Società | Bergsteigen

Duo am Kantsch

Nives Meroi und Romano Benet im Gespräch.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale del partner e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
Endlich am Gipfel
Foto: ©Meroi, Benet

Artikel von Ingrid Beikircher, Ulla Walder
Beitrag in Zusammenarbeit mit dem Alpenverein Südtirol
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Der Name Nives Meroi ist verknüpft mit dem Frauen-Wettstreit der ersten Frau auf allen Achttausendern. Der Kangchendzönga, wäre Merois 12. der 14 Höchsten gewesen, sie gab aber kurz unterm Gipfel auf, nachdem ihr Mann Romano Benet gesundheitliche Probleme verspürt hatte. „Ich lasse dich nicht allein“, sagte sie zu ihrem Mann.
Romanos Krankheit sollte sich aufgrund einer Knochenmarkaplasie als lebensbedrohlich erweisen. Nach zwei Knochenmarktransplantationen, zwei Hüftoperationen und fünf Jahren, stand er 2014 erneut am Kangchendzönga, mit Nives diesmal am Gipfel. Den jungen Mann, einen Deutschen, der das Knochenmark gespendet hat, kennt Romano nicht. Im Mai 2016 gelang ihnen der Makalu. Nur der Annapurna fehlt den Beiden noch im Reigen der Großen, die sie alle ohne zusätzlichen Sauerstoff bestiegen. Beim International Mountain Summit in Brixen sprachen wir mit Nives und Romano aus Fusine Laghi im Tarvis.
 

Romano, was empfandest du 2009 am Kantsch, als Nives deinetwegen ihre Chance vergab, Alpingeschichte zu schreiben?
Romano: Es tat mir unsagbar leid, weil ich in dem Moment nicht wusste, wie schwerkrank ich eigentlich war. Das Weitergehen zum Gipfel alleine wäre für Nives möglich gewesen. Wir haben alle hohen Berge gemeinsam bestiegen, somit war für sie die Entscheidung klar. Spätestens nach meiner Diagnose hat sich das alles relativiert.

 

Welche Frau ist für dich die Achttausenderkönigin?
Nives: Gerlinde Kaltenbrunner hat alle Achttausender ohne zusätzlichen Sauerstoff bestiegen. Am ganzen Rummel stört mich am meisten aber dies: Wir Frauen hätten die Chance gehabt, neue Akzente im Höhenbergsteigen zu setzen im Vergleich zu den Männern. Stattdessen sind auch wir dem Wettkampfrausch, der Rekordsucht verfallen. Wir hätten die Performance im weiblichen Sinne, mit der Weisheit des Herzens begreifen sollen, egal  was diese Zeit von ihren Idolen will. Leider wurde diese Chance einer neuen Interpretation, vertan: den Berg als Möglichkeit zu sehen und nicht als Mittel zum Zweck.

 

Wie seht ihr das Höhenbergsteigen mit dem Einsatz von zusätzlichem Sauerstoff?
N: Das ist wie Tauchen entweder mit Schnorchel oder mit Sauerstoffflasche. Jeder bilde sich seine Meinung.
R.: Die Menge der Sauerstoffzufuhr am Berg kann je nach Bedarf gesteuert werden. Meine Interpretation ist, dass ein Berg dadurch bis zu 2.000 Höhenmeter „verliert“. Die großen Probleme für den menschlichen Körper beginnen aber erst ab 6.000 Metern Höhe, abgesehen von den jeweils technischen am Berg. Für mich zählt ein Gipfel mit zusätzlichem Sauerstoff soviel, wie wenn ich ihn mit der Seilbahn oder dem Hubschrauber erreiche. Die physische und psychische Belastung ist eine ganz andere. Neben dem ethischen Diskurs ist es ganz einfach ein reeller, physiologischer. 

 

 

Ihr plädiert für einen puren Alpinismus, was meint ihr damit?
N.:
Für uns ist Alpinismus eine Spielform, wie sie Kinder haben. Eine Art des Experimentierens und Erforschens der Umwelt und sich selbst. Es gilt, die eigene Kraft, die eigene Erfahrung einzubringen ohne andere zu gefährden. Allein auf die physische wie psychische Autarkie bedacht sein, ist unsere Devise, im bewussten Umgang mit der Gefahr. Es ist eine offene Begegnung: der Berg und wir.  

