Società | Studieren heute

Happy International Students' Day

Es gibt derzeit wenig Moderneres, als über die gegenwärtige Jugend zu schimpfen. Übertroffen wird die Erscheinung höchstens vom Schimpfen über gegenwärtige Studierende.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.

Der 17. November ist vielleicht der richtige Tag, darüber nachzudenken, was von Studierenden erwartet wird - und was sie erwarten.

Der 17. November

1941 wurde der 17. November zum Internationalen Studierendentag ausgerufen – er erinnert an das politische und soziale Engagement und die mit dem Erhalten einer universitären Bildung einhergehenden Verantwortung der Studierenden. Dass die Wahl ausgerechnet auf den 17. November fiel, ist kein Zufall:

Am 17. November 1939 wurden in Prag insgesamt 1200 Studenten von den Nazis aus ihren Wohnheimen direkt ins Prager Gefängnis und von dort aus ins KZ von Sachsenhausen deportiert. Neun von ihnen werden sofort erschossen. Die Nationalsozialisten reagierten damit auf die Demonstrationen und den Widerstand der Studierenden gegen den Mord an Jan Opletal. Dieser war im Rahmen der Protestaktionen am tschechoslowakischen Nationalfeiertag gegen das Nazi-Regime angeschossen worden und später gestorben. Am Trauermarsch am 15. November hatten rund 3000 Studierende teilgenommen; er war jedoch von der Polizei gewaltsam aufgelöst worden. Hitler persönlich ordnete daraufhin die Schließung der tschechoslowakischen Hochschulen für die Dauer von drei Jahren an.

1941 erklärte der Londoner International Students' Council den Tag zum International Students' day, in seinen Reihen befanden sich zu diesem Zeitpunkt auch viele Flüchtlinge, welche die Ereignisse auf dem europäischen Festland miterlebt hatten.

Am 14. November 1973 verbarrikadierten sich tausende Studierende des Athener Polytechnikums in ihrer Hochschule, um gegen die Militärjunta des Generals Papadopoulus zu demonstrieren. Es vor allem um die Wahl einer studentischen Vertretung, welche die Studierenden selbst vornehmen wollten und nicht von oben bestimmt werden sollte. Sie konstruierten eine Sendestation, sodass ganz Athen einige Tage lang die prodemokratischen, kritischen Ausführungen der Studierenden hören konnte. Am 17. November wurde das Polytechnikum gestürmt. In „Un uomo“, dessen Hauptperson, der Wiederstandskämpfer Alekos Panagoulis, ein Idol der Proteste war, schreibt die italienische Journalistin und Autorin Oriana Fallaci darüber:

„Poco dopo la mezzanotte i carri armati avevano invaso la capitale, una cinquantina di carri armati coi pezzi da novanta, e i più s'eran diretti sul Politecnico dove gli studenti asserragliati concentravano la rivolta. Abbattendo i cancelli, sparando, ne avevano uccisi a decine: tra i morti il ragazzo con la camicia a quadri che al tempio di Sunio t'aveva dato le due saponette di tritolo. Era morto cantando un tuo inno, e a lui nessuno avrebbe mai detto grazie. La storia non si occupa delle comparse.“

Fünfzig Jahre nachdem die Nazis 1200 Studierende aus Prag deportiert hatten, wurde 1989 der International Students' Day zur Protestveranstaltung gegen das Sowjetregime. Bereits die Studierendendemonstrationen am Tag vorher in Bratislava holte tausende Menschen auf die Straße. In Prag waren es letztendlich über 15000 Personen. Es waren im Nachhinein wohl auch (wenn auch nicht ausschließlich) diese beiden Großereignisse, welche die Samtene Revolution in der Tschechoslowakei einläuteten.

Der allgemeinpolitische Anspruch

Studierende also als gesellschaftliches Korrektiv? Als Instanz, die Missstände anprangert? Die groß träumt? Visionen folgt? Warum nicht? Nicht im Hörsaal, sondern auf der Straße lernen wir. Nicht für die Uni oder die Schule, sondern für das Leben. Gerade in Zeiten der Krise leisten Studierende immer wieder unschätzbare Beiträge: Ehrenamtliches Engagement, Sensibilisierung und wissenschaftlich fundiertes Arbeiten können ein starkes Gegengewicht zu einem erstarkenden Populismus bilden, Vorurteile abbauen und neue Wege ebnen.

OBESSU, das Organising Bureau of European School Student Unions, die Schüler/innen auf europäischer Ebene vertritt und deren Vertretungen unter einem Dachverband vereint, schreibt dazu folgendes:

„As can be seen, students have always been on the forefront of the movement for change. Always when the country was in crisis students took the opportunity to demonstrate their opinions, even the one that went against the current regime’s values and beliefs. Unfortunately these actions took place only when there was crisis, or unbearable suppression of human rights. What about today? Students need to have their voices and opinions heard! They have an obligation if not towards themselves, towards the others who will follow them, to teach them what the previous generations have left us.“

Ihre Partnerorganisation, die European Students' Union (ESU), die als Dachverband von Studierenden innerhalb der Europäischen Union fungiert, fordert vor diesem Hintergrund wie schon so oft freie Bildung, wobei die Forderung dreigeteilt ist: frei von Kosten und Gebühren, frei von Diskriminierung und frei von Angst. Utopie oder Banalität?

Die ESU schreibt in ihrer Forderung über Bildung:

„Education is not a commodity to be bought and sold but the key to the development of an informed and emancipated society. Education must remain a public responsibility, in service of the public good. The universal right to education should be guaranteed through the abolition of all financial barriers to education, including tuition fees and hidden costs. Education is a right, not a privilege!“

Im Grunde genommen münden die drei oben genannten Forderungen in einem großen Ziel, nämlich dem, dass Bildung – auch Hochschulbildung – allen Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht, ihrem Alter, ihrer Ethnizität und anderen Faktoren, zugänglich sein muss. Das ist keine Überheblichkeit, kein Herabschauen auf Menschen, die in anderen Bereichen etwas leisten. Das ist auch keine Forderung, dass alle Menschen dieser Welt einen akademischen Abschluss brauchen. Es ist schlicht und einfach die Forderung, dass allen Menschen dieser Welt ein akademischer Bildungsweg offen stehen muss. Eine Maximalforderung, ganz klar.

Solange Bildung ein Privileg ist, kann der Missstand der Ungleichheit und ungerechten Verteilung nicht angegangen werden. Solange jeder relevante Diskurs nur Mitgliedern einer Elite offen steht, können all jene, die dieser Elite eben nicht angehören, keine Solidarität, kein offenes Ohr, keine echte Identifikation mit ihren Bedürfnissen erwarten – das gilt vor allem auch für den politisch-akademischen Diskurs.

Natürlich schaffen viele auch den akademischen Bildungsweg trotz Kosten, trotz Lohnarbeit nebenher, trotz vieler anderer Hindernisse. Doch sind sie die Ausnahmen, und Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. Ziel muss es sein, genau diese Ausnahme zum Regelfall und unsere Gesellschaft damit durchlässiger zu machen.

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gorgias Dom, 11/16/2014 - 23:01

Durch den Bolgogna-Prozess und die daraus folgende stetige Verschulung hat man das geschafft, was Diktaturen nicht geschafft haben, und zwar die Universitäten zu entpolitisieren. Heutige Studenten sind Karrieristen mit dem Ziel ihre Kaufkraft für ihre Konsumabgaben zu erhöhen.
Ich weiss jetzt wirklich nicht, was es da noch zu feiern gibt.

Dom, 11/16/2014 - 23:01 Collegamento permanente