Società | In Gedenken

„Ein ökologischer Vordenker“

Der deutsche Soziologe und Kurator der Toblacher Gespräche Karl-Ludwig Schibel ist kürzlich verstorben. Ein Nachruf von David Hofmann, Wolfgang Sachs und Hans Schmieder.
Karl-Ludwig Schibel
Foto: Ulrike Rehmann
  • Am 4. April in den frühen Morgenstunden hat uns Karl-Ludwig Schibel nach schwerer Krankheit verlassen. Seit 2010 hat er gemeinsam mit Wolfgang Sachs die Toblacher Gespräche kuratiert und gestaltet. Damit hat er einen besonderen Beitrag für den ökosozialen Geist in Südtirol und darüber hinaus geleistet. Wir sind erschüttert und trauern um ihn.

    Karl-Ludwig war ein ökologischer Vordenker mit konkretem Gestaltungswillen, der viele Menschen in Italien und in Deutschland beflügelt hat. Er hat Soziologie in Frankfurt unter anderem bei Theodor Adorno studiert, um dann selbst an der Goethe-Universität in den 70er Jahren als Dozent für soziale Ökologie zu wirken. In diesen Jahren war er Autor (gemeinsam mit Bernd Leineweber) von “Die Revolution ist vorbei-wir haben gesiegt: die community-Bewegung. Zur Organisationsfrage der Neuen Linken in den USA und der BRD” und dann als Praktiker war er unter den Gründern einer Landkommune in Niederbayern und später ab 1981 in den Bergen von Umbrien.

    Ab 1988 bis 2005 richtete Karl-Ludwig die “Fiera delle Utopie Concrete” in Città di Castello aus, die er gemeinsam mit Alexander Langer gegründet hatte. Diese Messe war ein Verschnitt aus Vortrag, Laboratorium, Theater und Musik, der seinesgleichen nicht gefunden hat. Auch war Karl-Ludwig langjähriges Vorstandsmitglied des Internationalen Klima-Bündnis der Kommunen und italienweiter Nationalkoordinator des Bündnisses. Im Jahr 2005 erschien der Sammelband “Le città contro l’effetto serra”, den er gemeinsam mit Silvia Zamboni herausgab. In diesem Zusammenhang war er zu Vorträgen und Beratung von Kommunen und Betrieben unterwegs, u.a. als Kolumnist „Life Style“ der Zeitschrift „QualEnergia“ und „Le buone pratiche” in der Zeitschrift l’Altrapagina.

    Als Kurator der Toblacher Gespräche war er unersetzlich. Jedes Mal, als bei den Tagungen leise Nervosität ausbrach, war er ein Fels, der die Unruhe glättete. In der Vorbereitung der Gespräche war er unentbehrlich mit seiner Kenntnis der ökologischen Szene in Italien, Deutschland und in Europa. Er führte die Korrespondenz mit den Referenten, er schaltete sich ein, wenn die Rädern der Organisation nicht geräuschlos liefen, und er zerbrach sich den Kopf, wann immer das Konzept einer Tagung wackelig wurde. Wieviele Sitzungen des Wissenschaftlichen Beirats brachte er, der hagere Intellektuelle mit beträchtlicher Routine bei Gruppentreffen, durch Beharrung, Überblick und Eleganz zu Ende? Und seine Moderation der Tagungen! Wie bestechend waren seine Einführungen, wie gewandt waren die Übergänge zwischen den Referaten, wie deutsch war sein Streben nach Pünktlichkeit, wie italienisch war seine Improvisationskraft!

    Karl-Ludwig wird uns fehlen, nicht nur in Toblach, sondern auch in Piaggia sowie in Città di Castello, in Deutschland und Europa. Wir können das Loch, das er uns hinterlassen hat, nur wettmachen, indem wir sein Andenken in Wort und Tat wahren. Wie war das Motto von Václav Havel, mit dem wir die letzten Toblacher Gespräche mit dem Titel „Hoffnung wider alle Hoffnung“ eingeleitet haben: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn macht – egal wie es ausgeht“.

  • Karl-Ludwig Schibel

    Der deutsche Soziologe Karl-Ludwig Schibel (18.9.1945 – 4.4.2025) ist kürzlich in Umbrien verstorben. Schibel war von 1970 bis Anfang der 1990er Jahre Professor für Sozialökologie am Fachbereich Soziologie der Universität Frankfurt. Er lebte 43 Jahre lang in Umbrien, in Montegabbione (Terni), in Utopiaggia, einer „intentionalen Gemeinschaft“, deren Mitbegründer er war. 

    Hinweis: Der Artikel wurde am 16. April 2025 aktualisiert.

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