Politica | Radioförderung

Doppelte Rückkopplung

Jahrelang wurde die Radioagentur RMI von der Landesverwaltung finanziell bevorzugt. Jetzt haben die Radiomacher um Heiner Feuer das Land geklagt und Recht bekommen.

Genug ist nie genug.
Auch so könnte man das beschreiben, was sich im Stillen hinter den Kulissen der öffentlichen Medienförderung in den vergangenen Wochen abgespielt hat. Die Landesregierung ist gerade dabei, die Durchführungsbestimmungen für die neue Förderungen von Fernsehen, Radio und Online-Medien zu verabschieden. Dabei haben es die Südtiroler Radiomacher bestens verstanden, ihr Gewicht und ihre Lobby ebenso einzusetzen.
Gleichzeitig holt die Politik aber eine Altlast ein. In Form von zwei Urteilen des Bozner Verwaltungsgerichts, die am 3. November 2015 erlassen wurden und die dem Land einiges an Geld kosten könnte.
Geld, das jetzt genau in jene Radiokassen fließen soll, die seit Jahrzehnten vom Land besonders aufgepäppelt werden.

Das System RMI

Heiner Feuer ist durch und durch Radiomacher. Der 45-jährige Bozner Journalist hat zusammen mit Karl Kleinrubatscher Mitte der 1990er Jahre eine zündende Geschäftsidee. Weil Südtirols Privatradios auch Nachrichten senden müssen, stellt das Duo eine lokale Radio-Nachrichten-Agentur auf die Beine, die die journalistische Arbeit für gleich acht Südtiroler Privatradios übernimmt. RMI produziert anfänglich das „Südtirol Journal“ und ab 1997 auch stündliche Nachrichten, die von den Partnersendern ausgestrahlt werden.
Das Geschäftsmodell ist ein durchschlagender Erfolg, basiert es doch auf einer dreifachen öffentliche Finanzierung. Zum einen gibt es eine staatliche Förderung von Nachrichtenagenturen. Die SVP-Parlamentarier setzen durch, dass RMI schon bald von diesen Fördertöpfen ordentlich naschen kann. Jährlich fließt dabei viel Geld aus Rom.
Dazu kommt noch, dass Radios vom Staat lange Zeit den Großteil der Kosten zurückbekommen, die sie für Agenturen ausgeben. So fließt das Geld über die Radios direkt in die Kassen von Feuers Agentur.
Außerdem dient RMI für die angeschlossenen Sender auch als Werbeagentur. Vor allem der langjährige SVP-Wirtschaftslandesrat Werner Frick sorgt dafür, dass RMI und die angeschlossenen Sender von allen Radiokampagnen des Landes das größte Tortenstück abbekommen.


Radiomacher Heiner Feuer: Lukratives Geschäftsmodell und gewichtige Lobby.

Das Modell RMI ist wirtschaftslicht so erfolgreich, dass Heiner Feuer & Co mit anderen Geschäftspartnern die „On Air GmbH“ und die "Funkhaus GmbH" gründen und damit die beiden Sender „Südtirol 1“ und „Radio Tirol“ übernehmen. Gesetzlicher Vertreter beider Radios ist Heiner Feuer. Dabei gibt es von Beginn an Anzeichen, dass über einen Innsbrucker Treuhänder auch die Athesia mit an Bord ist.
Durch die personelle und unternehmerische Verquickung wird der Spielraum für die Verrechnung der journalistischen Dienstleistungen noch größer. Praktisch ist man Verkäufer und Käufer in eine Familie. Nur die Rechnungen zahlt zum Großteil die öffentliche Hand.

Die Lex RMI

Dann geschieht aber etwas, das den so schön geölten Radio-Agentur-Goldesel plötzlich erlahmen lässt. Der Staat schafft 2010 die Agentur-Förderung und die Rückerstattung an die Radiostationen ab.
Weil die Radiomacher aber beste Kontakte zur Landespolitik haben, reagiert das Land umgehend. Die Landesregierung erlässt im November 2010 ein neues Gesetz zur Medienförderung, das rückwirkend sogar für 2009 gilt. Der zentrale Punkt des Gesetzes sind Förderkriterien für die Produktion von Radionachrichten. Diese Kriterien sind aber einzig und allein auf die Agentur RMI und die Bedürfnisse der angeschlossenen Radiosender zugeschnitten. Obwohl mehrere andere private Südtiroler Radiomacher dagegen protestieren, drückt die SVP das Gesetz und die Bestimmungen einfach durch. Besondere Lobbyarbeit für RMI leistet dabei einer, der schon in seiner aktiven Laufbahn als Wirtschaftslandesrat durch besondere Fürsorge für die private Radioagentur aufgefallen ist: Werner Frick, inzwischen wieder zum Kaufleuteverbandes (HDS) zurückgekehrt, wo auch der Verband der Privatradiobetreiber angesiedelt ist, dessen Vorsitzender zufällig wieder Heiner Feuer ist.

