Politica | Grenzen

Antworten mit Fragezeichen

Der offene Brief von Kunst- und Kulturschaffenden aus Süd-, Nordtirol, Österreich, Italien und Vorarlberg an die Politik hat einige Reaktionen hervorgerufen.

Es ist nur ein Brief, mehrere Blatt Papier, bedruckt mit schwarzen Lettern. Vor wenigen Tagen flatterte er auf den Schreibtisch der EU-Parlamentarier, der Mitglieder der österreichischen Bundesregierung sowie der Politiker der Landtage in Südtirol und Tirol. Es ist nur ein Brief, und doch viel mehr. Bei dem Schreiben handelt es sich um den Aufruf, der Mitte Februar von zahlreichen Kunst- und Kulturschaffenden und anderen Personen der Zivilgesellschaft aus Österreich, Italien, Südtirol, Tirol und Vorarlberg gestartet wurde. “Keine neue Brennergrenze!”, so der Titel der gemeinsamen Erklärung, in der zum Ausdruck gebracht wird, “welchen Wert ein Freies Europa darstellt und welche Bedrohung von einem neuen Nationalstaatsdenken ausgeht”.

Mehrere Wochen wurden Unterschriften für die Initiative gesammelt. Anschließend wurde der Brief den europäischen, nationalen und lokalen Vertretern der Politik zugesandt – um “den Dialog zwischen Bürgern, Politikern und der Öffentlichkeit” zu suchen, wie drei der Initiatoren der Aktion, Maxi Obexer (NIDS Institut für Dramatisches Schreiben, Südtiroler Autoren Vereinigung), Gerhard Ruiss (IG Autorinnen Autoren) und Maria Christina Hilber (Südtiroler Autoren Vereinigung), erklären. Sie haben ein Abschlusscommuniqué verfasst, in dem sie resümieren: “Es ist erfreulich, dass sich eine (…) Zivilgesellschaft zeigt, die es als ihre Aufgabe sieht, solidarisch und wach auf das aktuelle politische Geschehen zu reagieren und mit Geschichtsbewusstsein über tagesaktuelle Angelegenheiten hinaus zu denken und zu handeln.”

Einige der Empfänger des Schreibens haben sich bei den Absendern bedankt, darunter einige Südtiroler Politiker. Eine ergiebige Antwort kommt von Herbert Dorfmann am 19. April. Der EU-Parlamentarier bedankt sich für die Initiative, schreibt aber gleichzeitig, dass die Diskussionen in den letzten Wochen und die geplanten temporären Grenzkontrollen am Brenner einmal mehr zeigten, “in welche schwierigen Phase sich unser gemeinsames Projekt Europa derzeit befindet”. Das offene Europa werde langfristig nur überleben, “wenn es ein von den Bürgern Europas gewolltes und eingefordertes Modell des Zusammenlebens in Europa ist”, ist Dorfmann überzeugt. Ein einfaches “vielen Dank für diese Informationen” kommt von Walter Blaas in einem Antwortschreiben vom 11. April. Am selben Tag wendet sich auch sein Fraktionskollege im Südtiroler Landtag, Pius Leitner an die Kunst- und Kulturschaffenden. “Selbstverständlich” sprächen sich auch die Freiheitlichen “grundsätzlich” gegen eine Wiedererrichtung der Brennergrenze aus, versichert Leitner. Allerdings liege die Verantwortung bei der EU – “es wird keine ‘europäische Lösung’ geben, wenn die EU-Verträge nicht respektiert werden”, schreibt der Freiheitliche. Komplimente für den offenen Brief kommen auch von Landesrat Philipp Achammer, der sich direkt an Maxi Obexer wendet und “erfolgreiches Schaffen” wünscht.

Aus Nordtirol meldet sich die Grüne Soziallandesrätin Christine Baur. “Ein Zaun am Brenner ist ein Symbol für Aus- und Abgrenzung. Dagegen gibt es von mir persönlich ein klares Nein”, schreibt sie in ihrer Antwort. Und weiter: “Das Errichten von Zäunen und die neuerliche Stärkung der Staatsgrenzen innerhalb Europas kann keine Lösung für die Menschen sein, die vor Krieg, Verfolgung und Ausweglosigkeit fliehen.” Ein herzliches Dankeschön für ihre Initiative bekommen die Verfasser und Unterstützer des Briefes von der Grünen österreichischen EU-Abgeordneten Ulrike Lunacek. “Ich hoffe, dass sie das entsprechende Echo auch beim neuen Innenminister Österreichs sowie der gesamten Bundesregierung findet”, meint sie. “Als eine, die Ende der 1970er/Anfang der 1980er in Innsbruck studiert hat, ist mir die geschlossene Brennergrenze noch sehr gut in Erinnerung! Das soll und darf es nie wieder geben, genauso wenig wie die Abschaffung der Reisefreiheit und Personenfreizügigkeit durch ein Aufkündigen des Schengen-Abkommens!” Eine letzte Reaktion kommt schließlich von der sozialdemokratischen EU-Parlamentarierin Karoline Graswander-Hainz: “Die Situation ist schwierig, die öffentliche Meinung mehrheitlich wohl nicht mehr auf unserer Seite. Dennoch bestärkt mich Ihr Schreiben, im Rahmen meiner Möglichgkeiten weiterhin für eine menschliche und europäische Lösung zu streiten. Ich will Sie auf diesem Wege auch ermutigen, nicht zu resignieren. Wir müssen immer wieder aufs Neue betonen, nationale Maßnahmen lösen keines unserer Probleme, im Gegenteil: Sie sind die Ursache humanitär untragbarer Zustände, wie wir sie heute schon in Idomeni vorfinden und denen ein Schließen der Brenner-Grenze mitten in Europa den Weg bereiten könnte.”