Der Pilz in der Antarktis
Das hat ihm nun eine Veröffentlichung in den Nature-Scientific-Reports eingebracht.
„A thin ice layer segregates two distinct fungal communities in Antartic brines from Tarn Flat“: Mit diesem Titel über die überraschenden Forschungsergebnisse eines italienischen Teams in der Antarktis wurde Ende April auch die Fakultät für Naturwissenschaften und Technik der Freien Universität Bozen vom Scheinwerferlicht des renommierten Wissenschaftsverlags Nature bestrahlt. Denn Co-Autor des Artikels in den Nature-Scientific Reports ist der Postdoc-Forschungsassistent und Mikrobiologe Luigimaria Borruso. Seine bioinformatischen Analysen von Mikropilzen in der Antarktis liefern erstmals mehr Details über ein Habitat, das erst in den frühen Nullerjahren entdeckt worden war. In einer der unwirtlichsten Gegenden dieser Welt, in Tarn Flat im Northern Victoria Land, gibt es im Permafrost eingeschlossene Laken, in denen das Wasser aufgrund einer extrem hohen Salzkonzentration nicht friert.
Aus zwei dieser Salzlaken, die vier bzw. fünf Meter unter der Erdoberfläche liegen, hat das italienische Forscherteam, Proben mitgebracht, die im Anschluss unter anderem in Bozen analysiert wurden. Denn federführend bei dem Projekt war neben dem Geologen Mauro Guglielmin auch einer der weltweit größten Spezialisten für Mikropilze und -hefen, Pietro Buzzini von der Universität Perugia, mit dem Luigimaria Borruso bereits seit längerem in einer Forschungsgruppe zusammenarbeitet. „Wir hatten keine Ahnung, was wir in diesen Proben finden würden“, sagt der im NOI Techpark angesiedelte Forscher. „Denn in so einer extremen Umgebung erwartet man sich eigentlich kein Leben.“
Tatsächlich wurden die Forscher eines Besseren belehrt. Der Mikrobiologe und sein Co-Autor Ciro Sannino rekonstruierten aus der DNA, die sie aus den Proben extrahierten, eine große Menge und Vielfalt an Mikroorganismen, allen voran Hefepilze. Und: Obwohl die beiden Wasserblasen nur durch wenige Zentimeter und eine dünne Eisschicht getrennt waren, fand Borruso in den jeweiligen Proben der zwei Salzlaken Spuren von zwei völlig unterschiedlichen Gattungen von Mikropilzen vor.
Auch wenn er selbst nicht vor Ort war, begeisterte das Projekt den gebürtigen Mailänder, der seit seinem PhD-Studium in Bozen arbeitet und forscht. Und zwar nicht nur wegen seiner überraschenden Ergebnisse. „Lebensformen in so kalten und extremen Gegenden haben mich schon immer fasziniert“, verweist er auch auf Gletscherstudien, wo er – gemeinsam mit Lorenzo Brusetti, Benedetta Turchetti und Prof. Buzzini – die Auswirkungen des Klimawandels anhand der dortigen Mikroorgansimen untersucht.
Doch was konkret bringt der Menschheit das Wissen, welche Pilze in unterirdischen Salzlaken am Südpol einen Lebensraum gefunden haben? „Das kann schon aus biotechnologischer Sicht von Interesse sein“, antwortet Borruso. Gerade Organismen, die unter extremen Bedingungen überleben, könnten sich auch für die Industrie oder Anwendungen zur Klärung von Wasser als nützlich erweisen. Darüber hinaus sei eine solche Grundlagenforschung immer die Basis für zukünftige Forschungsprojekte, deren Nutzen jetzt noch nicht erahnt werden könne, sagt der Forscher. Besonders, wenn es um das Leben in solch einem speziellen Lebensraum gehe. Schließlich würden die antarktischen Salzlaken laut Übereinstimmung mehrerer Wissenschaftler von allen Habitaten unseres Globus die größten Analogien zu den Bedingungen auf dem Mars aufweisen. „Näher können wir dem Mars nicht kommen auf unserer Erde“, meint Luigimaria Borruso.
In seinem Forscheralltag ist er Südtirols Almen und Wäldern allerdings aktuell näher als fernen Planeten. Derzeit analysiert der Forschungsassistent in einem der Food-Labors im NOI Techpark Milchbakterien aus Proben von Südtiroler Kühen. Am Montigglersee ist er darüber hinaus an einem Studienprojekt beteiligt, in dem holzabbauende Pilze als Indikatoren für Stickstoffemissionen hergenommen werden. Die Proben aus einer der extremsten Gegenden unserer Erde werden Luigimaria Borruso dennoch in besonderer Erinnerung bleiben. Und das nicht allein wegen der prominenten Präsentation der Studienergebnisse, sondern auch wegen eines persönlichen Traums. „Einmal möchte ich selbst in die Antarktis mitfahren.“