Cultura | Salto Afternoon

Achtung Hochsaison

Hochsaison am Welttourismustag: Der Kabarettist und Sprachkünstler Markus Koschuh wird an der Brixner Kleinkunstbühne Dekadenz erwartet. Ein Vorgespräch mit Rückblicken.
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Foto: Foto: Thomas Böhm

Herr Koschuh, Sie haben Südtirol sicher in guter Erinnerung. Hier wurden Sie 2010 Ö-Slam-Sieger, also österreichischer Meister im Poetry Slam. Welche Erinnerungen haben Sie an diesen Abend?
Ganz ehrlich: Da hat meine Erinnerung ein paar Aussetzer. Was ich noch weiß ist, dass wir in einer ziemlich großen Halle Literatur gemacht haben, während ein großes Konzert vorbereitet wurde.

Das hatte was von Musikantenstadl auf Koks.

Wir mussten das Finale der Österreichischen Poetry Slam Meisterschaften im Eiltempo abwickeln, weil die im Hauptraum mit dem Konzert beginnen wollten. Ich glaube, dass selten so schnell moderiert wurde, wie damals in Bozen. Das hatte was von Musikantenstadl auf Koks. Und trotzdem war es ein rauschendes Fest der Literatur. Und das Beste war ja: Wir haben mit den österreichischen Poetry Slam Meisterschaften in Südtirol gezeigt, dass Literatur grenzenlos funktioniert. Das war schon sehr, sehr toll.

„Ciao a tutti. Mi chiamo Marco e sono di Innsbruck. Non mi piace stare tutto il giorno a casa come un cane…“ war damals Ihr überraschender zweisprachiger Einstieg in Ihren Siegertext. Es war gleichzeitig ein politisches Statement für den besonderen Austragungsortsort Bozen. Wie erleben Sie als Kabarettist die aktuelle politische Situation? Ermüdend?
Ermüdend? Überhaupt nicht! Die aktuelle politische Situation ist ganz im Gegenteil sehr motivierend. Das Kabarett ist in Zeiten, in der manche Politiker einen Keil in dieses Europa treiben und zurück zum unseligen Nationalismus wollen, gefordert wie nie. Aber zugegeben: Die Orbans, die Kaczynskis oder in Italien die Salvinis ...das ist schon sehr frustrierend. Das sind verantwortungslose Menschen, es ist ein Wahnsinn, was da an Angstmache passiert - und die glauben auch noch, dass sie richtig liegen. Aufzuzeigen, dass das eben nicht der Fall ist, welche unguten Methoden da verwendet werden: das ist Aufgabe des Kabaretts. Es wäre auch Aufgabe einer funktionierenden Medienlandschaft, die aber leider zu oft in den Händen ebenso verantwortungsloser Menschen ist. Puncto Südtirol verfolge ich diese Doppelpass-Diskussion sehr aufmerksam, weil was dazu im aktuellen Südtirol-Wahlkampf alles kommt, ist ja oft nur mehr lachhaft.

Das vermisse ich in der Politik: Politiker die sagen, dass sie etwas nicht wissen. Wie sympathisch wäre mir so ein Politiker!

Sie engagieren sich als Künstler auch politisch. Woher kommt die Leidenschaft als Kabarettist den Mächtigen mit Sprachwitz und einer guten Portion kritischer Hinterfragungskunst ans Bein zu pinkeln?
Naja, ans Bein pinkeln kann man schon auch bildhaft und tierisch sehen: Ein Hund pinkelt wo hin, um sein Revier zu markieren. So gesehen will ich der Politik nicht allein die Deutungshoheit überlassen, sondern mache ihr dieses Revier streitig. Dabei bin ich aber auch überzeugt, nicht immer richtig zu liegen. Und trotzdem mische ich mich ein. So funktioniert Demokratie. Allerdings funktioniert sie erst dann wirklich, wenn man dann auch vernünftig diskutiert oder streitet, sich zuhört, und auch mal zugeben kann, falsch gelegen zu sein. Das vermisse ich in der Politik: Politiker die sagen, dass sie etwas nicht wissen. Wie sympathisch wäre mir so ein Politiker! Aber nein, ganz im Gegenteil: Politiker haben zu allem eine Meinung und wissen immer alles. Dem Ganzen mit Sprachwitz zu begegnen, auch mal eine politische Rede in ihre bedeutungslosen, inhaltsleeren Einzelteile zu zerlegen, das macht - leider - ziemlich viel Spaß.

