Voices of Pesticides
Zehn Jahre gibt es sie nun schon, seit Freitag läuft sie wieder: Noch bis 30. März werden im Rahmen der Pestizid-Aktionswoche in zahlreichen Ländern in und außerhalb Europas Konferenzen, Filmaufführungen, Ausstellungen, Workshops, Kochkurse, Bauernmärkte, Bioessen und viele andere Aktivitäten organisiert, die ein gemeinsames Ziel haben: eine Reduzierung des weltweiten Pestizid-Einsatzes. 1300 Events in 26 Ländern waren es im Vorjahr; zum runden Jubiläum in diesem Jahr werden es noch mehr werden.
Zum Auftakt der Aktionstage wurde eine neue Website präsentiert, die auch direkte Spuren nach Südtirol legt. „Voices of Pesticides around Europe“ heißt das gemeinsame Produkt verschiedener nationaler und europäischer NGOs, das Opfern von Pestiziden eine Stimme geben soll. Viele Vorkommnisse mit Pflanzenschutzmitteln werden bisher nicht entsprechend wahrgenommen, heißt es in einer Aussendung des italienischen Ablegers des Pesticide Action Networks (PAN). „Die Opfer fühlen sich teilweise isoliert und allein gelassen. Mit unserer neuen Webseite möchten wir ihnen einen Platz geben, damit sie in der Öffentlichkeit gehört werden.“
35 solcher Stimmen finden sich kurz nach der Freischaltung bislang auf der neuen Homepage. Videos französischer Bauern oder ehemaliger landwirtschaftlicher Arbeiterinnen, die anhand ihrer persönlichen Geschichte über gesundheitliche Folgeschäden des Umgangs mit Pestiziden erzählen. Ein deutscher Polizist, dem eine Spritzwolke aus dem Nachbargarten nicht nur Pflanzen schädigte, sondern auch den Hund vergiftete. Und: Gleich acht Stellungnahmen bzw. Briefe aus und rund um Südtirol. Darunter ein Hilferuf des Latscher Biokräuter-Betriebs Südtiroler Kräuter Gold: „Was werden Politiker unternehmen, damit keine Abdrift von Pflanzenschutzmitteln aus dem integrierten Obstbau auf unsere Kräuterfelder gelangt?“, heißt es in einer längeren Stellungnahme zur schwierigen Situation des Kräuteranbauers, dessen Produkte laut Rückstandsanalysen die im Bioanbau zulässigen Grenzwerte erheblich überschreiten.
Mit dabei auch der legendäre Johannes Fragner-Unterpertinger, Sprecher des Promotorenkomitees für eine pestizidfreie Gemeinde Mals, die Bürgerinitiative Adam und Epfl oder Bioland. Der Südtiroler Bioverband begrüßt darin ein Abkommen zwischen konventionellen und Bio-Apfelbauern als ersten Schritt. Das Abdrift-Problem sei damit aber noch lange nicht gelöst.
„Denn der Vinschgerwind verweht Pflanzenschutzmittel weiter als nur bis zum nächsten Nachbarn. Wie das verhindert werden soll, weiß momentan noch niemand. Unser Lösungsansatz: Biologische Pflanzenschutzmittel einsetzen!“
Unterstützung erhalten die Malser auch von treuen Vinschger Urlaubsgästen wie einem deutschen Arzt oder einem evangelischen Pastorenpaar, die allesamt vor den langfristigen Gefahren der Ausbringung von Pestiziden warnen. Äußerst interessant sind zwei weitere Testimonials aus Italien. Aus der Trentiner Gemeinde Vallarsa wird vom Beschluss berichtet, auf dem eigenen Gemeindegebiet nur mehr eine nachhaltige Anbauweise zuzulassen. Die biologische Landwirtschaft sei frei; die konventionelle werde dagegen nur dann zugelassen, wenn eine Versicherung gegen mögliche Umweltschäden für einen Zeitraum von zehn bis 20 Jahren abgeschlossen werde.
„Il comune di Vallarsa nel marzo 2014, applicando i principi di "precauzione" e "chi inquina paga" ha deciso di autorizzare solo l’agricoltura sostenibile nel territorio del comune, per proteggere l’ambiente locale e la salute pubblica dei cittadini del comune. L'agricoltura biologica è libera, quella integrata/convenzionale è autorizzata solo nel caso in cui l'impatto sia inferiore a soglie di danno tollerabile. L’agricoltura convenzionale è possibile solo dopo aver stipulato un’assicurazione che assicura contro eventuali danni ambientali per un periodo da 10 a 20 anni.“
In einer weiteren italienischen Stellungnahme wird dagegen von einem kürzlich erlassenen Urteil des Gerichts von Pistoia berichtet, das das Verfahren eines Bürgers gegen eine angrenzende Weinkellerei betrifft. Im Verfahren konnten Pestizid-Rückstände im Garten des Klägers sichergestellt werden. Diese seien zwar innerhalb der gesetzlichen Norm gelegen, dennoch sei vom Richter die Gesundheitsgefährdung des Klägers anerkannt worden, heißt es dort.
„La novità nella sentenza è stata il riconoscimento del primato della tutela della salute su qualunque altro principio di rilevanza economica o produttiva.“