Die Gelder

Wie hoch die Fördermittel dabei sind, zeigt sich an den Beiträgen aus dem Jahr 2009. Neun Radios aus dem RMI-Verbund haben damals um die Förderung angesucht. Radio Südtirol 1, Radio Tirol, Radio Gherdeina 1 und 2, Radio Nord, Tele Radio Vinschgau, Radio Holiday und die beiden Kircherradios Stadtradio Meran und Radio Grüne Welle.
Sie legen Rechnungen vor, dass sie für die RMI-Nachrichten und Magazin-Sendungen insgesamt 648.014,88 Euro ausgegeben haben. Das Land ersetzt laut Gesetz den Radiobetreibern 50 Prozent der Kosten für die Nachrichtenagentur und -dienste. Rund ein Drittel dieser Summe erhalten allein Südtirol 1 und Radio Tirol. Im Jahr 2010 steigen die Zuwendungen dann noch einmal leicht an.

Sieg vor Gericht

Angeführt von Walter Wiedenhofer, Betreiber des Lanaer Senders Radio Sonnenschein, wehren sich drei Südtiroler Privatradiobetreiber vor Gericht gegen das maßgeschneiderte Fördergesetz für RMI und die angeschlossen Radios. Sie reichen einen Rekurs gegen die Landesförderung beim Bozner Verwaltungsgericht ein. Und sie bekommen recht.
Richter Peter Michaeler lässt in seinem Urteil im Frühsommer 2012 kein gutes Haar an dem Landesgesetz und der Förderung. Im Urteil heißt es: „Der Beitrag ist nur oberflächlich an die Radiosender gerichtet, in Wirklichkeit wird hier ein überhöhter Beitrag an den Monopolisten geleis­tet. Die wahren Nutznießer sind nicht die Radiosender, sondern die Nachrichtenagentur.“ Die Fördergelder hätten, so Michaeler, nur zur Stärkung des Monopols von RMI beigetragen.


Radiomacher Walter Wiedenhofer: Kampf gegen RMI-Monopol.

Das Verwaltungsgericht annulliert die Förderbeschlüsse aus den Jahren 2009 bis 2011 und fordert das Land auf, das Gesetz zu ändern. Gleichzeitig sollen die Begünstigten die zu Unrecht erhaltenen Fördermittel zurückzahlen. Sowohl die „On Air Gmbh“, wir auch ein Teil der angeschlossenen Radios legen gegen das Urteil Berufung ein. Auch das Land schließt sich dem Rekurs vor dem Staatsrat auf Seiten der RMI-Betreiber an. Offizieller Grund: Man will sich die Einmischung von Seiten des Verwaltungsgerichts nicht gefallen lassen. In Wirklichkeit ist eine weitere Stützmaßnahme für die prominenten Radiomacher.
Aber auch der Staatsrat kommt im Juli 2013 zum Schluss, dass das Landesgesetz nicht rechtens ist. Richter Bernhard Lageder schreibt im Urteil: „Es ist unbestritten, dass die einzige deutschsprachige Agentur in Südtirol, welche die Vorgaben erfüllen konnte, RMI – Radio Media International ist“. Das widerspreche den Prinzipen der Angemessenheit. Im Urteil ist auch von „Beschlüssen, die den Medienpluralismus verletzen" und ein „Monopol geschaffen haben“ die Rede.

