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Scheibenschlagen Tosatonda

Schlanders: 60 Frauen, 5 Männer, 10 Schafe und durch die Nacht fliegende, glühende Holzscheiben.
Scheibenschlagen Tosatonda
Foto: Festival Transart

Das Scheibenschlagen ist eine antike Tradition, die jährlich am ersten Fastensonntag stattfindet. Von paganem Ursprung, hat sie sich im Vinschgau bis heute erhalten: Kurz vor Einbruch der Dunkelheit ziehen die Männer auf die Anhöhen über den Dörfern und stellen eine hohe, kreuzähnliche und mit Stroh umwickelte Stange, die sogenannte Hex, auf. Unter großem Geschrei, das Dämonen vertreiben soll, wird ein Feuer entfacht, in das die Männer runde, an Ruten gebundene Holzscheiben legen. Sobald die Scheiben glühen, schleudern die Scheibenschläger, begleitet von Sprüchen und Wünschen, die Holzscheiben weit über das Tal hinaus. Je schöner und weiter die Scheibe fliegt, desto mehr Glück wird dem Werfer zuteil. Das Ritual soll den Winter vertreiben und eine fruchtbare Ernte bringen. Versinnbildlicht wird die Symbolik der Fruchtbarkeit in der Hex, deren Querbalken und Streben die Symbole von Weiblichkeit und Männlichkeit darstellen.

"Kas in der Tosch, Wein in der Flosch, Korn in der Wonn, Schmolz in der Pfonn, Pfluag in der Eard, Schaug wia main Scheibele ausigeat."

 

 

Auch am heutigen Abend, den 16. September, um 20.00 Uhr werden in der Drusus Kaserne in Schlanders die Scheiben geschlagen. Die Südtiroler Künstlerin Ingrid Hora wird gemeinsam mit der Choreographin Claudia Tomasi, mit Musik von Benjamin Tomasi, dramaturgischer Begleitung von Elena Basteri und Frauen aus Schlanders die Tradition des Scheibenschlagens neu interpretieren. Das Projekt Scheibenschlagen Tosatonda bringt 60 Frauen, 5 Männer und 10 Schafe zusammen, um Altes und Neues, Tradition und Moderne zu verbinden und die Symbolik des Rituals neu zu erforschen und erleben.

 

Ingrid Hora im Interview:

 

Worin liegt das Faszinierende an Traditionen wie dem Scheibenschlagen?

Hora: Als ich zum Projekt eingeladen wurde, habe ich das erste Mal vom Scheibenschlagen gehört. Faszinierend ist wie sich Rituale, die von Familie zu Familie mündlich überliefert werden, im Laufe der Zeit verändern: manche Elemente verlieren sich und neue Aspekte kommen hinzu. So kann es passieren, dass die ursprüngliche Bedeutung der Rituale oftmals verloren geht, auch wenn die Tradition über Generationen weitergeben wird und bestehen bleibt.

 

Was passiert, wenn ein traditionelles Ritual performativ neu inszeniert wird?

Hora: In Schlanders will ich das Scheibenschlagen nicht unbedingt neu inszenieren. Es geht eher darum, es von einer anderen Seite zu zeigen: der Weiblichen. Frauen sind von diesem, wie von den meisten folkloristischen Ritualen, traditionell ausgeschlossen. Wenn sich zu viele Frauen treffen, um gemeinsam etwas durchzuführen das ritualistische Züge hat, werden sie schnell zu Hexen gemacht.
Und wir lassen die Hexen wieder tanzen!

 

„Altes und Neues soll sich verbinden" - was kann daraus entstehen?

Hora: Das Neue ist, dass es jetzt nicht mehr um die Männer, sondern um die Frauen geht. Außerdem wird kein Feuer mehr geschlagen; das Feuer kommt jetzt von den Frauen. Auch der Reim wird fragmentiert und erfährt mit eingespielter Musik eine neue Bedeutung. Der Sinn des Projektes ist die Gründung einer neuen Gruppe: jener der Frauen der Scheibenschlager. Mit einer neuen Gruppenidentität vertreten die Frauen nun den gesamten Obervinschgau und werden das alte Ritual der Fruchtbarkeit neu finden. Aus den traditionellen Symbolen entstehen neue Bilder, aus denen sich eine neue Identität und eine neue Gruppendynamik herausentwickeln.

 

Welche (symbolischen) Rollen übernehmen Frauen und Männer innerhalb der Performance?

Hora: Die Frauen stehen für die Gruppe, für den Zusammenhalt. Die Männer, in Unterzahl, nehmen eine Randposition ein. Sie sind neugierig, lassen die Frauen aber als solche selber walten.

 

Was wird mit den 10 Schafen passieren?

Hora: Die Schafe hätten der Performance als surreales Element gedient. Symbolisch stark behaftet, stehen sie sowohl für die Herde, als auch für die Unschuld. Leider werden die Schafe heute nicht dabei sein werden, da sie gerade geschoren werden. Stattdessen haben wir zwei weiße Pferde, die der Performance einen geisterhaften Aspekt verleihen.  

 

 

 

Die Frauen treffen sich immer bei Abenddämmerung,

um das Scheibenscheiden zu üben.

Am 16. September erscheinen

auf den drei Hügeln Frauen,

welche mit Spiegeln ins Dorf blenden und Worte schmeißen.

Auf dem Platz stehen drei Heureiter,

sie halten die Scheiben für die Frauen.

 

Im Anschluss an die Performance präsentiert der Künstler Chris Ziegler, gemeinsam mit der Tänzerin Unita Gay Galiluyo and dem Komponisten Hugo Paquete, Corpus, eine Neuinterpretation der Metamorphosen von Ovid. Kinetische Lichtkostüme machen unsichtbare Tänzer sichtbar und verwandeln den Tanz in ein visuelles Gedicht.