Ambiente | Konferenz Unibz

Extreme Wetterereignisse und Adaptation

Am 16. und 17. Dezember wird an der Unibz im Rahmen einer Konferenz über Extremwetterereignisse im südöstlichen Alpenraum diskutiert - Camilla Wellstein, Dozentin an der Fakultät für Agrar-, Umwelt- und Lebensmittelwissenschaften, erläutert Ablauf und Themen.
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Foto: Di Valerio Riccardo
  • SALTO: Am 16. und 17. Dezember findet an der Freien Universität Bozen eine Konferenz zum Thema extreme Wetterphänomene und Adaptation in den südöstlichen Alpen statt - wie ist die Konferenz strukturiert, welche Themen werden aufgegriffen?

    Camilla Wellstein: Im Zuge der globalen Erwärmung haben wir generell mehr Energie in der Atmosphäre und das führt dazu, dass wir tendenziell auch mehr extreme Wetterereignisse haben. Diese meteorologischen Extremereignisse wirken sich dementsprechend auf die verschiedenen Ökosysteme und auf die menschliche Gesellschaft aus. Um dem in Zukunft besser zu begegnen, ist es nötig, dass wir interdisziplinär und institutionsübergreifend auf diese Phänomene schauen und uns mit verschiedenen Akteuren gut vernetzen, beispielsweise Wissenschaft, Abteilungen der Provinz und Krisenmanagement. Im Zuge der Konferenz selber schauen wir uns zunächst an, was in der jüngsten Vergangenheit passiert ist, was Einfluss und Auswirkungen von extremen Wetterereignissen angeht. Wir haben Gäste aus der Schweiz, Deutschland, Österreich und Italien eingeladen, und Wissenschaftler:innen aus Südtirol, von der Unibz und der EURAC, werden uns über ihre Forschung berichten – es geht darum, wie sich solche extremen Wetterereignisse auf die Hydrologie, auf die Flusssysteme, auf die Wälder und auf Ökosysteme insgesamt ausgewirkt haben und mit welchen Methoden die Forschung diese Auswirkungen studieren kann. Das Ziel ist dabei, Erkenntnisse über eine bessere Anpassung an extreme Wetterereignisse zu gewinnen, ausgehend von Phänomenen, die wir in der jüngsten Vergangenheit erlebt haben.

    Die Konferenz beginnt am Montag, 16. Dezember, um 14 Uhr, und am Dienstag widmen wir dem Thema den ganzen Vormittag. Für den zweiten Teil der Konferenz haben wir Meteorolog:innen eingeladen, Harald Kunstmann von der Universität Augsburg, Lorenzo Giovannini von der Universität Trento, und Eleonora Dallan von der Universität Padova, sowie Günther Geier vom Amt für Meteorologie und Lawinenwarnung der Provinz Südtirol. Die Session geht anschließend mit zwei Kollegen aus Österreich weiter, Georg Mayr von der Universität Innsbruck und Georg Pistotnik von der Bundesanstalt GeoSphere – es geht darum, dass uns die Meteorolog:innen erklären, wie sie Extremereignisse vorhersagen und modellieren können. Konkret thematisieren wir Phänomene wie Dürreereignisse, Hitzewellen, Extremniederschläge, Stürme und Gewitter. Außerdem werden auch die Messtechniken in den Fokus gerückt. Wir haben dementsprechend ein neues Radar am Gantkofel, und es ist auch für die Meteorolog:innen selbst interessant, sich international auszutauschen. Wir müssen von ihnen lernen, was sie phänomenologisch greifen können, und welche Visionen sie haben, um die neusten Möglichkeiten besser nutzen zu können, bevor uns die extremen Wetterphänomene direkt treffen.