Die Rückzahlung

Nach den beiden Urteilen müssen die Radiomacher aus dem RMI-Netzwerk insgesamt rund 600.000 Euro zurückzahlen. Allein die beiden Sender Südtirol 1 und Radio Tirol trifft es mit über 200.000 Euro schwer. Die Landesregierung erlaubt die Rückzahlung in Raten. Derzeit stottern die Sender die Beiträge immer noch ab.
Gleichzeitig aber korrigiert man die Bestimmungen zum Landesgesetz nach dem Vorgaben des Staatsrates und die Gelder fließen weiter. So schüttet man für das Jahr 2011 nachträglich 262.373,91 Euro an die acht Sender aus und für 2012 307.104,41 Euro. Die Auszahlungen beschließt die Landesregierung am 27. Dezember 2013.
Damit müsste eigentliche alles wieder in Ordnung sein. Doch das ist es keineswegs. Denn die Radiomacher rund um RMI allen voran die On Air GmbH haben 2014 gleich zwei Rekurse gegen diese Beschluss der Landesregierung eingereicht. In beiden Streitfällen haben sie vor drei Wochen vom Verwaltungsgericht Recht bekommen.

Annullierte Beschlüsse

Der erste Rekurs ist ein Frontalangriff. Die Radiomacher fechten dabei den Landesregierungs-Beschluss zur Rückzahlung an. Mit Urteil 331/2015 gibt das Bozner Verwaltungsgericht den Rekursstellern recht und setzt den Beschluss vom Dezember 2013 teilweise aus.
Der Richtersenat um Berichterstatterin Alda Dellantonio geht davon aus, dass die Rückzahlung für das Jahr 2009 zwar rechtens ist, jene für das Jahr 2010 aber nicht. Es geht dabei vor allem um einen formalen Fehler. Die Landesregierung hätte für jedes Jahr einen eigenen Beschluss fassen müssen.
Im Rechtsamt des Landes sieht man das Urteil deshalb relativ gelassen. Die neue Landesregierung will den Rückzahlungsbeschluss für 2010 einfach noch einmal verabschieden. Diesmal formal richtig.
Haariger ist hingegen ist das zweite Urteil. Die Landesregierung zahlte im Dezember 2013 rund 570.000 Euro an die Radios aus. Es sind 50 Prozent der anerkannten Kosten der Sender für die Nachrichtenagentur und -dienste.
Vorgelegt haben die neun Sender aber weit höhere Kosten. Doch die zuständigen Landesämter haben nicht alle diese Kosten anerkannt. Man hat – wie im Land durchaus üblich – nur jene Kosten anerkannt, für die es nicht nur Rechnungen sondern auch die entsprechende Banküberweisung gibt.

Landeshauptmann Arno Kompatscher: Berufung vor dem Staatsrat.

Die Radios haben zudem aber eine ganze Reihe von Kosten vorgelegt, die zwischen ihnen und RMI sozusagen kompensiert wurden. Das heißt: Es gibt weder Banküberweisungen noch nachvollziehbaren Zahlungen. Vor dem gesellschaftsrechtlichen Hintergrund von RMI und den Sendern Südtirol 1 und Radio Tirol – mit fast denselben Besitzern - ist diese Art der Abrechnung durchaus fragwürdig. Deshalb hat das Amt für Kabinettsangelegenheiten diese Verrechnungen nicht als Kosten anerkannt. Sie fließen auch nicht in die Förderung ein.
Diese Auslegung haben Heiner Feuer & Co mit ihrem Rekurs angefochten. Mit Urteil 332/2015 gibt das Verwaltungsgericht Bozen ihnen am 3. November 2015 recht. Das Land muss auch die restlichen Kosten anerkennen und auszahlen.

Vor dem Staatsrat

Demnach müsste das Land über 100.000 Euro an Radioförderung an die an RMI angebundenen Radios nachzahlen. Ob es aber dazu kommt, steht noch in den Sternen. „Wir werden dieses Urteil vor dem Staatsrat anfechten“, sagt Arno Kompatscher auf Nachfrage zu salto.bz. Der Landeshauptmann geht davon aus, dass dieses Urteil ein Prinzip der Landesverwaltung angreift. Bisher gilt für Förderungen der eiserne Grundsatz, dass die Bezahlung der Kosten einwandfrei belegt sein müssen. Und nicht Erklärungen von Dienstleister und Kunden einfach reichen. Vor allem dann, wenn beide dieselben Eigentümer haben. Kompatscher: „Wenn diese Interpretation einreißt, dann können wir einpacken.
Auch im Radiowohnzimmer zählt anscheinend nur das Geld.