Società | Spielsucht

Bitte keine Rubellose zum Geburtstag

Die Spielsucht bleibt ein Problem in Südtirol. Und riskiert es angesichts der digitalen Abhängigkeit vieler Jugendlicher auch weiterhin zu bleiben.
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Foto: upi

Spielautomaten, Rubellose, Lotto oder Casino: Es gibt viele Möglichkeiten, sich dem Kick des Gücksspiels und der Hoffnung auf ein den großen Gewinn hinzugeben. Vor allem seit der Ära Berlusconi haben die Möglichkeiten dafür in Italien übermäßig zugenommen, wurde am Montag auf einer Tagung zum Thema Spielsucht in der Eurac unterstrichen. Auch deshalb dürfte die Zahl der krankhaft Spielsüchtigen in Südtirol mit 1,4 Prozent der Bevölkerung oder mehr als 7000 Menschen ein Stück über dem deutschsprachigen Ausland liegen, von wo Durchschnittswerte von 0,8 Prozent gemeldet werden. Rechnet man auch Hochrisikopatienten oder Spieler dazu, die aufgrund ihres Verhaltens Gefahr laufen, solche Abhängigkeiten zu entwickeln, steigt die Zahl auf vier Prozent der Bevölkerung. Zahlen, die sich auch im Therapiezentrum in Bad Bachgart widerspiegeln. „In den letzten sechseinhalb Jahren haben wir über 200 Spieler stationär behandelt“, sagt Direktor Helmut Zingerle. „In den Jahren von 2001 bis 2010 waren es dagegen noch 65.“

Die beste Möglichkeit, die Spielsucht zu bekämpfen, besteht in der Reduktion der Verfügbarkeit, war man sich auch auf der vom Gesundheitsministerium in allen Regionen Italiens organisierten Tagung einig. In Südtirol sei der Zeitraum, in dem Einschränkungen für Glücksspielbetreiber gelten, noch zu kurz, um valide Aussagen über deren Wirkung zu treffen, sagt Zingerle.  „Doch die  Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen deutlich, dass die Zahl der Betroffenen zurückgegangen ist oder zumindest stagniert, wenn die Verfügbarkeit eingeschränkt wird.“ Wichtig ist es laut dem Direktor des Therapiezentrums Bad Bachgart auch, der Bevölkerung immer wieder die Gefahren und Konsequenzen von Spielsucht vor Augen zu führen. „Dazu gehört zum Beispiel auch die Einsicht, dass es keine kluge Idee ist, Kindern Rubellose zum Geburtstag zu schenken“, warnt Zingerle. Denn durch die Aktivierung des Belohnungszentrums würden gerade in einem sich entwickelnden Gehirn sehr früh Spuren gelegt, die eine stärkere Tendenz für spätere Abhängigkeiten und Süchte schaffen könnten.

Kinder und Jugendliche früh schützen

Die neurobiologischen Erkenntnisse zu Abhängigkeitserkrankungen und pathologischer Spielsucht führen auch dazu, dass auf dem Kongress am Montag einmal mehr die Notwendigkeit unterstrichen wurde, mehr Kinder und Jugendliche zu tun. Gerade angesichts der starken Nutzung digitaler Medien und des damit verbundenen erhöhten Aktivierungsniveaus drohen der nachkommenden Generation im Erwachsenenalter Probleme, deren Umfang heute noch nicht einmal vollständig abzuschätzen ist, warnt Helmut Zingerle. „Eine klare Forderung vieler Experten war deshalb auch für einen frühen Schutz von Kindern und Jugendlichen zu sorgen, um der digitalen Demenz vorzubeugen, wie sie ein Kollege aus Deutschland nannte.“

Nützlich beim Umgang mit handysüchtigen Jugendlichen können dabei auch die generellen Behandlungsmöglichkeiten von Spielsucht sein. „Man muss davon ausgehen, dass eine Sucht davon gekennzeichnet ist, dass ein bestimmtes Verhalten oder Mittel zum wichtigsten in meinem Leben wird, dem ich alles andere unterordne“, erklärt Zingerle.  Eine Therapie müsse deshalb darauf abzielen, dass auch andere Dinge im eigenen Leben wieder mehr Wert und Wichtigkeit erhalten. „Es geht dabei um ein Umlernen, um das Schaffen neuer Bahnen im Gehirn, die  zum Erleben führen, dass es attraktive Alternativen dazu gibt, 10 Stunden vor einem Spielautomaten zu verbringen.“

Wie Helmut Zingerle auch in Bad Bachgart erlebt, ist eine Spielsucht häufig mit weiteren psychischen oder psychiatrischen Problemen wie Angststörungen oder Depressionen verbunden. „Manchmal ist es schwierig auseinanderzuhalten, ob die Spielsucht nur eine unglücklich gewählte Strategie ist, um besser mit einer inneren Leere zurechtzukommen oder vielmehr das Spiel irgendwann zu Depression und Verzweiflung führt.“