Europa atmet auf
Nach der Wahl in Holland und der Präsidentenwahl in Österreich, hat auch Franreich den Populisten in ganz Europa nicht den erhofften Erfolg gebracht. Offen bleibt allerdings die Frage, ob die Idee von einem offenen und sozialen Europa gesiegt hat, so wie es die Gründerväter wollten, oder ob nur die Angst vor einer Rückkehr in dunkle Zeiten zu diesem Wahlergebnis geführt hat. Nationalismus und der Populismus sind nicht verschwunden. Immerhin haben 40% der Franzosen im ersten Wahlgang gegen Europa gestimmt. Glücklicherweise klafft zwischen der Propaganda der Populisten und der harten Realität immer noch eine große Lücke. Man denke nur an Rom, wo man von den lauthals angekündigten Neuigkeiten wenig bemerkt. Müll bleibt eben Müll, auch in Zeiten des politischen Umbruchs.
Ob nun Trump oder der Brexit die Wähler zu mehr Mäßigung veranlasst haben, bleibt daher reine Spekulation. Mehr Klarheit werden wir im Herbst bei den Bundestagswahlen und bei den Parlamentswahlen in Italien erlangen. Dann wird man sehen, inwieweit die Rechtspopulisten weiterhin das politische Klima beeinflussen. Besonderes Augenmerk muss auf Italien gelegt werden, wo die Euroskeptiker nicht zuletzt auch aufgrund des vergifteten politischen Klimas, auf einen Teilerfolg hoffen können.
Dass die politische Landschaft, wie wir sie bisher gekannt haben, in Schwierigkeiten steckt, kann nicht geleugnet werden. Die traditionellen Parteien stehen seit Jahren im Kreuzfeuer der Kritik. Die Verunsicherung der Menschen und die Angst vor dem sozialen Abstieg machen sich immer mehr im Bewusstsein der Bürger breit. In der Politik ist Angst aber ein schwer kalkulierbare Faktor. Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, vor Überfremdung, vor Armut und Gewalt, bewegen die Menschen meist mehr als die vielen positiven Errungenschaften der letzten Jahrzehnte.
Hier gilt es nun anzusetzen und das Vertrauen der Bürger in die Politik und deren Vertretung wieder herzustellen. Der entscheidende Ansatz ist das Thema Arbeit und Beschäftigung. Dabei geht es nicht mehr so sehr um irgendeine Beschäftigung, sondern um sichere und gute Arbeitsplätze. Die herkömmliche Theorie, dass ein prekärer Arbeitsplatz besser ist als keiner, mag auch stimmen, aber damit lassen sich die Menschen heute nicht mehr abspeisen. Flexibilität als eine Notwendigkeit der modernen Arbeitwelt hinzustellen, gelingt immer weniger. Der Versuch, die Auswirkungen der Globalisierung, der Abwanderung von Betrieben und der Wettbewerbsfähigkeit auf die Arbeitswelt als unausweichlich darzustellen, funktioniert nicht mehr. Es reicht auch nicht aus, die negativen Auswirkungen nach Möglichkeit aufzufangen und in den Griff zu bekommen. Es braucht vermehrt neue Ansatzpunkte und Visionen für eine gerechtere Welt, für die es sich auszahlt zu kämpfen.
Gerade soziale Ungleichheiten sind ein Nährboden für Populismus und Sozialneid, der unsere Gesellschaft erfasst hat. Schuld an der Misere sind dabei nicht die Armen, die auf die öffentliche Hand angewiesen sind, sondern einige Wenige, die riesige Vermögen angehäuft haben und die die Politik maßgeblich beeinflussen. Eine Demokratie, die nur den Eliten dient, interessiert die Menschen nicht und führt zu Politikverdrossenheit. Gerade hier liegen heute die Gefahren für unsere Gesellschaft. Einen klaren Ausweg aus dieser Situation gibt es nicht, es sind viele kleine Schritte und ein neues Solidaritätsbewusstsein aller sozialen Schichten erforderlich.
Als Gewerkschaft, im Sinne der kollektiven Vertretung der ArbeitnehmerInnen, müssen auch wir uns neu aufstellen. Wir brauchen mehr Mut Forderungen zu stellen und diese auch durchzusetzen. Wir können nicht nur auf den Dialog und den Kompromiss mit den Arbeitgeberorganisationen und den politischen Entscheidungsträgern bauen, vor allem wenn diese grundsätzlich eine für uns untragbare Politik verfolgen. In einer Welt des steigenden Populismus wird es für uns schwieriger, immer das Allgemeinwohl im Auge zu behalten, während die Eliten einzig und allein auf ihr Wohl bedacht sind.
Die Gewerkschaft braucht allerdings realistische Zielsetzungen, wir müssen den Menschen ja täglich konkrete Antworten geben, die nicht nur das Tagesgeschehen berücksichtigen, sondern den Menschen auch das Gefühl vermitteln, dass sich jemand um ihre Belange kümmert und dass es sinnvoll ist, sich dafür einzusetzen. Arbeit und soziale Absicherung müssen wieder in den Fokus der öffentlichen Diskussion als Dreh- und Angelpunkt einer neuen Politik treten. Unsere Organisation hat diesen Weg mit viel Mühe beschritten und wird ihn weiterverfolgen. Unser Ziel ist es, die Arbeitswelt wieder zusammenzuführen und durch ein neues und zeitgemäßes Arbeitsrecht allen abhängig Bediensteten gleiche Rechte zu garantieren. Wenn es noch weitere Vorschläge für eine offene und von der Arbeit getragene Gesellschaft gibt, sind wir natürlich jederzeit bereit daran mitzuarbeiten.