Listige Liste, lustige Liste
Die Autorin und Kulturvermittlerin Sonja Steger staunte nicht schlecht, als sie Anfang August von einer Rai-Journalistin kontaktiert wurde, die Stegers Name – auch wenn falsch geschrieben – auf einer Unterstützerliste für das Projekt CAMPUS M gelesen hatte und bei Steger nachfragen wollte. Die schlau angedachte Marketing-Idee zur Umfunktionierung eines alten Militär-Areals hin zu einem modernen kleinstädtischen Künstlerort, entpuppte sich allerdings über die Meraner SVP-Seilschaft, wenige Wochen nachher, als bescheidenes, tollpatschiges Flämmlein.
Zudem werden meistens nie jene Leute involviert, die schon seit vielen Jahre beweisen, wie nachhaltige, gute und progressive Kulturarbeit gemacht wird.
(Thomas Kobler)
Auch wenn die auf der Unterstützliste als Soja Steger aufscheinende Publizistin und Herausgeberin der Kulturzeitschrift vissidarte über den kleinen Flüchtigkeitsfehler schmunzelnd hinwegsehen kann, skandalös findet sie den Tatbestand, dass sie gar nicht gefragt wurde, ob denn ihr (richtiger) Name überhaupt unterstützend für die Liste verwendet werden dürfe.
Ähnlich überrascht hat die Liste Thomas Kobler. Zwar findet er – wie auch andere Meraner Kulturschaffende –, dass es grundsätzlich in Ordnung ist, wenn erneut über das Kulturprojekt auf dem Areal der Rossi-Kaserne gesprochen wird, „aber die Form und die Frage wer und wie die Fäden im Vorfeld der Wahlen gezogen werden, stört und ist äußerst unprofessionell.“ Der Kulturschaffende der für Meran nicht mehr wegzudenkenden Kulturplattform Ost West Club fügt hinzu: „Es geht im Grunde halt nie wirklich um die Sache selbst, sondern meistens um andere Überlegungen – etwa wie in diesem Fall um ein strategisches Offenkundigmachen. Zudem werden meistens nie jene Leute involviert, die schon seit vielen Jahre beweisen, wie nachhaltige, gute und progressive Kulturarbeit gemacht wird. Meistens sind es wieder ein paar wenige, die aufgrund gewisser Beziehungen und weil sie das richtige Parteikartl haben zu den Futtertrögen hinlangen.“
Das Projekt CAMPUS M ist nicht neu und die eigentlichen Ideengeber sind auch nicht jene Menschen, die es nun im SVP-Vorwahlkampf zu den Gemeinderatswahlen mit versprochenem Geldsegen umsetzen wollen. Auch wenn Karl Zeller, Arno Kompatscher und Philipp Achammer eine kulturpolitische wie finanzielle Unterstützung zugesichert haben, so könnte, wie bei der Volkspartei in Kulturfragen so häufig, ein gesellschaftsrelevanter Denkfehler am Anfang stehen, der das Ende eines für Meran wichtigen Projektes bereits andeutet: interdisziplinäre und mehrsprachige Kulturprojekte dieser Größenordnung müssen wachsen können, sich frei entwickeln dürfen und es muss eine gewisse Offenheit in Kulturfragen für bestmögliche Antworten bestehen. Mit einer solchen Denke hatte und hat die SVP – nicht nur in Meran – sicher bislang wenig am Hut, auch wenn sie sich nun mit einem aufgefrischten Projekt damit rühmen möchte.
Der umtriebige Meraner Ex-Streetworker und Kulturarbeiter Besay Mayer – er steht leider ebenfalls unangefragt auf der Unterstützerliste – kennt nicht nur die Sorgen und Nöte der Meraner Kulturlandschaft sondern auch jene der Meraner Volkspartei. Vor über 15 Jahren hat er gemeinsam mit dem Meraner Architekten Stefan Pircher und anderen Mitstreitern und Mitstreiterinnen eine Vision für das große Areal und seine Gebäude entstehen lassen, die im Festival [un]definded überaus interessante und angesehene Umsetzungsformen fanden, beim Publikum überraschend gut ankamen und viele Menschen in die alte Kaserne lockten. „Leider war im Jahr 2010, nach der 3. Ausgabe Schluss“ bedauert Mayer, „von Seiten der SVP in Meran und der Stadt gab es kein Interesse.“
Als unter Bürgermeister Paul Rösch die Ideen zur Bespielung Merans als Kulturhauptstadt Italiens neuen Wind in die Angelegenheit rund um das Militär-Areal bringen sollten, schaute es für kurze Zeit danach aus, als wäre nach Jahren der Verwaisung das Kulturprojekt wieder am Start. Nachdem der Zuschlag für Meran als Kulturhauptstadt ausblieb, landete das Projekt wieder in der Schublade. Dass diese nun wenige Wochen vor den Wahlen von der Volkspartei geöffnet wird, verwundert, dass dazu vorliegende Ideen kopiert und neu lanciert werden, entspricht nicht der feinen englischen Art, ist aber eben eine in Südtirol auch nicht unübliche...
