Economia | Unternehmertum

Den eigenen Arbeitsplatz retten

Gerät der Arbeitgeber in Schwierigkeiten, muss nicht auf die Kündigung gewartet werden. Das Team könnte in diesem Fall auch eine Genossenschaft gründen.
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Foto: Coopbund

Wenn ein Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt oder die Nachfolge in einem Familienbetrieb ungeklärt ist, bedeutet das für die Mitarbeiter:innen Unsicherheit und Sorge um den eigenen Arbeitsplatz. Es sei denn die Arbeitnehmer:innen entscheiden sich dazu, selbst unternehmerische Verantwortung zu tragen. Genau darum geht es in dem Modell von Workers BuyOut (WBO).

Das Modell wird bereits seit rund 20 Jahren auf nationaler Ebene insbesondere im industriellen Bereich angewandt. Auch in Südtirol gibt es erfolgreiche Übernahmen aus der Vergangenheit, wie etwa die Genossenschaften Giovacchini und Profilholz. 2008 entschieden die vier Beschäftigten von Profilholz in letzter Minute, aus dem eigenen Arbeitsplatz eine Genossenschaft zu machen und verhinderten damit die Schließung. Heute ist der handwerkliche Betrieb im Passeier mit dem neuen Namen „Südtiroler Landhausdielen“ noch immer erfolgreich.

 

Gründung einer Genossenschaft

 

Das Ziel von WBO ist die Gründung einer Produktions- und Arbeitsgenossenschaft durch das eigene Team. Dass dieser Weg nicht einfach ist, weiß auch der Genossenschaftsverband Coopbund Alto Adige Südtirol. Der Verband bietet in Zusammenarbeit mit der Sozialgenossenschaft für Forschung und soziale Innovation „SOPHIA“ Unternehmen an, diesen Prozess der Genossenschaftsgründung tatkräftig zu unterstützen.

Dabei kümmert sich Coopbund in der Start-up-Phase kostenlos vornehmlich um alle betriebswirtschaftlichen, rechtlichen und finanziellen Aspekte, während SOPHIA den bisherigen Besitzern und den bisherigen Angestellten, die Mitinhaber:innen werden wollen, begleitend zur Seite steht. Diese Begleitung wird zu den „im Sozialwesen entsprechenden und angemessenen“ Kosten pro Stunde abgerechnet. Coopbund und SOPHIA ist es dabei wichtig sicherzustellen, dass sowohl die rationale Sach- als auch die Beziehungsebene, also der mitentscheidende emotionale Anteil und die Befindlichkeiten der Betroffenen, in dem Prozess zur Geltung kommen können.

„Wir begleiten den Entwicklungsprozess mittels Projektierung, Moderation, Coaching und auch Mediation, damit im Besonderen die Arbeitnehmer Schritt für Schritt in die Rolle des Genossenschaftsmitglieds hineinwachsen und diesbezügliche Fähigkeiten entwickeln. Denn damit geht auch die Übernahme unternehmerischer Verantwortung einher“, erklärt Christoph Fuchsbrugger von SOPHIA.

 

 

„Die Übernahme von unternehmerischer Verantwortung ist fast die größte Herausforderung. Denn die Frage der Genossenschaftsgründung hängt auch mit der privaten Situation der Arbeitnehmer zusammen“, sagt Monica Devilli von Coopbund.

 

„Wir begleiten den Entwicklungsprozess mittels Projektierung, Moderation, Coaching und auch Mediation", sagt Christoph Fuchsbrugger von SOPHIA.

 

Gleichberechtigte Mitglieder

 

Jede Person, die im Unternehmen beschäftigt ist, kann dabei selbst entscheiden, ob sie Genossenschaftsmitglied werden möchte. Das eingebrachte Gesellschaftskapital muss mindestens 25 Euro betragen, erfahrungsgemäß investieren die Arbeitnehmer zwischen 500 und 1.000 Euro in die Genossenschaft. Ihr Geschäftsrisiko ist damit auf das von jedem einzelnen Mitglied gezeichnete Gesellschaftskapital beschränkt.

Die Mitglieder verwalten selbst die Genossenschaft. Unabhängig von der Höhe des eigenen Kapitalanteils ist der Wert der Stimme des Genossenschaftsmitglieds in der Gesellschafterversammlung immer gleich eins. Das ist im Vergleich zu einer Aktiengesellschaft ein klarer Vorteil.

Da eine Genossenschaft als Unternehmensform keinen spekulativen Charakter hat, kann ein positiver Kreislauf von Investitionen und Innovationen leichter entstehen als etwa in einem börsennotierten Unternehmen. Zudem erhält jedes Genossenschaftsmitglied jährlich einen kleinen Prozentsatz an Rückvergütung ausbezahlt. Ändert sich die übernommene Aufgabe im Unternehmen nicht, bleibt der Gehalt gleich wie zuvor. 

 

Genossenschaften als Treiber von Wohlstand

 

„Genossenschaften an sich sind generationenübergreifend, verändern sich und sind nicht kurzfristig gedacht. Aus unternehmerischer Sicht bestehen außerdem die gleichen Möglichkeiten wie bei einer GmbH“, erklärt Devilli. Haben die Beschäftigten für den Erhalt ihres eigenen Arbeitsplatzes eine Genossenschaft gegründet, bringt das nicht nur für sie selbst Vorteile. Auch die Region profitiert durch den Erhalt von Arbeitsplätzen und die im Unternehmen gesammelte Fachkompetenz geht nicht verloren. „Deshalb existieren in Südtirol für das WBO-Modell interessante Förderungen seitens öffentlicher Stellen“, so Devilli.

 

„Genossenschaften an sich sind generationenübergreifend, verändern sich und sind nicht kurzfristig gedacht", sagt Monica Devilli con Coopbund.

 

„Aus Daten der Handelskammer geht hervor, dass in den nächsten Jahren für 40 Prozent der Südtiroler Unternehmen die Frage der Nachfolge relevant wird“, erklärt Devilli. „Die Nachfolge ist vor allem für die Kinder der ersten Generation oft kein einfaches Thema, da sie in jungen Jahren das ganze Betriebsgeschehen erlebt haben und in der Familie der Betrieb damit immer Thema war“, führt Fuchsbrugger aus. Der Prozess der Unternehmensnachfolge kann sich daher über mehrere Jahre hinziehen – dass es funktionieren kann, zeigen immer wieder erfolgreich geführte Unternehmen wie die sozialgenossenschaftliche Gärtnerei „Grünes und Co“ in Bruneck.