Wipptaler Widerstand
Wenn Karl Polig am Montag Nachmittag bei der SVP-Parteileitung seine Ergebnisse der Mitgliederversammlung präsentiert, ist der Wipptaler Bezirkschef und Ratschingser Gemeindereferent gewissermaßen der Musterschüler unter den SVP-Bezirksobmännern. 2300 Parteikartln gibt es im kleinsten SVP-Bezirk – rund 300 sind nun nicht mehr erneuert worden. Damit stehen die Wipptaler besser da als die meisten anderen SVP-Bezirke, aus denen Einbrüche von bis zu 40 Prozent gemeldet werden. „Wir sind ja eigentlich auch sehr loyale Parteisoldaten“, sagt Karl Polig. Eigentlich, das galt bis zur Vorstellung der Reformpläne für Südtirols Gesundheitswesen. Denn spätestens seit Martha Stocker und ihr Team am vergangenen Donnerstag nach Sterzing anreisten, ist für Polig klar: „Heute würde die Mitgliedersammlung ganz anders ausfallen.“
Auch die Wipptaler machen sich für ihr Krankenhaus stark – und aus keinem der betroffenen Bezirke weht der Partei ein so entschlossener und heftiger Widerstand gegen die Reformpläne entgegen wie aus Sterzing und Umgebung. Gut ein Sechstel der Wipptaler mobilisierte sich am Donnerstag Abend in der weit größten aller drei Mahnwachen für die Bezirkskrankenhäuser gegen die Schließung der Sterzinger Geburtenstation und die Umwandlung der Chirurgie in ein Day Hospital. Zum Verdruss von Gesundheitslandesrätin Martha Stocker, die am Abend drauf gemeinsam mit Parteiobmann Philipp Achammer gleich noch einmal für ein klärendes Gespräch nach Sterzing zurückkehrte. Doch auch dort traf sie auf einen geschlossenen Bezirksausschuss, wie Sterzing Bürgermeister Fritz Karl Messner unterstreicht. „Wir sind hier alle derselben Meinung“, sagt er. „In solch einer wichtigen Angelegenheit soll man sich vor das Volk stellen und nicht daneben.“
"Sollen Kinder im Auto auf die Welt kommen und Schwerverletze sterben?"
Ein Engagement, das Sterzings Bürgermeister jedoch immer weiter von der Parteiräson zu entfernen scheint. Während sein Partei- und Regierungskollege Hermann Gögl aus Protest bereits sein Parteikartl zurückgab, fährt Messner die Strategie der starken Worte - die vielleicht nicht dem entspricht, was sich Parteiobmann Philipp Achammer unter einer sachlichen Diskussion vorstellt. "Wenn die Chirurgie in Sterzing heruntergefahren wird, gefährdet das auch die Anästhesie und damit die Notaufnahme, sagt Messner beispielsweise. „Angesichts der häufigen stundenlagen Staus auf der A22 Richtung Brixen riskieren wir, dass Kinder im Auto auf die Welt kommen und Schwerverletze auf der Strecke streben, wenn bei Regen kein Hubschraubereinsatz möglich ist.“ Doch auch jenseits solch drastischer Bilder gibt es für den Sterzinger Bürgermeister keinen Grund, etwas, „das bestens funktioniert und optimale Patienten- und Gebärendenzufriedenheit vorweisen kann, zu schließen.“
Solch entschlossener Widerstand irritiert nicht nur die Gesundheitslandesrätin, sondern auch so manchen Parteikollegen. „Vom Verantwortlichen einer Stadt erwarte ich mir ein anderes Verhalten“, erklärte der Pusterer Bezirksobmann Albert Wurzer im Alto Adige. „Wenn es ein Problem gibt, sollte es angegangen werden ohne zu sehr an die Gemeinderatswahlen zu denken.“ Oder mischt sich in diese ganze Polemik auch die Verführung bestimmter Personen, eine Bürgerliste zu gründen, fragt der scheidende Pusterer Bezirkschef.
Offene Kandidatur
Fritz Karl Messner jedenfalls fühlt sich nicht verführt. „Das ist kein Kampf aus Eitelkeit, sondern aus tiefster Überzeugung“, meint er. Seit den Achtziger Jahren habe er sich für das Krankenhaus Sterzing eingesetzt – „und jeder, der meinen Einsatz für die Grundversorgung kennt, weiß, dass er nur ein Zufall ist, dass im nächsten Jahr Wahlen anstehen.“ Ob er dort überhaupt erneut als Bürgermeisterkandidat antritt, hat Messner bislang noch nicht entschieden. Einmal dürfte er in jedem Fall noch. „Ob ich die Möglichkeit nutze, werde ich zu gegebener Zeit sagen – auch nachdem ich mich umgehört habe, ob es überhaupt gewünscht ist.“
"Es gibt viele Wege zu sparen"
Vorerst sammelt er – ob gewollt oder zufällig – in jedem Fall Punkte bei den BürgerInnen. Bei der Gesundheitslanderätin haben die Wipptaler nun alle für Sterzing relevanten Daten der vergangenen drei Jahre eingefordert. Auf der Basis wollen sie dann gemeinsam mit Ärzten und Verwaltungsmitarbeitern Gegenvorschläge zur Schließung bzw. dem Herunterfahren einzelner Abteilungen machen. „Es gibt viele Wege, das anvisierte Sparziel von 50 Millionen Euro zu erreichen“, ist Fritz Karl Messner überzeugt. Und, wie auch in der Vergangenheit bewiesen worden sei, gebe es auch mehrere Möglichkeiten mit römischen Rahmenvorhaben umzugehen. „Sei es durch Ausnahmebestimmungen für Südtirol oder – wie in der Vergangenheit – mit einem eigenen Gesetz, das der Staat dann eben anfechten soll.“ Hauptsache, die Leistungen des Sterzinger Krankenhaus bleiben erhalten. Denn, wie der Sterzinger Bürgermeister sagt: „Man kann nicht immer von einer Stärkung der Peripherie und kleinen Kreisläufen sprechen und wenn es darauf ankommt, genau dort zu sparen beginnen.“