Lokale Erinnerungskulturen
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Bereits heute Abend, ab 19.30 Uhr können sich interessierte Personen mit einem weniger betrachteten Aspekt des Holocausts befassen, selbstverständlich mit lokaler Prägung: Im ersten LiteraturCLUB-History des Meraner Ost West Clubs stellen Autor Costantino Di Sante und Gesprächspartner Thomas Kager vom Verlag Edition Raetia das Buch „Der Alltag der Wärter – Verbrechen, Gräueltaten und Vergnügungen des Wachpersonals im Durchgangslager Bozen“ vor. Einleitung und Moderation übernimmt Sonja Steger.
Tags darauf, am Freitag um 11 Uhr, gibt Di Sante eine Sondervorlesung mit dem Titel „Auschwitz dentro il sistema concentrazionario nazifascista. 80° anniversario della liberazione del campo”, an der Fakultät für Bildungswissenschaften in Brixen. Dabei soll das Vernichtungssystem mit Archivdokumenten, Fotografien und Berichten von Überlebenden dezidiert aus der Perspektive der Opfer, nicht der Täter, betrachtet werden. Zum Abschluss der Veranstaltung ist eine Anbindung an Tagesthemen geplant, die die Wichtigkeit von Erinnerungskultur angesichts von Menschenrechten und Phänomenen der Diskriminierung, unterstreicht.
Keinem Buch, aber einem anderen spannenden Aspekt der lokalen Geschichte widmet sich ein fünfköpfiges Panel in der Meraner Stadtbibliothek, das in die Jahre 1933 bis 1938 zurückblickt. Freitag, ab 20 Uhr blicken Josef Prackwieser und Alexandra Budabin (beide Eurac Research), Simon Terzer (Historiker), Federico Steinhaus (u.a. langjähriger Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Meran), sowie Jutta Kusstatscher (freie Journalistin) auf das Alpine Schulheim am Vigiljoch, einen wichtigen Ort für die jüdische Gemeinde in den 30er Jahren, als Meran als relativ sicherer Zufluchtsort für deutschsprachige Jüdinnen und Juden galt, deren Zahl sich in den 30er Jahren von etwa 700 Personen auf 1400 verdoppelten. Heute zählt Meran zu den sogenannten jüdischen Kleinstgemeinden. -
Arci Bolzano Bozen fasst mehrere Projekte in der Landeshauptstadt zur Veranstaltungsreihe Remember Festival zusammen, welche Arci Bolzano Bozen Aps, Arciragazzi Bolzano APS, ANPI Alto Adige Sudtirol, COOLtour, OfficineVispa, MeTe APS, Centro Pace Bolzano Friedenszentrum, in Zusammenarbeit mit Pippo food.chill.stage und der Nuova Libreria Cappelli gemeinschaftlich gestalten. Angelaufen ist die Reihe am vergangenen Sonntag, weiter geht es am Wochenende, unter anderem mit von jungen, durch lokale Historiker geschulten Parcours-Leiter:innen begleitetem Besuch der Mauer des Durchgangslagers Bozen.
Andauernd – noch bis 29. Jänner – ist auch eine Doppelausstellung in der Bozner Stadtgalerie, die zum einen die Wanderausstellung „Italiani nelle SS 1943-1945 Autori/Esecutori“ umfasst, zum anderen, in Zusammenarbeit von Rai Alto Adige und Stadtgemeinde Bozen „Zwei Videos gegen das Vergessen“ zeigt. Bei diesen handelt es sich zum einen um die Dokumentation „Il Lager di Bolzano“ (1997; Regie Nives Simonetti; 80 Minuten) in der Stimmen ehemaliger Gefangener des Bozner Durchgangslagers eingeholt werden, zum anderen um einen Sonderbeitrag des TGR Bolzano vom 25. April 2001, der ein Interview mit dem SS-Untersturmführer Karl Friedrich Titho umfasste. Die Aussagen des Lagerkommandanten im 22-minütigen Video kommentieren Carla Giacomozzi des Stadtarchivs Bozen und der Trentiner Partisanen und der einstige Lagergefangene Luigi Emer „Avio“.
Über den Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts – den 27. Januar – hinaus werden weibliche Perspektiven, sowie jene von Menschen mit Behinderung differenziert betrachtet. Letztere zum Abschluss des Remember Festivals mit einer Theateraufführung im Grieser Stadttheater „Ausmerzen – Vite indegne di essere vissute“ (Mittwoch, 29. Januar 20.30 Uhr), sowie mit der Konferenz „Lo spazio non è neutro. Abilismo, disabilità, stereotipi” im Pastoralzentrum von Bozen, die am kommenden Donnerstag um 18 Uhr beginnt.
Weiblichen Stimmen kann man am selben Tag in die Stadtbücherei Meran folgen. Das lyrisch-prosaische Reading Concert „Etty e Ilse – La memoria nelle parole“ haben Barbara Gramegna und Elisa Venturin gestaltet, die auch dessen Umsetzung übernehmen. Veranstaltungsbeginn ist um 18.30 Uhr. Den Januar beschließt „Donne nella Memoria“ im Meraner Kulturzentrum, wo der Verein Mairania Francesca Ferragina einlädt, die ab 18 Uhr spannende und doch leider weniger als ihre männlichen Leidensgenossen beachtete Frauenschicksale in den Vordergrund rückt.