Wenn man sich den Standort Meran mit Blick auf Kultur, Soziales und Bildung anschaut, dann fehlt ein solcher Ort für dieses spezifische Wirkungsfeld, der sich möglichst experimentell, uninstitutionell, politisch unabhängig, spartenübergreifend und transkulturell entfalten soll und kann.
(Martina Oberprantacher)
Arnold Dall'O, der von gestalterischer und künstlerischer Seite für CAMPUS M verantwortlich ist, betont, dass das Projekt „weitgehend durch seine Arbeit entstanden ist“ und dass seine Vorgehensweise mit rein pragmatischen Überlegungen zusammenhängt: „Ich wusste sehr wohl von den Vorarbeiten und Ideen zum Kasernenareal und kenne die Studien die dazu gemacht wurden. Tatsache ist, dass all diese Studien und Veranstaltungen nichts Konkretes für eine zukünftige Verwendung des Areals gebracht haben. Die Vorarbeit hat wohl leider nicht gereicht, nachhaltig dort einen Ort für Kultur zu etablieren.“ Die Frage, weshalb er sich in die SVP-Seilschaft einhängt, beantwortet er opportunistisch: „Wahlen haben auch was Gutes. Politiker sind gezwungen sich zu positionieren, deshalb meine Entscheidung, den politischen Weg zu beschreiten.“
Alle Kulturschaffenden sind willkommen und sollen mitmachen.
(Arnold Dall'O)
Für eine breite Sichtbarkeit fragten Arnold Dall'O und die SVP bis in den Sommer hinein bei namhaften Unterstützerinnen und Unterstützern an. Auch bei Martina Oberprantacher, der Direktorin im Kunsthaus Meran. Ende Juli wurde ihr deshalb eine vorläufige Liste weitergeleitet, sie las darauf die Namen einiger etablierter Künstler*Innen und Kulturschaffenden, auch einige, die für eine offene Kulturarbeit in Meran stehen und die sie wertschätzt. Was Oberprantacher aber nicht wissen konnte, dass einige der Personen ihr Einverständnis für die Liste gar nicht gegeben hatten. Und sie werden es bis zur Vorstellung des Projekts – nur wenige Tage später – auch nicht tun.
Die Kunsthaus-Direktorin ist zwar enttäuscht von der oberflächlichen und schlampigen Vorgehensweise für diese ominös entstandene Liste, verweist aber auf die Wichtigkeit eines Projektes für Meran: „Wenn man sich den Standort Meran mit Blick auf Kultur, Soziales und Bildung anschaut, dann fehlt ein solcher Ort für dieses spezifische Wirkungsfeld, der sich möglichst experimentell, uninstitutionell, politisch unabhängig, spartenübergreifend und transkulturell entfalten soll und kann.“
Zur Liste der Unterstützerinnen und Unterstützer, „die teils telefonisch, teils mündlich zusammengestellt wurde“ bedauert Dall'O die entstandenen Missverständnisse und hofft, dass diese in einem Gespräch mit den Betroffenen beseitigt werden können. Er will jedenfalls, „dass alle Kulturschaffenden willkommen sind und mitmachen sollen.“ Seit kurzem gibt es übrigens mit dem Projekt www.campus-m.fail eine Online-Perfromance, die sich künstlerisch gegen "Campus M" stellt und nach Unterstützerinnen und Unterstützern sucht.
Ob bei weniger SVP-freundlichen Künstlern und Kulturmenschen oder bei einer Niederlage der SVP bei den kommenden Wahlen, der von der Landespolitik angedeutete Geldbetrag kommen wird, wissen am Ende – und im Sinne der flapsigen Schreibweise von CAMPUS M – wohl nur Landesrat Philipp Achummer, Karl Zähler, Richard Stumpfl und der Landesregierung Juniorchef.
Bleibt zu hoffen, dass sich das alte Areal in Zukunft unabhängig von Parteipolitik entwickeln kann, um nicht als politischer Rachewitz in die Geschichte einzugehen.
Initiativen von unten - aus
Initiativen von unten - aus der Bevölkerung oder von den Künstlern selbst - sehen anders aus. Campus M scheint in Allem orchestriert.
Kleine Ergänzung und
Kleine Ergänzung und Richtigstellung zu meinen Aussagen im Salto Artikel von Martin Hanni: Die SVP ist dieses eigtl. sehr wichtige Projekt für Meran vor allem kommunikativ falsch angegangen, aber was die Grünen in den letzten 5 Jahren in Bezug auf die Kulturpolitik in unserer Stadt veranstaltet haben, geht auf keine Kuhhaut und spottet jeder weiteren Beschreibung. Fast ausschliesslich alle Parteien und PolitikerInnen bis auf wenige Ausnahmen (Gabi Strohmer und David Augscheller sind dabei namentlich zu erwähnen) haben einiges gut zu machen und können ab Oktober endlich und wirklich beweisen, dass sie die ohne Zweifel bunte, vielfältige und spannende Kunst- und Kulturszene in Meran nachhaltig unterstützen. Ich bin zwar nicht hoffnungsfroh, aber ich bin auch nicht gänzlich hoffnungslos. Ihr alle habt es selbst in der Hand uns endlich jene Unterstützung zukommen zu lassen, die sich die dort seit Jahren hart arbeitenden Menschen verdienen.