkeit nicht Händchen zu halten. 71 Prozent hätten Diskriminierung in Schule oder Universität erlebt, nicht unbedingt im Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung. -
Neue Trends – neue Herausforderungen
Auffällig sei zudem die wachsende Zahl an Anfragen von Eltern, deren Kinder sich in einer geschlechtlichen Transition befinden, vorwiegend junge Menschen, die vom weiblichen ins männliche Geschlecht übergehen. Damit widerspreche die Realität dem althergebrachten Bild des „klassischen“ Transgender-Weges vom Mann zur Frau.
Zugleich gebe es inzwischen deutlich weniger Anfragen im Zusammenhang mit Homosexualität oder mit nichtbinären Identitäten. Das deute man positiv: Eltern hätten offenbar immer weniger Probleme damit, einen schwulen Sohn oder eine lesbische Tochter zu akzeptieren.Transitionen würden häufig tiefere Ängste auslösen, auch, weil irreversible medizinische Eingriffe im Raum stehen. Gerade deshalb sei es wichtig, Eltern nicht mit ihren Sorgen allein zu lassen.
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Aufgeschlossene Eltern, alte Muster
Als das Projekt YOU 2018 startete, habe man mit Ablehnung gerechnet, etwa von Eltern, die etwa Homosexualität als Krankheit ansehen würden. Stattdessen seien viele Ratsuchende offen und bereit, dazuzulernen – aber auch verunsichert. „Sie spüren, dass ihr bisheriges Weltbild nicht mehr reicht – und suchen Hilfe, um ihr Kind zu unterstützen.“, so Bruccoleri.
Schwieriger sei es hingegen, jene Eltern zu erreichen, die offen diskriminierend oder gewaltvoll agieren – psychologisch oder sozial. Während es zahlreiche Angebote für queere Jugendliche gebe, fehle es an Strukturen für ihre Familien. Und gerade die ältere Elterngeneration sei oft noch stark vom patriarchalen Modell geprägt, was die Akzeptanz von Geschlechtervielfalt erschwere, nicht selten auch durch religiöse Prägungen. -
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