Warum haben Sie Ihren Zunahmen „eingedeutscht“? Haben Sie Angst vor Hetze gegen multikulti-freundliche Kabarettisten in Österreich?
Das hat einen ziemlich banalen Grund: Ich wollte nicht immer meinen Nachnamen buchstabieren müssen. K-O-Z-U-H. Ausgesprochen "Koschuh". Und so schreib ich mich jetzt. Mein Vater ist in Kroatien geboren und in Österreich aufgewachsen, meine Mama hat ihre familiären Wurzeln in der Nähe von Predazzo. Ich bin eine klassische europäische Promenadenmischung. Auf seine Herkunft kann man aber auch nicht stolz sein, die passiert ja einfach. Der Widerstand, der mir manchmal entgegen schwappt, hat glaube ich nix mit meinem nicht germanischen Namen zu tun sondern mit den Themen, die ich aufgreife: Im aktuellen Programm "Hochsaison" ist das der Tourismus. In der Kitzbüheler Nachbargemeinde Going ist es mir zum Beispiel passiert, dass ein längst fixierter Auftritt aufgrund von Interventionen von Touristikern und Politikern wieder abgesagt wurde.

Und Frei.Wild kommen aus Brixen? Jössas. Bisher war mir Brixen ja sehr sympathisch 

Was erwartet die Besucher Ihrer Show in Brixen, jener Stadt, in welcher André Heller seinen Event-Garten realisieren will und wo Bands wie Frei.Wild ihre Heimat gebetsmühlenartig besingen? Sind Sie gerüstet?
Zu André Heller, der in Wien vor kurzem die legendäre Kasperlbühne gerettet hat, will ich jetzt nichts Schlechtes sagen. Ich hoffe nur, dass aus dem Brixner Hofgarten ein toller Wohlfühlgarten wird und nicht alles zur Eventzone. Und Frei.Wild kommen aus Brixen? Jössas. Bisher war mir Brixen ja sehr sympathisch (lacht). Aber zu meinen beiden Auftritten: Ich habe mich natürlich in die touristischen Gegebenheiten in Südtirol eingelesen, da wird schon ein bissl einfließen. Das Programm beginnt als "Heimatabend", das wäre dann wohl der "Frei.Wild"-Teil. Es kippt dann recht schnell in eine ganz andere Richtung. Das hätte sich vermutlich nicht einmal André Heller ausdenken können...

Ein abschließende Frage zum Lieblingsthema für Touristiker: Rekord-Übernachtungen! Sie gingen 2011, im Rahmen des lautpoetischen Formats „Schlag den Koschuh“ gegen die Slammer Arno Dejaco und Wolfgang Nöckler, sowie der Slammerin Helene Delazer (jetzt: Lene Morgenstern), als Sieger von der Bühne. Die darauffolgende Nacht haben Sie alleine in dem großen Schloss Fahlburg verbracht. Was genau ist dort passiert?
Haha, das war echt spannend, ja. Der kleine Markus ganz alleine im großen Schloss. Ich habe mich - und ich hoffe, die Schlossherren lesen das jetzt nicht - in jedem einzelnen der 15 anderen Zimmer ins Bett gelegt. Jeweils für ein paar Minuten. Nur damit ich dann erzählen kann, ich habe in dieser Nacht in 16 Zimmern geschlafen.

Wahnsinn, also 16 Übernachtungen in nur einer Nacht. Wie gestaltete sich der nächste Tag?
Als ich in der Früh aus dem Fenster geschaut habe, hat mir ein anderes Schloss den Blick verstellt. Ich bin mir vorgekommen wie in einem schlechten Märchenfilm.