    Ich habe den Eindruck, dass die Phänomene manchmal auch so schnell sind, dass niemand damit gerechnet hat – teilweise wurden sie vorhergesagt, andernfalls ist da vielleicht noch Spielraum. Der Mensch ist durch seine Erfahrung geprägt, und es könnte sein, dass etwas außerhalb unseres persönlichen Erfahrungsraums auf uns zu kommt, und wir brauchen neuen Input, um den Ereignissen besser zu begegnen. Um das Ganze auch schon in Richtung Umsetzung zu bringen, haben wir noch eine kleine Session zum Impact Management geplant, also zum Management der Auswirkungen der Extremereignisse; wir stellen uns etwa die Frage, wie in der Provinz Bozen von Seiten der Ämter und der Wissenschaft mit dem hydrologischen Risiko umgegangen wurde, welche Auswirkungen es auf die Waldökosysteme gegeben hat und welche neuen Perspektiven wir daraus ableiten. Ein weiteres Highlight der Konferenz ist der runde Tisch am Dienstag um 12:45 Uhr, wo wir im Rahmen einer Diskussion die relevanten Ämter der Provinzen Südtirol und Trentino eingeladen haben, um gemeinsam mit dem ehemaligen Forstdirektor der Provinz Bozen Mario Broll zu diskutieren, was wir nun mit diesem Wissen, etwa dem, das uns von den Meteorolog:innen zur Verfügung gestellt wurde, in die Wege leiten können, auch im Hinblick auf eine bessere Anpassung. Dabei untersuchen wir auch, wie das Management von Seiten der Ämter erlebt wurde, was es da für Fragen, Anforderungen und Ideen gibt, also wie wir alle effektiv zusammenarbeiten können. Mit dabei ist das Landeswarnzentrum der Provinz Bozen, sowie das Amt für Forstplanung, das Amt für Geologie, und aus dem Trentino nimmt das Amt für Vorhersage und Planung and der Konferenz teil, wie auch der Professor für Atmosphärenphysik der Universität Trento, Dino Zardi. Aus der Schweiz haben wir Nadine Salzmann eingeladen, die am SLF Schnee- und Lawinenforschungsinstitut die Forschungseinheit Alpine Umwelt und Naturgefahren leitet. Abschließend werde ich eine Zusammenfassung der Erkenntnisse präsentieren, und ich denke, dass wir eventuell noch eine weitere Plattform anbieten können, wenn im Anschluss and die Konferenz noch etwas weiterdiskutiert werden soll.

  • Camilla Wellstein, Dozentin an der Fakultät für Agrar-, Umwelt- und Lebensmittelwissenschaften der Freien Universität Bozen Foto: Camilla Wellstein
  • In den letzten Jahren haben sich extreme Wetterphänomene in unserem Alpenraum vermehrt - was führt dazu? 

    Grundsätzlich muss man sagen, dass es auch in der Vergangenheit, sowohl in der vorindustriellen Zeit, also bevor der anthropogene Anteil des Klimawandels relevant wurde, als auch in der geologischen Vergangenheit der Erdgeschichte, extreme Wetterphänomene gab. Man kann also meist nicht genau zuordnen, welches konkrete Extremwetterereignis durch die menschliche  Aktivität und die resultierenden Treibhausgase entstand, und welches natürlich vorkommt, oder beides – wir können nur Tendenzen aufzeigen, die darauf hinweisen, dass wir in diesem Jahrhundert und darüber hinaus definitiv ein Problem der Erwärmung und der vermehrten Extremwetterereignisse haben. Was auf den Alpenraum zukommt, ist durch die höhere Erwärmung als im europäischen Durchschnitt eine Veränderung der Schneebedeckung, denn wenn es wärmer ist, fällt Regen statt Schnee, die Schneedecke ist geringer oder gar nicht ausgebildet, und im Frühjahr schmilzt sie früher - das heißt, es gibt auch weniger Wasserspeicher in den Alpen. Die Schigebiete haben sich bislang schon mit der Produktion von technischem Schnee angepasst, aber der Trend geht jetzt so weiter. Wir denken auch an die Landwirtschaft, die von der Wasserverfügbarkeit abhängt, wie wir Menschen auch direkt – wir haben das Glück, in einer Zone mit Gebirge zu leben, wo die Wasserressourcen besser garantiert sind als an Orten ohne Gebirge. Insgesamt bleibt die Regenmenge pro Jahr ähnlich, aber die Extreme verteilen sich. Es fällt also mehr Regen auf einmal und danach gibt es für längere Zeit Dürreperioden. Teilweise kommen die Ökosysteme und die Landwirtschaft schon an ihre Grenze, wie wir italienweit oder europaweit bereits miterlebt haben.

    Auch was die Stürme angeht, sind intensivere Perioden bemerkenswert: In Südtirol ist beispielsweise die sogenannte Südstaulage typisch, praktisch bewegen sich die Luftmassen bei einer gewissen atmosphärischen Konstellation von Süden nach Norden. Dabei bewegt sich der starke Wind normalerweise weit oben und lässt sich in den tiefen Lagen nicht bemerken. Aber im Oktober 2018 etwa kam es mit dem Sturm Vaia zu einer besonderen Konstellation, in der auch Gewitterzellen eingelagert waren. Durch diese Labilisierung, welche die Gewitter in der Atmosphäre verursachte, kam der Wind aus der Höhe an verschiedenen Stellen weiter nach unten und traf in den tieferen Lagen auf die Erdoberfläche und die Berghänge auf. Dort wurden zahlreiche Bäume umgeweht, weil die Windstärke ihre Stabilität überschritten hat. Praktisch gab es also neue Windrekorde für diese Höhenlage, wobei die Windstärke für höhere Luftschichten eigentlich normal war.

