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Matteo Renzi im Sumpf

Matteo Renzi hat den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Etliche der von ihm gewünschten Minister haben abgesagt, die Koalitionspartner setzten ihn unter Druck, das Postengerangel hat begonnen. Wunschvorstellungen und Realität prallen hart aufeinender.

Matteo Renzi steckt genau in jenem politischen Sumpf, aus dem er Italien befreien wollte. Noch vor seiner Beauftragung durch den Staatspräsidenten scheiterten seine Höhenflüge an der rauen politischen Realität. Der mit ihm befreundete Autor Alessandro Baricco hat die Übernahme des Kulturministeriums abgelehnt, der Vorzeigeunternehmer Andrea Guerra will nicht Industrieminister werden, die Vergabe des Wirtschaftsressorts an die in London lehrende Ökonomin Lucrezia Reichlin scheint ebeno unwahrscheinlich wie der Einzug des Ferrari-Chef Luca di Montezemolo ins Kabinett. Eataly-Gründer Oscar Farinetti steht nicht als Landwirtschaftsminister zur Verfügung. 

Renzis Beauftragung durch den Staatschef  wurde auf Montag verschoben, die Vorstellungs des Kabinetts verzögert sich wegen der Forderungen der kleinen Koalitionsparteien, die nach bewährtem Muster versuchen, den Preis für die Regierungsbeteiligung in die Höhe zu treiben. Innenminister Angelino Alfano will sein Ressort behalten  und besteht auf einem detaillierten Koalitionsprogramm, für das "eine Zeit von zwei bis drei Tagen nicht ausreicht."  

Die Allianz dürfe zudem nicht von Dissidenten der Fünfsterne-Bewegung und der linksalternativen Liste unterstützt werden, so Alfano, der für seine Mitterechts-Partei auch die die Ressorts für Gesundheit und Infrastrukturen fordert. Auch die Christdemokraten und Mario Montis Scelta civica,  die je einen Minister stellen, wollen bei der Bestellung des Kabinetts  ein gewichtiges Wort mitreden. "Non mi faccio imbrigliare" versichert Renzi,  der nun erste Kompromisse eingehen und seine notorische Ungelduld zähmen muß. Die Zahl der Minister ist bereits von 12 auf 16 gestiegen, rund die Hälfte seiner Wunschliste mußte er bereits streichen.

Der traditionsreiche "walzer delle poltrone" hat begonnen, das Postenkarusell dreht sich. Es wird Tage dauern, bis der scheidende Bürgermeister seine Regierung vorstellen kann. Bisher gelten nur zwei Kabinettsmitglieder als sicher: der scheidende Regionenminister Graziano Delrio und die 33-jährige Renzi-Vertraute Maria Elena Boschi. Delrio wird als Staatssekretär im Ministerratspräsidium auf dem Regiestuhl des Kabinetts Platz nehmen, als Nachfolger ist der langjährige Trentiner Landeshauptmann Lorenzo Dellai im Gespräch. Der Staatschef hat Renzi  empohlen, die Zahl unabhängiger
Experten im Kabinett gering zu halten. Zudem regt sich im linken Flügel seiner eigenen Widerstand.  Dessen  Sprecher Pippo Civati kann sich  beim Vertrauensvotum "bis zu  zehn Nein-Stimmen" gegen den eigenen Parteichef vorstellen.

Im Senat verfügt der zukünftige Premier über eine Mehrheit von nur sieben Stimmen. Nach Überwindung aller Hürden dürfte Renzi erst am Samstag offiziell zum neuen Premier aufrücken. 65 Prozent aller Italiener billigen die Absetzung Enrico Lettas nicht. Indessen wächst die Politikverdrossenheit. Die Vorwahlen zur Kür der Regionalsekretäre des PD gerieten am Wochenende zum Flop. Bei den Regionalwahlen in Sardinien sank die Beteiligung auf einen Tiefstwert von 52 Prozent. Trotz aller Schwierigkeiten fand Renzi  am Wochenende Zeit, der Begegnung zwischen Fiorentina und Inter beizuwohnen. Die schmerzliche Heimniederlage hat freilich nicht zur Aufheiterung seines Gemüts beigetragen.