Bozen, deine Bürgermeister
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In diesem Wahlkampf scheint zwei Wochen vor dem Termin am 8. Mai das meiste schon gesagt, vieles zur Genüge wiederholt und kaum mehr Neues zu erfahren sein. Das müssen sich auch viele der Boznerinnen und Bozner gedacht haben, die am Samstag Nachmittag nicht ins Rathaus in die Gumergasse kamen. Bis auf wenige eingefleischten Fans und einzelne Gemeinderatskandidaten war der große Festsaal beinahe leer. Ein Großteil der Stühle besetzten jene Personen, um die es in der dreistündigen Veranstaltung eigentlich ging: die 13 Bürgermeisterkandidaten der Landeshauptstadt und ebenso viele Journalisten. Erstere mussten sich den Fragen der Medienvertreter stellen, zehn Minuten Zeit hatte jedes Paar. Im Laufe der dreistündigen Interview-Marathons, der von Marco Angelucci als Präsident der Pressevereinigung Bozen organisisert wurde, stellte sich dann allerdings heraus, dass das ein oder andere Detail der zehn Kandidaten und drei Kandidatinnen doch nicht allen bekannt sein dürfte.
Chronologie der Paarläufe
Eröffnet wurde der Reigen von Francesca Gonzato (Alto Adige). Ihr gegenüber saß Elena Artioli alias Helene Staffler. Mit diesem Namen hätte die SVP ihre Kandidatur für die Partei bei den Landtagswahlen 2013 akzeptiert, verriet sie. Von ihrer Liste Artioli kommt nur ein einziges Nein, nämlich zum Seilbahnprojekt an der Talfer, ansonsten sieht man sich als Ja-Sager.
Laut wurde es in Runde zwei. salto.bz-Redakteur Gabriele Di Luca stellte Maurizio Puglisi Ghizzi (CasaPound) wohl einige unangenehme Fragen, sodass dieser seine Stimmbänder voll ausreizte. Dabei erfuhr das anwesende Publikum, dass Puglisi Ghizzi kein Problem damit hat, dass selbsterklärte Faschisten Mitglieder der Bewegung sind, für die er als Bürgermeisterkandidat antritt. Er selbst sei seit jeher als Faschist bezeichnet worden, was ihn allerdings nicht weiter störe.
Renzo Caramaschi (PD, Lista con Caramaschi, Sinistra) gestand im Interview mit Marco Angelucci (Corriere dell’Alto Adige), dass er keinerlei Reue nach dem nicht zustande gekommenen Pakt mit den Grünen verspürt. Im Übrigen sei er aber doch zu einer Zusammenarbeit mit Kräften “von den Grünen bis zur SVP und eventuell darüber hinaus” bereit – sollte er Bürgermeister werden.
Norbert Lantschner (Grüne/Projekt Bozen, Rifondazione Comunista) beschrieb, durch Mauro Keller von Video 33 mit der Frage herausgefordert, wie gut er denn Bozen kenne, seine beruflich und privat bedingten Umzüge in beinahe sämtliche Bozner Stadtviertel. “Bozen muss sich auf Augenhöhe mit der Provinz begegnen”, unterstrich Lantschner.
Anna Pitarelli enthüllte, dass Forza Italia um ihre Mitgliedschaft und Kandidatur gebuhlt hatte. Eigentlich hätte es die Kandidatin von Neue Welle Bozen nicht verraten wollen, Marco Angelucci machte ihr jedoch als gut informierter Journalist einen Strich durch die Rechnung. Und noch eine Enthüllung: Sie sei auf jeden Fall für eine Aufwertung des Busbahnhofareals gewesen, “unabhängig von der Person des René Benko – es hätte auch jemand anderes sein können”, so Pitarelli.
Vanja Zappetti, dem Marco Pugliese (Buongiorno Suedtirol) des öfteren ins Wort fiel, bezeichnete sich und seine “Sache” (nicht Bewegung) I Love My Town als “rivoluzionari in pantofole”. Er kann sich eine Zusammenarbeit mit sämtlichen politischen Kräften, die mit der italienischen Verfassung vereinbar sind, vorstellen. Auch mit CasaPound? Dazu eine klare Antwort (und Applaus): “La Costituzione della Repubblica italiana non prevede che possa essere praticata attività politica che si richiami al fascismo.”
Auch Giorgio Holzmann (Alleanza per Bolzano) wurde des öfteren als Faschist bezeichnet, habe sich aber nie als solcher gefühlt, betonte er. Trotz seiner Mitgliedschaft beim MSI, der sich aber “nicht groß” an den Faschismus anlehne. Im Gespräch mit Mauro Keller erklärte er, dass er sich auch als altgedienter Politiker noch gebraucht fühlt und “mit allen Mitteln” eine weitere kommissarische Verwaltung Bozens verhindern will.
Franco Murano (Pensionati) will nicht nur die älteren Menschen ansprechen, “parliamo un po’ di tutto”, sagte er zu Francesca Olivetti von Tca Bolzano. Das Motto des Sportfunktionärs von Virtus Don Bosco: “Im Fußball haben wir alles gewonnen, hoffen wir, dass wir nun auch diese Herausforderung gewinnen und mit den Pensionati in die Regierung kommen werden.”
Cristian Kollmann, von Lissi Mair (Ansa) auf sein Outing als Homosexueller angesprochen, stellte klar, dass “das vollkommen konform mit der Linie der Süd-Tiroler Freiheit” sei: “Wir treten für territoriale Selbstbestimmung, aber auch sexuelle Selbstbestimmung ein.” Er wünscht sich mehr Austausch zwischen den Sprachgruppen, und zieht “die Deutschen” in die Pflicht, die “mehr Möglichkeiten schaffen müssen, damit die Italiener deutsch sprechen können.”
Mario Tagnin zeigte sich davon überzeugt, dass Mitte-Rechts nur mit der Lega Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung hat. Und lässt durchklingen, dass Bozen zu viele Flüchtlinge beherbergt. “Per poter gestire l’accoglienza dobbiamo avere il giusto numero”, so Tagnin zu Monica Pietrangeli (Rai Alto Adige).
Caterina Pifano wurde bei ausgeschaltenem Mikrofon von Arnold Tribus (Neue Südtiroler Tageszeitung) durchgehend übertönt. Sie verwehrt sich dagegen, mit dem Movimento 5 Stelle der Partei der Nein-Sager anzugehören und will alle Gehälter der Stadtpolitiker, einschließlich des ihren, kürzen.
Angelo Gennaccaro (Io Sto con Bolzano) konnte “nicht anders, als wieder als Bürgermeisterkandidat anzutreten”. Er ist übrigens der einzige der 13, der auch 2015 ins Rennen ging, wie Francesca Olivetti erinnerte. Dieses Jahr vertraut er darauf, dass ihn sein Bart, den er im Gegensatz zu den Wahlen im Vorjahr trägt, um einiges gereift und wählbar auch für Ältere erscheinen lässt.
Christoph Baur glänzte mit Abwesenheit. Den im Ausland weilenden Bürgermeisterkandidaten der SVP vertrat Sebastian Seehauser, der selbst als Anwärter für den Bürgermeistersessel gehandelt worden war. Die Fragen stellte Arnold Tribus. Er, Seehauser habe schließlich auf eine im Raum stehende Bürgermeisterkandidatur verzichtet, weil man mit Baur jemanden gefunden habe, der andere Voraussetzungen mitbringt, “die die Stadt jetzt braucht”.