    Bei einer ähnlichen Konstellation kann das Gleiche wieder passieren – es wäre daher optimal, wenn wir diese Situation möglichst gut beobachten und vorhersagen, damit wir uns anpassen können.

     

    Es ist nötig, dass wir interdisziplinär und institutionsübergreifend auf diese Phänomene schauen, damit wir uns anpassen können. 

     

    Welche Möglichkeiten gibt es, sich kollektiv an diese Wetterbedingungen anzupassen und Prävention zu leisten?

    Es gibt hierbei verschiedene Dimensionen – eine Möglichkeit ist es, die Systeme und Prozesse vor den Wetterereignissen anzupassen, man spricht in diesem Fall von Prävention und Vorbereitung (Prevention and Preparedness). Dann muss der Umgang mit den Phänomenen im Moment optimiert werden, in dem sie sich ereignen (Response), und wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie man die Systeme auch langfristig anpassen kann, damit sie zunehmend resistent und resilient werden. Resistent ist ein System, wenn es einem Wetterereignis aus ökosystemarer Sicht widersteht, der Begriff resilient hingegen beschreibt ein System, das, selbst wenn es gestört wird und unter Extremereignissen leidet, sich schlussendlich wieder aufbaut und zu seinem Ursprungszustand zurückkehrt. In diesem Sinne muss man jedoch langfristig, also in mehreren Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten denken. Auch bei den Waldökosystemen gibt es Herausforderungen für die Optimierung im Hinblick auf die Zukunft. Außerdem kommen durch mögliche Starkregenereignisse entsprechende hydrologische Probleme auf uns zu, wie Hochwasser und Murgänge. Dazu kommt natürlich auch das Auftauen des Permafrosts durch die Erwärmung. In den unteren Lagen ist es nun dauerhaft warm, aber in den höheren Lagen ist es so kalt, dass wir dauerhaften Frost haben – wenn dieser durch die Erwärmung nun schmilzt und nachgibt, werden die losen und instabilen Gesteinsmassen, die er zusammengehalten hat, locker und können stürzen. Deshalb sind genau die Zonen, welche Permafrost und Gletscher aufweisen, die nun schmelzen, besonders sensibel. Speziell in den Alpen ist dies ein großes Thema.

  • Die Waldlandschaft nach dem Sturm Vaia im Oktober 2018: Die Windstärke hat die Stabilität zahlloser Bäume überschritten. Foto: Camilla Wellstein
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    Gibt es ein Zurück zu den „normalen“ Klimabedingungen?

    Wir haben in diesem Hinblick die Klimaziele, welche diese Ereignisse bis zu einem gewissen Niveau stoppen sollen. Wenn wir heute aufhören würden, Treibhausgase zu produzieren, würde der Trend erst trotzdem weiterlaufen, um dann aber irgendwann eine Sättigung zu erreichen. Aber wenn wir immer weiterproduzieren, geht das Phänomen auch weiter und potenziert sich zunehmend – es wird immer schwieriger, diesen Trend zu stoppen. Hiermit beschäftigen sich die Atmosphärenphysiker:innen, und wir entnehmen dem IPCC-Report, also dem Bericht des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change), die Vorhersagen, welche auf verschiedenen Szenarien basieren; je nach Ressourcennutzung der Menschheit und Entwicklung werden mehr oder weniger Treibhausgase produziert, was sich direkt auf die Temperaturerhöhung auswirkt, welche wiederum der Treiber von weiteren extremen Ereignissen ist.

    Aus meiner Sicht ist es besonders wertvoll, dass die Freie Universität Bozen mit dem Kompetenzzentrum für wirtschaftliche, ökologische und soziale Nachhaltigkeit die Möglichkeit hat, sich übergreifend Gedanken zu machen und Expert:innen zusammenzubringen, auch in Zusammenarbeit mit den Ämtern der Provinz und mit der Allianz für Nachhaltigkeit Südtirol, S.T.A.R.S. (South Tyrol Alliance for Research in Sustainability), in der alle größeren Forschungsinstitutionen, auch die EURAC und unibz, zusammenarbeiten. Alle Forscher:innen unserer Institute sind auch Mitglieder der Allianz und können dort etwas beitragen. Es ist wichtig, dass wir institutionsübergreifend zusammenarbeiten, und dabei ist das Kompetenzzentrum der Universität Bozen eine bedeutende Plattform, um dazu beizutragen, tatsächlich in die Handlung zu kommen.

     

    Interview geführt von Valentina Ciranna

     

  • Die Konferenz beginnt am Montag, 16. Dezember um 14:00 Uhr in der Aula Magna der Freien Universität Bozen, und wird bis in den Nachmittag des 17. Dezembers weitergeführt. 

    Zusätzliche Informationen sind unter folgendem Link zu finden: 

    https://www.unibz.it/en/events/meteorological-extreme-events-forecasting-impact-case-studies#