 

Wie war die Vorbereitung zu eurem ersten Achttausender?
R.: Es gab kaum eine. Wir sind direkt von unseren Hausbergen in den Julischen Alpen zum K2 gestartet. Der Einladung 1994 folgten wir, ohne uns groß Gedanken zu machen. Immerhin kamen wir bei unserem ersten Versuch bis auf 8.450 Meter. Unsere Berggeschichten sind voll von Gipfelverfehlungen und Scheitern, daraus haben wir gelernt. Das Leben ist gemacht aus Höhen und Tiefen. Der Mensch ist die Synthese beider Seiten dieser Medaille.

 

Was verspürt ihr am Gipfel? 
N.:
. Ich will keine Siegespose vermitteln, keinen Gipfel bezwingen. Der Berg gibt mir die „Erlaubnis“, seinen Gipfel zu besteigen und ich verspüre eine friedvolle Einheit mit mir, mit dem Berg, mit dem Universum. Beim Höhenbergsteigen erfahre ich eine spezielle Faszination durch die Langsamkeit des Steigens, das Insichgehen, das Durchhalten und das Hineinhorchen müssen in den Körper.

R.: Es ist, als ob du eine Batterie auflädst. Der Berg gibt dir Kraft.
 

 

Was gibt euch Sicherheit am Berg?
N.:
Bergsteigen ist die Kunst des richtigen Augenblicks. Das beinhaltet die richtige objektive und subjektive Einschätzung. Und eben diesen Augenblick zu erfassen, auch wenn er Rückzug bedeutet, und das Scheitern nicht als Schande zu sehen. Je schneller man das lernt, umso sicherer ist man unterwegs.

 

Wie ist deine Akzeptanz als Frau?
N.: Bereits bei meiner ersten Expedition zum K2 war ich die einzige Frau und wurde voll akzeptiert. Nur von außen betitelte man mich als Dekoration des Teams. Denn trotz meines Bergcurriculums, das höher war als das mancher Kollegen, hieß es: „Du hältst am Berg die Männer nur auf.“ Auch wenn sich in den letzten Jahren viel geändert hat, schwirrt noch in einigen Köpfen, dass der Frau am Berg geholfen oder ihr Gepäck abgenommen werden muss. Die Leistung eines Mannes wird immer höher eingeschätzt.
R.: Männer sind im Vergleich zu Frauen physisch zwar stärker, wenn es aber zu Grenzsituationen kommt, fallen sie um wie die Kegel, es wird ihnen schlecht oder sie kapitulieren. Da ist die Frau psychisch weit stärker, hat mehr Durchhaltekraft und ist leidensfähiger.


Romano, du nennst deine Krankheit den 15. Achttausender…
R.: Es war mein schwierigster „Berg“. Nach dieser Krankheit erschüttert mich nichts mehr. Oft wird gesagt, die Krankheit lehre einen etwas. Das ist Quatsch. Ich habe daraus nichts gelernt, es war ganz einfach nur furchtbar.

 

Wie empfandet ihr den Kantsch nach Romanos Genesung?
N.: Auch wenn wir immer gemeinsam auf den Achttausendern standen, waren die früheren Gipfel irgendwie meine, weil sie mit dem Frauenwettlauf verbunden waren. Der Kantsch und der Makalu hingegen sind Romanos Gipfel, seines neuen Lebens. Unsere Pläne sind kleiner geworden, unsere Träume immer noch riesengroß.
R.: Rein technisch war der Kantsch sehr hart, die letzten 1.000 Meter ohne Fixseile. Obwohl wir ganz allein am Gipfel standen, waren wir zu dritt. Mit mir in Gedanken war der junge Mann, der mir das Knochenmark gespendet hat. Ohne ihn wäre ich jetzt nicht hier. Mit Nives noch viele Berge besteigen zu können, ist mein großer Wunsch. Es ist mir klar, dass mit dem Alter die Ziele immer mehr zu Hügelchen werden, aber die Passion sollte immer dieselbe bleiben.