Società | Teil 2

Apfel-Zauber

Christoph Gufler hat mehrere Bücher über Äpfel geschrieben. Für Salto.bz zeichnet er in einer dreiteiligen Serie die Geschichte des Südtiroler Apfelanbaues nach.
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Foto: Suedtirolfoto.com/Helmuth Rier
Keine andere Frucht nimmt in der Menschheitsgeschichte einen so großen Stellenwert ein wie der Apfel. In allen Religionen und Mythen, aber auch in Kunst und Literatur spielt er eine prominente Rolle. So ist es nicht verwunderlich, wenn der Apfel und der Apfelbaum auch in Volksglauben und Brauchtum an vorderster Front stehen.
 

Apfelmärchen

 
„In den sauren Apfel beißen“, „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“, „Äpfel mit Birnen vergleichen“, das sind nur einige von vielen Sprichwörtern, die sich um den Apfel ranken. Darin kommt die enge Verbundenheit dieser Frucht mit dem Leben und Arbeiten der Menschen zum Ausdruck. Dasselbe gilt für die Märchen, diesem wohl ältesten mündlichen Erzählgut. Wer kennt nicht die Geschichte von Schneewittchen und den vergifteten Apfel, nach dessen Genuss Schneewittchen in einen hundertjährigen Schlaf fiel, der wohl ein Schönheitsschlaf gewesen sein muss, da es ein Prinz war, der sie wach küsste. Im Märchen von der Frau Holle, wird die belohnt, welche die Bitte des Apfelbaums „Ach schüttel mich, schüttel mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif“ erhört.  Beim Märchen vom Vogel Greif wird die Königstochter durch den Genuss eines Apfels geheilt. Ganz zu schweigen, von den goldenen Äpfeln, mit denen der Heilige Nikolaus den Jungfrauen zu ihrem Eheglück verhilft.
 
 

Apfeltests

 
Weit verbreitet war der Brauch in den Rauchnächten einen Apfel so zu schälen, dass die Schale nicht abreißt und diese dann über der Schulter hinter sich zu werfen. Aus der Form der Schale konnte man, oder besser gesagt Frau, dann die Anfangsbuchstaben des zukünftigen Ehemanns entschlüsseln. Weniger eindeutig war ein weiterer Apfeltest, wonach sich anhand der Apfelkerne die Anzahl der Verehrer erkennen ließ. Etwas glaubwürdiger ist da schon die alte Überlieferung, dass eine Frau schöne Kinder bekommt, wenn sie während der Schwangerschaft viele Äpfel zu sich nimmt. Hingegen schützt das Essen eines Apfels die Frauen(!) vor dem Schlafengehen vor gewissen Anfechtungen, wohl vor allem dann, wenn man es „statt dessen“ tut. War das Kind dann (trotzdem) geboren, dann pflanzte man gerne einen Apfelbaum. Damit dieser später reiche Früchte trägt, muss er am Nikolaustag und am Karsamstag mit dem Spruch „Bam, wach und trag, heint isch heilig Tag“ kräftig geschüttelt werden.
 

Apfelmedizin

 
In der Volksmedizin wirkt der Apfel ganze Wunder. Der Südtiroler Volkskundler Hans Fink berichtet, dass ein Apfel zusammen mit einem Schnapsl vor dem Schlafengehn als Medizin gilt. Wenn jemand seine Warzen loswerden will, soll er einen Apfel teilen, ihn über die Warze reiben und dann unter einer Dachtraufe eingraben. Sobald der Apfel faul wird, fallen die Warzen ab. Hilfreich soll der Apfel oder besser gesagt, das Blatt der Apfelbäume, auch bei Nasenbluten sein. Auch die Apfelbäume selbst haben ungeahnte Kräfte. Wenn man die Nachgeburt einer Wöchnerin unter einem Apfelbaum eingräbt, so ist das nächste Kind garantiert ein Junge. Damit dieses rote Bäckchen bekommt, empfiehlt der Volksglaube, sein erstes Badewasser unter einem Apfelbaum auszugießen. Sollte der Baum daraufhin allerdings eingehen, dann muss auch das Kind bald sterben. Dafür hilft es gegen Gelbfieber, wenn der Harn an einem Apfelbaum ausgegossen wird. Birnbäume hingegen ziehen Zahnschmerzen und Gicht an sich und befreien die Menschen davon.
 

Liebesapfel

Wir haben schon darüber berichtet, dass der Apfel in allen Hochkulturen das Attribut der jeweiligen Liebesgöttin war, ob diese nun Aphrodite, Venus, Ischtar oder Iduna hieß. Auch bei den Chinesen gilt der Apfel als Liebessymbol, weshalb sie das Pekinger Freudenviertel „pinkang“, das Apfelbett, nannten. Im alten Persien hingegen riet man den Männern einen Apfel zu essen, bevor sie das Schlafgemach ihrer Geliebten betraten. Das sollte ihre männliche Kraft steigern. Auch die nordischen Völker waren davon überzeugt, dass der Verzehr von Äpfeln ewige Jugend und Schönheit beschert. Wenn es dann doch irgendwann einmal damit vorbei war, zogen sie sich nach Avalon zurück, jener Zauberinsel, auf der goldene Äpfel wuchsen und ewige Liebe herrschte. Die germanischen Götter bevorzugten es allerdings noch zu Lebzeiten einen Apfelbaum zu berühren, dann stellte sich ihre Tat- und Manneskraft sofort wieder ein.