Südtirols Kräuter-"Bionierin"

salto.bz: Frau Mulser, heute findet man „Bio“ fast immer und überall. Sie haben Ihren Hof bereits 1979 auf biologischen Anbau umgestellt. Wie kam es dazu?
Martha Mulser: Gäste aus Deutschland hatten meinen Mann und mich zu dem Schritt bewogen. Die beiden besaßen ein Reformhaus in Deutschland und haben uns über biologischen Anbau und dessen Vorteile aufgeklärt. Wir waren beide gleich begeistert. Zu jener Zeit jedoch war biologischer Anbau in Südtirol noch kein Thema und auch die Nachbarn waren etwas skeptisch. "Es werd schun die Nocht olm in Kunstdünger ausfohrn", solche und ähnliche Aussagen hat mein Mann anfangs häufig zu hören bekommen. Wir sind schnell zu Außenseitern geworden und es war nicht einfach, angenommen zu werden.
Haben Sie damals nicht an Ihrer Entscheidung gezweifelt?
Ich war und bin immer noch mit 100prozentiger Freude und Überzeugung dabei. Die anfänglichen Ergebnisse und die weitere Entwicklung unseres Betriebes haben mich stets bestärkt, weiter zu machen. Dabei war Geld nie das Wichtigste. Als wir 1982 mit dem Kräuteranbau begonnen haben, gab es ja auch keine Beiträge dafür. Wir haben trotzdem weitergemacht.
Wie bewerten Sie den aktuellen "Bio"-Hype?
Leider wird heute allzu häufig versucht, mit "Bio" Geld zu machen. Viele Trittbretfahrer steigen auf den Bio-Zug auf, weil sie der Meinung sind, damit reich zu werden. Diese Geldmacherei finde ich schade. Klar, biologischer Anbau muss sich auszahlen, dabei darf die Natur aber nicht vergessen werden.
Oft wird nur mehr geschaut, von wo welche Beiträge bezogen werden können und nur minimalste Standards beim Anbau eingehalten. Es ist durchaus positiv, wenn jemand versucht, etwas für die Natur zu tun, aber manchmal fehlt es an Geduld und hohe Qualitätsansprüche weichen dem Streben nach mehr und mehr. Dabei sollte vielmehr auf die Vielfalt Wert gelegt werden, auch beim biologischen Anbau. Die Natur beobachten, ihr Zeit lassen, sie zu verstehen versuchen.
Beängstigend ist, wie Großkonzerne und Lobbies Vielfalt zerstören, da bin ich sehr froh, dass die Saatgutregelung im EU-Parlament nicht durch gegangen ist. Die aktuellen Entwicklungen machen mir einige Bedenken, aber es wird auch immer mehr aufgedeckt. Es liegt etwas in der Luft, man merkt ganz stark, dass es so nicht mehr weiter gehen kann.
Seit kurzem ist die Debatte um die gesundheitsfördernden Eigenschaften von biologischen Lebensmitteln wieder aufgeflammt. Was können Sie dazu im Falle Ihrer Kräuter sagen?
Der biologische Anbau ist bei Kräutern Voraussetzung, damit sie sich positiv auf die Gesundheit des Menschen auswirken können. Viele unserer Kräuter werden getrocknet und anschließend zu Tees verarbeitet. Wären da vorher Dünger und Spritzmittel zum Einsatz gekommen, würden diese in den getrockneten Kräutern in einer viel höheren Konzentration auftreten. Unser Betrieb ist der strengen Aufsicht durch die Sanitätseinheit unterworfen und auch die Bio-Kontrollstelle führt ihre Analysen 1, 2 Mal jährlich durch und bis jetzt hat bei den Kontrollen noch nie etwas gefehlt.
Unsere Produkte zeugen von Einsatz und Überzeugung, von der ich überzeugt bin, dass sie gewisse Regelungen, etwa jene der EU, überflüssig machen würden. Wir haben uns von Anfang an selbst sehr strenge Richtlinien auferlegt, auch wegen meiner Familie und der Kinder: Was wir selbst anbauen ist biologisch und dank dieser Sicherheit haben wir den biologischen Anbau stets konsequent durchgezogen.
Ein großes Anliegen ist Ihnen auch der geschlossene Kreislauf – "Vom Samen bis zum Endprodukt".
Genau. So viele Arbeitsschritte wie möglich sollen am Hof abgewickelt werden. Wir züchten selbst Jungpflanzen heran, und auch Verarbeitung und Verpackung der Kräuter finden fast ausschließlich hier statt. Eine Ausnahme bildet die Herstellung unserer Kosmetikprodukte, die an ein autorisiertes Labor ausgelagert worden sind, auch weil die Eigenproduktion von Kosmetikartikeln nicht erlaubt ist. Im Labor werden zum Beispiel Salben und Shampoos – Produkte, die wir früher selbst hergestellt haben – nach unserem eigenen Rezept produziert. Anfänglich sind wir damit bei den Chemikern auf Widerstand gestoßen, doch mittlerweile wird auch für andere Hersteller nach unseren Rezepten produziert.
Ihnen ist vor Kurzem vom italienischen Landwirtschaftsministerium der "premio de@terra" verliehen worden. Welche Bedeutung hat diese Auszeichnung für Sie?
(Lacht) Das war eine Riesenüberraschung für mich. Dabei hat das alles die Südtiroler Bäuerinnenorganisation in die Wege geleitet, die nötigen Unterlagen nach Rom geschickt und den Betrieb vorgestellt. Als dann im Februar ein Brief vom Ministerium gekommen ist, hab ich mich gefragt, ob ich etwas verbrochen habe – anfangs hab ich meine Nominierung für den "premio de@terra" nicht glauben können. Landesrat Berger hat dann in Rom nachgefragt und mir versichert, dass ich wirklich unter den Preisträgerinnen bin. Somit konnte ich – zum ersten Mal – nach Rom fahren. Die Auszeichnung ist eine große Bestätigung für meine Arbeit. Die anderen Bäuerinnen, die prämiert worden sind, waren ja allesamt jünger und haben heute ganz andere Möglichkeiten. Wenn ich nur an die Technik und die neuen Medien denke, und auch die große Bekanntheit und Nachfrage nach biologischen Lebensmitteln...das war damals als wir angefangen haben ganz anders. Umso mehr freue ich mich über die Anerkennung unserer Anstrengungen, auch vonseiten der Öffentlichkeit.
Wie schauen Ihre Zukunftspläne aus?
Ich habe nie große Zukunftspläne geschmiedet, damit haben mein Mann und ich aufgehört als er an Krebs erkrankt ist. Wir wollten "heit leben" und uns nicht Gedanken machen, was morgen sein könnte. Eigentlich hatte ich vor, mich etwas zurückzuziehen und meiner Tochter – die auf unsere Schiene aufgesprungen ist – den Hof so gut wie möglich übergeben.
Der Pflegerhof im Internet und auf Facebook.
ATTENZIONE!
La diversità di opinioni è in pericolo!
Se venissero accettati i requisiti per i contributi ai media, non potresti vedere i commenti senza registrazione.